Zusatzkapitel No. 3

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Enes' Sicht
Wenn ich mir manchmal vor Augen halte, mit wem ich zusammen bin und warum ich sie will, könnte ich mich umbringen.
Jeden Tag raubt sie mir meine Nerven ein Stück mehr und manchmal denke ich darüber nach, sie in meinen Kofferraum zu schließen und mit ihr ein paar Runden zu driften damit sie wieder zu sich kommt. Einfach damit sie bemerkt, was sie manchmal mit meinem Kopf macht. Sie nimmt mich auseinander.
Aber heute, nur heute hatte sie einen guten Grund dafür. Sie hat seit Tagen kein 100 prozentiges Vertrauen zu mir, weil sie weiß, dass ich wieder irgendwas tue, was nicht unbedingt das Schönste dieser Welt ist. Aber alles was sie tat, war aus Sorge und Angst um mich. Angst darum, weil sie wusste, zu was ich fähig sein konnte. Ich war seit Tagen aggressiv und erkannte mich selbst nicht. Der Grund dafür war berechtigt: Und da sah ich rot.

Es fing alles vor einigen Tagen an, als ich mit Erion beim Friseur saß und einen Anruf bekam. Ich ballte meine Faust zusammen und versuchte mich zu beruhigen, während ich der Stimme an der anderen Leitung zuhörte. Was mir erzählt wurde, ließ mich sofort auffahren und innerhalb von 15 Minuten waren Erion und ich auf dem Weg zu unseren alten Freunden aus dem Milieu.
Natürlich erfuhr Miss Ardiana davon und sie redete meine Ohren voll, bis ich mich über sie her warf.

Sie ist stur und hartnäckig, aber Gott weiß, ich liebe sie. Es gibt Tage, in denen sie wütend ist ohne einen bestimmten Grund.
Wenn sie krank ist, ist sie hilflos und alles, was man für sie tun kann, ist sie im Arm zu halten bis sie eingeschlafen ist.
Es gibt Tage, in denen sie alle kritisiert. Seinen es Menschen, das Wetter, Musik, sogar mich. Und ich muss einfach damit klarkommen.
An manchen Tagen schließt sie die Welt aus, sie wird alles ignorieren, weil sie nur allein sein will. Sie wird traurig sein, mich bitten Sie allein zu lassen und mir manchmal meine Zigarette aus der Hand nehmen und einmal dran ziehen.
So war sie.
Aber oft, ganz oft erwürgt sie mich mit Liebe. Sie küsst und küsst, bis ich sie irgendwo gegen drücke, damit sie endlich aufhört, weil ich mich sonst nicht halten kann. Sie kitzelt mich, bis es innerlich schmerzt und sie hält oft nachts meine Hand so fest in ihrer, bis sie komplett nass und verschwitzt ist.
Oft ist sie einfach nervig und redet in jeden der Kinofilme rein, bis der Film zu Ende ist und ich garnicht weiß, was am Ende passiert ist. Sie klettert über mich, nimmt sich mein Handy und geht 100-mal meine Bilder durch, bis es mich anfängt nervös zu machen und ich ihr mein Handy wegnehme. Daraufhin wird sie oft sauer, sodass ich anfange meine Fäuste zusammen ballen und sie solange zusammendrücke, bis ich mich beruhigt habe. Wenn sie merkt, dass sie einen Fehler gemacht hat, stehe ich meistens schon aufgebracht auf der Terrasse und ziehe an meiner angezündeten Zigarette, und sie läuft auf Zehenspitzen auf mich zu und legt sich ihre zierlichen Arme um mich. Sie verteilt kleine Küsse auf meinem Rücken und lehnt sich an mich, bis ich sie zu mir ziehe. Sie bedrängt mich nicht, hängt sich nicht an, wenn sie nicht genug Aufmerksamkeit bekommt und sie weiß, dass sie den Fehler gemacht hat. Sie zeigt Einsicht.

Nun stehe ich auf der Terrasse und rauche eine Zigarette nach der anderen. Mein Körper spannt sich bei jedem Zug an und ich merke, wie sich meine Muskeln nacheinander lockern, wenn ich den Rauch aus meinen Lungen entweichen lasse. Ich bin innerlich angespannt. So angespannt, dass es mir schwer fällt die Zigarette an meinen Mund zu führen.
Denk nach, denk nach!
Sie hat mich in ein Zimmer gesperrt und ich stecke hier drin fest, weil sie alles mitgenommen hat. Nachdem ich meine Aggressionen an ihrem Handy ausgelassen habe und sie abgehauen ist, habe ich nichts von ihr gehört.
Innerlich bin ich aufgebracht, aber ich weiß, dass ich Ruhe bewahren muss. Sonst arbeitet mein Verstand nicht, sondern nur der Körper.

Also legte ich mich aufs Bett und schaute an die Decke. Es war mitten in der Nacht, wen konnte ich anrufen?
Noch eine Weile überlegte ich, bis mir Locke in den Sinn kam.
Locke war ein guter Freund von mir, der mir viele Beziehungen auf der Straße in Berlin ermöglicht hatte, während der Trennungsphase mit Ardiana damals.
Zugegeben haben wir auch viele Dinge getan, die nicht immer legal waren aber er hatte mir immer zur Seite gestanden. Oft habe ich viel Geld verdient während meiner Kämpfe, und dass ich da reingekommen bin, war alles durch ihn. Er war ein loyaler Bruder, der Herz hatte. Aber ich half ihm auch. Nachdem er sich in eine Tochter eines Kopfes verliebt hatte, war ich der Grund, warum sie ihn anschließend heiraten durfte. Denn sie war meine Cousine. Sie war wie meine bessere Hälfte damals gewesen. Sie ließ mich nie zu weit in den schwarzen Kreis treten, denn sie kannte das Milieu durch Locke. Bei meinen Kämpfen stand sie zusammen mit ihm immer hinter mir und reinigte meine Wunden.
Locke und sie liebten sich. So sehr, dass meine Cousine bis mitten in der Nacht auf ihn wartete und ihm den Rücken freihielt, als die Polizei ihre Wohnung stürmte. Er sollte hinter Gittern kommen, dafür saß sie in der Untersuchungshaft und hat seine kriminellen Taten auf sich genommen, damit er Brot noch Hause bringen konnte. Was er zu dem Moment nicht wusste, war, dass sie schwanger war.
In dem Monat, wo sie in der U-Haft saß, habe ich Locke noch nie so am Boden gesehen. Trotzdem fand man auch seine Spuren in den dreckigen Geschäften, und er musste für ein halbes Jahr rein, dafür kam meine Cousine raus. Jetzt ist er drin, und sie sitzt zuhause mit ihrem Kind und wartet auf ihn.

My Albanian Hero / Enes, der albanische PlayerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt