Chapter 37

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"Ich bin auf der Fähre." informierte Clint mich kurz und mir fiel ein riesiger Klotz vom Herzen. Doch es hielt nicht lang, denn ich hörte eine verzweifelte, mit einem russischen Akzent versehene, weibliche Stimme, die nach ihrem Kind rief. Und dann wusste ich, dass Clint genau in diesem Moment das Kind sah und es holen gehen würde. Sofort fielen noch mehr Gewichte auf meine Schultern und mein Herz, die ich doch gerade erst losgeworden war. Ich hörte gar nicht, wie sich die anderen Avengers miteinander verständigten, meine Ohren waren nur auf die Geräusche, die Clint machte, und nur ihn betrafen, fixiert. Doch dann riss mich Hulks Brüllen und einige Schüsse aus dieser Trance. Und plötzlich ging alles ganz schnell.

"Komm her. Verschwinden wir!" hörte ich Clints Stimme. Dann Schüsse, die sich ihm näherten, immer lauter dröhnten sie in meinen Ohren. Und dann, wie ich hilflos seinen Namen rief, Tränen in den Augen, ich fühlte mich wieder wie in Trance, als würde ich meinen Körper nicht steuern können. Ich wusste, dass es ihn erwischt haben musste, denn plötzlich war alles so... ruhig. So lähmend ruhig, als wäre die Welt einfach stehen geblieben und auch Lauras Kinder sahen mich entsetzt an.

Doch es kam anders.

"Das hast du nicht kommen sehen." stellte Pietros brechende Stimme fest, bevor er umfiel. Er hatte Clint gerettet - und sein Leben geopfert. Ich hörte Wandas Schreie, herzzerreißend; niemand von uns wusste, wie man sich fühlte, wenn man seinen Zwillingsbruder verlor, doch jeder konnte irgendwie nachvollziehen, wie schmerzhaft es war, die andere Hälfte von sich zu verlieren. Sie hatte sofort gespürt, dass ihr Bruder nicht mehr in der besten Kondition sein konnte.

Sie trugen Pietro mit auf die Fähre, um ihn später noch anständig zu begraben, doch mir schwebte etwas anderes im Kopf herum. Dr. Helen Cho. Wenn sie es geschafft hatte, mich aus dem Reich der Toten zurückzuholen, würde sie es auch bei Pietro schaffen, da war ich mir sicher. Ich legte mein Headset weg und wählte mit zitternden Fingern und Tränen in den Augen ihre Nummer, während Laura und ihre Kinder mich sprachlos beobachteten. Sie ging fast sofort dran.

"Cho?"

"Helen, Sie müssen mir helfen." meinte ich mit zitternder Stimme und versuchte zu verstehen, was gerade passiert war.

"Sina! Alles gut bei Ihnen? Geht es um das Baby?"

"Nein. Es geht um... Pietro. Der Sokovia-Einsatz... Er wurde erschossen und... da dachte ich, da Sie mich damals wieder zusammengeflickt haben, würden Sie das auch bei ihm schaffen?"

Eine kurze Stille herrschte auf der anderen Seite, eine überlegende Stille ihrerseits. Dann ein Seufzen.

"Ich kann nichts versprechen, aber ich werde es versuchen." antwortete mir die asiatische Wissenschaftlerin und ich hörte, wie sie ihre Sachen herrichtete und sich bereit für die Reise von Washington nach New York machte.

"Danke Helen."

"Nichts zu danken."

Mit diesen Worten legte ich auf und zog mein Headset wieder auf. Es gab also Hoffnung für Pietro und das war für mich alles, was zählte. Er hatte Clint gerettet, das war das mindeste, was ich tun konnte.

Das nächste, was ich mitbekam, war, wie Wanda Ultron das Herz rausriss, nachdem sie versuchte, Pietros Tod zu verkraftem. Dann wurde es laut und die Stadt entfernte sich von der Fähre, auf der Clint saß. Einer der noch überlebenden Roboter musste den Umkehrknopf gedrückt haben.

"Thor auf mein Zeichen!" kam die knappe Anweisung von Tony, der mit aller Gewalt auf den Vibraniumkern zielte. Dann hörte ich Blitze, die geradewegs aus Thors Hammer kamen, dann Tonys "Jetzt!" und im nächsten Moment, wie die Stadt in tausend Stücke fiel. Ich machte mir Sorgen um Thor und Tony, auch wenn das wohl eher unnötig war, denn beide waren schon groß und stark, doch dann hörte ich das von Hulk rüde unterbrochene Funkgespräch mit Nat und machte mir auch noch Sorgen um die beiden. Vor allem um Nat. Ich wusste, dass sie ihn liebte und ihn beruhigen hat wollen, damit er wieder zu Bruce Banner wurde.

Doch ein anderes Gespräch vereinnahmte meine Aufmerksamkeit, denn ich hörte Ultron und Vision miteinander sprechen.

"Du hast Angst." fing Vision an, der gerade vor Ultron stehen musste, der nicht mehr als ein Häufchen Elend sein konnte.

"Vor dir?" fragte er skeptisch und ein wenig ironisch.

"Vor dem Tod. Du bist der letzte." antwortete Vision dem Roboter und machte ihm bewusst, dass mit ihm sein ganzer Plan sterben würde - der Plan, die Welt und die Menschheit zu vernichten.

"Du hättest der letzte sein sollen. Stark wollte einen Erlöser, doch gibt sich mit einem Sklaven zufrieden." spuckte Ultron Vision die Worte vor die Füße.

"Ich nehme an, wir sind beide große Enttäuschungen." meinte Vision nun und ich meinte, ein Grinsen in seinen Worten vernehmen zu können. Dann hörte ich, wie Ultron lachte. 

"So scheint es wohl zu sein."

"Die Menschen sind seltsam. Sie denken Ordnung und Chaos wären im Grunde Gegensätze und wollen das Unkontrollierbare kontrollieren, doch es liegt Anmut in ihrem Scheitern. Ich glaube, das ist dir entgangen." philosophierte Vision nun.

"Sie sind verloren." antwortete Ultron enttäuscht.

"Ja. Aber nichts ist nur deshalb schön, weil es überdauert. Ihre Gesellschaft ist ein Privileg."

Und wieder wunderte ich mich über die Philosophie hinter Visions Worten.

"Du bist... unerträglich naiv." meinte Ultron nun.

"Nun... ich bin ja auch erst einen Tag alt."

Ich hörte, wie Ultron auf Vision losgehen wollte, doch dieser wehrte sich mit einem Strahl aus seinem Infinity Stein und vernichtete Ultron damit ein für alle mal. Diese Erkenntnis ließ mich vor Freude weinen. Endlich konnten Clint und ich ein normales Leben führen. Und darauf freute ich mich mehr als alles andere.

Ordinary Girl [Hawkeye ff] (wird aktuell Überarbeitet ✌)Where stories live. Discover now