89. Kapitel

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89. Kapitel

~Grace' Sicht~

Alles dreht sich in meinem Kopf. Nicht nur dass ich wahnsinnig erschöpft bin, jetzt tischt er mir diese Geschichte auf. Woher will er wissen, wer Robin damals tot gefahren hat? Meine Wut auf diesen Mann steigt mit jeder Sekunde - doch ich finde es kurios, dass er überhaupt weiß, dass mein damaliger Stiefvater umgefahren wurde. 

"Was hat mein Vater damit zu tun?", keift Harry neben mir und sieht ihn mit giftigen Augen an. Das Wort "Vater" spuckt er regelrecht raus, man hört klar, dass er für seinen Erzeuger nichts mehr übrig hat. "Wie gesagt, ich habe sehr gut recherchiert", erwidert Garcia. "Ich wusste doch, dass Harry Probleme haben musste, wenn er in die Drogenwelt flüchtet. Das tut jeder, der anfängt Drogen zu nehmen: Vor seinen richtigen Problemen davonrennen, um einmal sorgenlos zu sein." Er erhebt sich von seinem Stuhl, während er weiter spricht. 

"Ist es nicht so gewesen? Du wolltest doch deinem gewalttätigen Vater entkommen, nachdem er deine Mutter umgebracht hat?" Mit jedem Wort kommt er Harry näher und in Gedanken bettle ich ihn an, endlich seinen Mund zu halten. Harry ist wahnsinnig empfindlich, wenn es um dieses Thema geht. Harrys Gesicht läuft rot an und er zappelt wie ein Fisch auf dem Stuhl herum, um sich zu befreien. 

"Du wolltest dem Mörder deiner Mutter, der gleichzeitig dein Vater ist, einfach entkommen." Mittlerweile hat er sich geduckt, um mit Harry auf einer Augenhöhe zu sein. "Eiskalt ermordet", wiederholt er und dieser Satz war der Startschuss dafür, dass Harry seinen Kopf hart gegen das Gesicht von Garcia schlägt. Er taumelt zurück und hält sich seine Hand sofort vor die Nase, die innerhalb von Sekunden stark zum Bluten beginnt. "Fuck", entkommt es Harrys Kehle und er verzerrt vor Schmerzen sein Gesicht. "Halt einfach deine Fresse!", schreit er und zappelt so lange herum, bis der Stuhl umkippt und zwar mit ihm. Erschrocken japse ich nach Luft und will ihm helfen, doch schnell realisiere ich, dass ich ja noch immer gefesselt bin. 

"Unkluge Entscheidung!" Grob packt er Harry am Kragen und setzt ihn wieder richtig auf den Stuhl. Bluttropfen zieren den Boden und ich wende angewidert meinen Blick ab. "Dein Vater ist ein verbitterter Mann, der einfach nichts auf die Reihe gekriegt hat. Jetzt hockt er für mehrere Jahre hinter Gittern - wegen dem Tod deiner Mutter. Aber für den Tod von Robin wurde er nicht bestraft. Noch nicht!"

Harrys Augen verengen sich und er durchlöchert Garcia mit seinen Blicken. Er ist im Gefängnis? "Er sitzt im Knast? Ich dachte, dass er die Schuld von sich weisen konnte - er hat gesagt, dass jemand anderes Mum umgefahren hat!" So laut seine Stimme vorher war, ist sie nun leise. Ruhig und gebrechlich. 

"Anfangs ja. Doch als du dein altes Leben hinter dir gelassen hast, wurde der Fall noch einmal neu aufgerollt und die Wahrheit kam ans Licht. Da du dich einen Scheiß um ihn gekümmert hast, hast du es nie erfahren." Kurz macht Garcia eine Pause. 

"Jedoch wurde er nur für den Mord an deine Mutter bestraft. Nicht für den Mord an Robin! Noch nicht!" Ich drehe meinen Kopf wieder zu den beiden und halte diese angespannte Atmosphäre kaum aus. Wie auf Knopfdruck fällt auch Garcias Blick auf mich und er nähert sich mir mit langsamen Schritten.

"Der Vater deines Geliebten hat in seinem betrunkenen Zustand deinen geliebten Stiefvater umgebracht. Den Geliebten deiner Mutter!" Er reibt mir diesen Fakt absichtlich unter die Nase und schon spüre ich, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildet. Keine Schwäche zeigen, Grace. "Er hat sich angetrunken ans Steuer gesetzt und ihn tot gefahren. Als ihr alle, deine Mutter, dein Bruder und du, auf ihn gewartet habt, um gemeinsam Weihnachten zu feiern." Aus Wut hole ich mit meinem Fuß aus und trete ihm damit zwischen die Beine, woraufhin er in sich zusammensackt und nach der pochenden Stelle greift. 

"Füße auch fesseln", keucht er und versucht, sich aufzurichten. Liam greift nach einem Seil und bindet mir diesen um die Füße - er knebelt sie richtig fest zusammen, sodass es schmerzt, als meine Knöchel eng aneinander gebunden werden. "Ich sagte doch, dass ihr sie in Ruhe lassen sollt!", schreit Harry neben mir und versucht sich erneut zu befreien. "Harry, lass es. Du tust dir nur noch mehr weh!" Ich deute mit meinen Augen auf seine aufgeschürften Handgelenke und mit einem erniedrigten Blick lässt er es sein.

Infinity |H. S.|Where stories live. Discover now