80. Kapitel

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80. Kapitel

Die Aufnahme meiner Aussage war ein Horror. Der Atem des Beamten, der mich befragt hatte, stank nach Kaffee und Zigaretten, was es mir das Szenario nicht erleichtert hat. Meine Handflächen haben geschwitzt, als wäre ich selber das Opfer hier. Es war beinahe unmöglich für mich, das Geschehene zu wiederholen, als das kleine schwarze Mikrofon vor mir auf dem Tisch platziert wurde. Es hatte etwas Skuriles an sich.

"Wenn wir weitere Fragen haben, dann rufen wir Sie an. Für den Moment sind wir erst einmal fertig!" Er begleitet mich zur Tür raus und ich kann endlich aufatmen. Ich weiß nicht, was mich mehr erstickt hat - meine aufstauenden Tränen oder der Geruch von Mr. Bulle. Der kahle Boden der Polizeistation passt perfekt zu meiner Stimmung. Traurig und trostlos. "Hey." Eine sanfte Stimme erregt meine Aufmerksamkeit und ich lasse mich in seine Arme fallen. Beruhigend streichelt er mir über das mittlerweile struppige Haar. In diesem Moment brauche ich nichts sehnlicher als seine Arme, die sich um meinen Körper schlingen.

Er sagt kein Wort, es ist beängstigend still hier. "Wo ist Lily?"

Seine Stimme vibriert an meiner Schulter, als er mir antwortet: "Sie spricht gerade mit einem Psychologen." Kurz nicke ich gegen seine Brust, als ich eine mir allzubekannte Stimme höre. "Ich habe nichts verbrochen, ihr Scheißbullen. Ihr habt den Falschen!" Tim wird gerade von zwei Officers, die ihn fest am Arm packen, ins Präsidium gebracht, doch er wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen. Plötzlich trifft sein Blick meinen und ein siegessicheres Grinsen bildet sich auf seinem Gesicht. "Es ist noch nicht vorbei, dich krieg ich auch noch!", ruft er und augenblicklich schrillen bei Harry allerlei Alarmanlagen. "Willst du eine auf die Fresse?", schreit er, doch Tim lässt sich davon nicht beeindrucken. "Doch nicht vor den Officers, Harry!"

Ich sehe, wie sich seine Handknöchel weiß verfärben und sachte greife ich nach seiner Hand. "Beruhig dich, er ist es nicht wert!" Tim verschwindet aus unserer Sichtweite, was dazu führt, dass Harry sich augenblicklich entspannt. "Ich hasse ihn." Ich lehne meine Stirn gegen seinen Bizeps und hinterlasse einen zärtlichen Kuss darauf. "Ich auch", stimme ich ihm zu.

Ein älterer Herr in einer Polizeiuniform tretet durch die Eingangstür und sein Blick fällt sofort auf uns. "Mister Styles, Miss Anderson!" Ein warmes Lächeln bildet sich auf seinem Gesicht und er schüttelt uns beiden die Hand. "Gut, dass ich Sie treffe. Ich bin Hauptofficer Tyre.Ich möchte mich persönlich bei Ihnen bedanken, dass Sie uns geholfen haben, Mr. Klaw zu schnappen. Er war schon wegen mehrerer Delikte in Verdacht, etwas Illegales zu machen, doch die Beweislagen waren immer zu klein, sodass wir ihm nie wirklich etwas unterstellen konnten!" Verwirrt schiebe ich meine Brauen zusammen.

"Er war schon öfter auffällig, unter anderem für Anstiftung zur Prostitution, Körperverletzung und Betrug, aber wir konnten es nie beweisen. Dank Ihrer Videoaufnahmen haben wir es nun auch bildlich, sodass er sicherlich seine gerechte Strafe bekommen wird! Wir haben auch sein Telefon sicherstellen können, wo sich die Erpresserfotos darauf befinden. Er kann Ihrer Freundin nichts anhaben!" Erleichtert atme ich aus.

"Ihre Freundin befindet sich gerade in einem Gespräch mit einem unserer Psychologen, aber es wird nicht mehr lange dauern, dann können Sie wieder zu ihr! Nun, ich muss zu meinem nächsten Fall, ich danke Ihnen nochmal vielmals!" So schnell wie er gekommen war, ist er auch verschwunden. Auf einmal höre ich Harry neben mir tief ein- und ausatmen. "Wieso riechst du so nach Zigaretten und Kaffee?" Er zieht die Nase kraus und ich schlage mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. "Der Geruch von dem Bullen, der meine Aussage aufgenommen hat, ist auf mich übergegangen!"

Ein raues Lachen entflieht seiner Kehle, als er mir liebevoll meinen Hinterkopf tätschelt. "Gut, dann gehst du duschen, nachdem das fertig ist. Und danach lade ich euch beide zu Burgerista ein!" Ich halte inne. "Aber eine andere Filiale, da wo keine dummen Kellner beziehungsweise Kellnerin arbeiten!" Abwehrend hält er seine Hände in die Luft. "Ist in Ordnung, daran habe ich eh gedacht!" Wir lachen herzhaft auf bis ich die Stimme meiner liebsten Freundin höre.

Schüchtern blickt sie zu Boden, als sich eine Frau, Mitte 30, neben sie stellt. "Guten Tag, ich bin die Polizeipsychologin Miss Gruber, ich habe mit Ihrer Freundin geredet, sie muss zu einigen Therapiesitzungen, um das Erlebte auch wirklich zu verarbeiten. Doch ich denke, dass sie auch sicherlich ihren Beitrag dazu leisten können, indem Sie ihr als gute Freundin zur Seite stehen!", meint sie an mich gewandt und ich nicke, doch ich habe nur Augen für meine beste Freundin. Ich breite meine Arme einladend aus und deute ihr, zu mir zu kommen.

Sie springt mir so fest in die Arme, dass ich fast den Halt verliere, doch ich genieße ihre Nähe voll und ganz. "Danke für alles!", flüstert sie, woraufhin ich sie als Antwort fester an mich drücke.

Nachdem ich in meinem Zimmer duschen war, fährt Harry Lily und mich zu einer Burgerista-Filiale. Ich versuche, Lily so gut wie möglich abzulenken, klar kann sie nicht alles sofort vergessen, aber es ein erster Schritt in die richtige Richtung und ich werde alles dafür geben, dass sie nicht mehr an diese Stunden der Qual erinnert wird.

Sie ist schockiert, als sie erfährt, in was für kriminellen Machenschaften Tim verwickelt war. "Ich war anfangs einfach total verliebt in ihn. Ich habe nicht ahnen können, dass er so ist!" Bedrückt schüttelt sie den Kopf. "Ich hätte ihm auch nie diese Fotos schicken dürfen, ich wollte ihm nur einen Gefallen machen. Er hat so darum gebettelt, dass ich es einfach gemacht habe!" Sie stopft sich eine in Senf umhüllte Pommes in den Mund. "Nie wieder. Ich mache das nie wieder."

"Du findest schon den Richtigen!", muntere ich sie auf und beiße von meinem Burger ab. "Jap, das wird schon. Aber momentan bin ich glücklich darüber, dass du den Richtigen gefunden hast!" Sie zwinkert mir zu und ich spüre, wie ich leicht erröte. Harry kommt mit einer neuen Platte frittierter Kartoffel zu uns legt diese auf unseren Tisch ab. "Er sorgt sogar für Nachschub!", lacht sie, worauf ich einstimme. "Worüber redet ihr?", fragt er orientierungslos und nimmt erneut neben mir Platz.

"Was für ein unausstehlicher Freund du bist!" Ich strecke ihm frech die Zunge raus. "Gut, dass du das ansprichst. Ich finde auch, dass du eine unausstehliche Freundin bist!" Ich schüttle den Kopf und knuffe ihm in die Wange. "Dann sind wir uns ja einig!" Lächelnd greift er nach meiner Hand, die immer noch seine Wange zwickt und führt sie zu seinen Lippen. "Sind wir das denn nicht immer?", nuschelt er während er meine Knöchel sanft liebkostet.

Infinity |H. S.|Where stories live. Discover now