70. Kapitel

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70. Kapitel

Die Ferien gehen viel zu schnell vorbei und ehe ich mich vergucken kann, fängt der stressige Unialltag wieder an.

Nachdem Harry und ich aus Russland zurückgekehrt waren, habe ich ihm seine neuen Boxschuhe gegeben, als wir bei ihm waren und Pizza gegessen haben. Natürlich hat er sich aufgeregt, dass ich ihm etwas geschenkt habe, aber ich weiß ganz genau, dass ihm die Schuhe gefallen haben, ich habe es in seinen Augen gesehen.

"Lily, wie siehst du denn aus? Du siehst ganz schön müde aus, zu viel mit deinen Eltern gefeiert oder was?", ziehe ich sie auf, als sie sich im Hörsaal neben mich auf einen freien Platz fallen lässt. Ich habe sie gestern Abend nicht mehr gesehen, da ich gestern wahnsinnig schnell eingeschlafen bin. "Ich bin ja auch erst jetzt zurückgekommen und habe nicht geschlafen. Ich sage dir, das nächste Mal fahre ich nicht wieder mit dem Zug, dass die auch immer ausfallen müssen", erklärt sie mürrisch und versucht mühsam ihre Augen offen zu halten.

"Du bist erst jetzt zurückgekommen? Kein Wunder, dass du so scheiße aussiehst!" Oh, Harrys Wortschatz übernimmt mich. "Danke, ich hatte auch schöne Ferien!", gibt sie zurück und holt sich Stift und Block heraus. "Ich habe es doch nicht so gemeint!" Kurz bevor sie antworten kann, betretet Mr. Tyson den Raum und augenblicklich verstummen die Gespräche, die in dem Saal bis vor Kurzem stattgefunden haben. 

"Meine Damen und Herren! Es freut mich, dass sie alle wohlbehalten und pünktlich erschienen sind! Ich hoffe, sie haben die Ferien gut genutzt, um eventuelle Leistungsschwächen auszugleichen!" Er legt seine Aktentasche auf den Tisch und zieht eine DVD heraus. "Nun werden wir uns einen Film über die Französische Revulotion anschauen. Das Thema, was wir vor den Ferien durchgenommen haben, ich hoffe, Sie erinnern sich noch?"

Die meisten nicken, aber ich weiß ganz genau, dass sie eigentlich gar keinen Plan haben, was er von sich gibt. Filmstunde, ganz toll. Ich lehne mich zurück und versuche das Geschehen, das auf der riesigen Leinwand publiziert wird, mitzuverfolgen, doch nach 15 Minuten gibt mein Gehirn auf und schaltet auf Durchzug. Ich lehne mich zu Lily und rede mit ihr im Flüsterton. "Du passt besser auf, dass du nicht einschläfst, du darfst es dir nicht schon heute bei Tyson versauen!"

"Falls es dir entgangen ist: Ich habe es mir schon am allerersten Tag bei ihm versaut!" Ihre Stimme ist rauchig und schläfrig. "Gut, dann pass auf, dass er dich nicht noch mehr hasst!" Ich setze mich wieder gerade hin, als ich sehe, dass Tysons Mörderblick auf mir liegt und versuche, interessiert rüberzukommen.

Nach einer qualvollen Ewigkeit ist die Stunde schon zu Ende und ich mache mich mit Lily auf den Weg in den Pausenraum. Ich bin froh, dass wir jetzt eine Freistunde haben, ich muss mich vom Langweiligkeitsschock, der vom Film ausgestrahlt wurde, erholen. Wir setzen uns in die Ruheecke auf ein Sofa, wo Lily schon im Sitzen einschläft. Dann muss ich mich eben auf eine andere Art beschäftigen. Ich hole ein Buch aus meiner Tasche und fange an zu lesen, als ich das Läuten eines Handys wahrnehme. Es kommt aus Lilys Tasche und da sie gerade so friedlich schläft, will ich nach ihrem Handy greifen, um es auf lautlos zu stellen.

Genau in dem Moment, wo ich den Anruf ablehnen will, legt die Person am anderen Ende der Leitung auf und ich runzle meine Stirn, als ich sehe, wer sie angerufen hat. Tim? Wieso ruft er sie an? Wenige Sekunden später erhält sie eine SMS. Ebenfalls von ihm und ich kann es mir nicht nehmen, diese zu öffnen. Ich weiß, dass es nicht gerade die feine Art ist, in dem Handy der besten Freundin herumzuschnüffeln, aber mich würde es interessieren, wieso Tim den Kontakt zu ihr sucht.

"Du verdammte Schlampe, ruf mich verdammt nochmal an. Du wirst diesen Auftrag annehmen, ich brauche Kohle. Oder soll ich die Bilder online posten?"

Welcher Auftrag? Welche Bilder? Was ist los?

Auf einmal bewegt sich Lily und ich mein Herz pocht stärker. Sie darf nicht sehen, dass ich in ihren Sachen herumkramme. Zu meinem Glück schläft sie weiter und ich lege das Handy wieder zurück. In was ist Lily hineingeraten? Am liebsten würde ich sie fragen, doch dann müsste ich zugeben, dass ich ihre SMS gelesen habe und dann wird sie sauer sein, ich muss aber herausfinden, was vor sich geht. Meine Beine werden ganz unruhig. Wenn es um Tim geht, dann muss es etwas Schreckliches sein.

Nach der Uni gehe ich kurz in die Bibliothek um organisatorische Sachen zu erledigen. Harry hatte vorgeschlagen, dass wir uns um 17 Uhr bei der Eisdiele in der Innenstadt treffen. Um halb fünf verlasse ich die Bibliothek und steige in den Wagen, um pünktlich bei unserem Treffpunkt zu sein. Wie sehr ich dieses warme Wetter liebe.

Nachdem ich ewig lange nach einem Parkplatz gesucht habe, laufe ich zur Diele und kann Harry schon erkennen. Er trägt ein schwarzes Shirt und die Sonnenstrahlen, die auf seine Arme scheint, heben seine Armmuskeln perfekt heraus und wie immer hat er seine geliebte Sonnenbrille auf.

Er breitet seine Arme einladend aus, um mich zu sich zu ziehen. Wie immer riecht er verdammt gut, dass ich den ganzen Tag an ihm schnüffeln könnte.
"Alles klar?" Ich nicke und folge ihm zu einem freien Tisch, der auf der Terrasse steht. "Du siehst so besorgt aus. Erzähl mir was los ist." Er setzt seine Sonnenbrille ab und greift nach meinen Händen, die ich auf den Tisch gelegt hatte. Ich lege meinen Kopf auf meine beziehungsweise seinen Händen und schnaufe verweifelt.

"Lily ist so komisch in letzter Zeit. Sie ist immer müde und heute hat sie eine total suspekte Nachricht von Tim bekommen. Alleine die Tatsache, dass Tim ihr geschrieben hatte, hat mich ja kurios gemacht, aber was er ihr geschrieben hat, ist ja die Spitze des Eisbergs!" Er runzelt seine Stirn. "Was hat er ihr denn geschrieben?"

"Dass sie irgendeinen Auftrag annehmen soll und er das Geld brauchst, sonst postet er irgendwelche Bilder! Verdammt, sie hat mir nicht erzählt, dass Tim und sie wieder Kontakt haben, es muss irgendwas Schlimmes sein!"

"Was kann ich ihnen bringen?" Toller Zeitpunkt für die Kellnerin, die Bestellung jetzt aufzunehmen. "Eine heiße Liebe, bitte!", bestellt Harry für uns und die junge Frau zischt breit grinsend ab. "Danke, dass ich auch mitbestimmen durfte, was ich essen will!", lache ich und er zuckt mit den Schultern. "Das Eis passt ja zu uns. Wir sind beide heiß!" Ich lache über seine Bemerkung, werde jedoch vom Trübsal eingeholt. "Ich mache mir Sorgen um sie!"

"Hmm, behalte sie im Auge. Wenn dieser Timbo wieder in ihr Leben eingetreten ist, dann steckt sie womöglich in irgendwas drinnen. Und wenn er ihr droht, dann muss es ein Indiz dafür sein, dass sie in Schwierigkeiten steckt."

"Ich will sie nicht auf Tim ansprechen, sie reagiert so empfindlich darauf!" Er scheint zu überlegen. "Dann müssen wir wohl ein bisschen spionieren!" Spionieren? Spinnt er?

"Auf keinen Fall. Ich werde sicherlich nicht Detektiv spielen!", meine ich entrüstet. "Wie willst du sonst herausfinden, was los ist?" In dieser Hinsicht hat er recht, aber es wäre ein Vertrauensbruch, wenn ich sie ausspionieren würde.

Die Kellnerin kommt mit unserer Bestellung zurück, die sie auf unserem Tisch ablegt und Harry greift sofort nach einem Löffel. "Ich werde dir helfen. Du bist nicht alleine, ok?"

Infinity |H. S.|Where stories live. Discover now