58. Kapitel

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58. Kapitel

Langsam fahre ich auf den Parkplatz der Uni und bringe den Wagen zum Stillstand. Statt auszusteigen, bleibe ich sitzen und schweife mit meinen Gedanken komplett ab. Die Situation, in der Harry und ich uns befinden, ist schwierig. Ich muss gefasst bleiben, jedoch kriecht meine Angst um ihn wieder hoch. Wer sowas einmal macht, tut es immer wieder.

Ich merke nebenbei, dass einzelne Regentropfen auf meine Windschutzscheibe tröpfeln, doch auf irgendeine Art beruhigt mich das. Ich schließe meine Augen, während ich dem Klang der Tropfen zuhöre. Ich gebe mich ganz hin und merke, wie sich meine Muskeln entspannen, und wie sich ein Teil der Last, der mein Gehirn belastet, auflöst. Manchmal brauche ich die Momente, wo ich für mich sein und meine Gedanken sortieren kann.

Mein Blick fällt auf mein Handy, dessen Display aufleuchtet. Ganz flüchtig sehe ich, dass ich die Benachrichtigung erhalten habe, dass Harry mir eine Nachricht geschrieben hat. Meine Finger fliegen über den Bildschirm, als ich mein Code eingebe und Harrys Nachricht lese.

Bist du heil angekommen? Schreib mir sofort zurück, wenn du die Nachricht liest!

Automatisch bildet sich ein Lächeln auf meinem Gesicht, als ich ansetze, ihm zurückzuschreiben. Wenn ich gemein wäre, würde ich ihn ja zappeln lassen, aber der Arme musste eh schon so viel durchmachen.

Nein, mache ich nicht.

Es dauert nicht lange, bis ich eine Antwort erhalte.

Das ist kein Spaß, ich muss sichergehen, dass du angekommen bist. Bei dem Regen ...

Mittlerweile hat es angefangen zu schütten und ich bereue es kurz, dass ich nicht sofort ins Wohnhaus reingegangen bin, jetzt muss ich im strömenden Regen hineinrennen.

Ich bin gut angekommen. Mach dir keine Sorgen.

Ich schmeiße mein Handy in die Handtasche und renne, so schnell wie möglich, ins Wohnhaus hinein. Es waren vielleicht zehn Sekunden, die ich draußen war, doch ich bin durchnässt. So sehr, dass ich das bis zur Unterwäsche spüre. Erschöpft streiche ich mir eine nasse Strähne aus dem Gesicht. Ich hinterlasse eine richtige Pfütze hier; ich denke, dass der Hausmeister sich über meine Hinterlassenschaft freuen wird.

Es ist unangenehm, wenn die Klamotten so an einem kleben, weswegen ich meinen Schritt zu meinem Zimmer beschleunige. Dort angekommen, befreie ich mich von dem beengendem Gefühl der nassen Kleidung und steige unter die warme Dusche. Krank zu werden, wäre das letzte, was ich gebrauchen könnte.

Ich ziehe mir einen warmen Pulli über und lege mich mit einem guten Buch ins Bett. Ich muss mich ablenken, sonst denke ich die ganze Zeit an diesen Typen, der sich wie ein spanischer Mafiaboss anhört, denken. Hin und wieder spähe ich auf mein Handy, um zu gucken, ob er mir geschrieben hat, aber hat er nicht. Es ist unglaublich, wie sehnsüchtig ich auf seine Nachrichten warte; er hat mich vollkommen unter seiner Fittiche gesteckt. Momentan dreht sich alles um ihn; es ist zwar ungesund, doch ich kann nichts dagegen tun. Ich kann nicht die ganze Zeit dagegen ankämpfen. Wie gern hätte ich ihn jetzt hier bei mir, damit er mir seine scheußlichen Flachwitze erzählt, während er mir durch das Haar streichelt. Wie gerne würde ich ihm dabei zuhören, wie er sich über die Menschheit aufregt und wie er seine Erzählungen mit seinen gewöhnungsbedürftigen Kraftausdrücken immer ausschmückt.

Schnell werde ich aus meinen Gedanken gerissen, als sich die Türe öffnet. Wie erwartet ist es Lily, die ins Zimmer stolpert und es gerade noch so schafft, dem Tod zu entkommen, indem sie mit dem Kopf gegen die Bettkante knallt. "Ich hasse Mr. Tyson so sehr, dieser Vollspacko hat mir mein Handy für die ganze Stunden konfisziert. Der Mann hat doch einen an der Klatsche!" Wild gestikuliert sie mit ihren Händen, um ihren Worten eine dramatischere Wirkung zu verleihen.

Infinity |H. S.|Where stories live. Discover now