36. Kapitel

3.1K 152 3
                                    

36. Kapitel

~Harrys Sicht~

Mein Scheißgepäck ist verloren gegangen und jetzt hocke in meinem New Yorker Apartment und warte auf eine Nachricht von meinem Manager, der sich um diese Angelegenheit gekümmert hat, dass mein Gepäck endlich ankommt. Der Scheiß an der ganzen Sache ist, dass mein Ladekabel ebenfalls im Koffer war und mein Handyakku leer ist, weswegen ich seit gut 24 Stunden ohne Handy ausgekommen musste. 

Dass diese Mitarbeiter beim Flughafen auch nichts gepackt kriegen, wozu werden sie denn überhaupt bezahlt? Ich mache mich fertig und steige in den Wagen ein, der vor meiner Wohnung steht, der mich zum Training fährt. 

Ich bin öfters in New York, weswegen ich mir auch ein Apartment angemietet habe. Ich mag diese Stadt, auch wenn mir die Menschen hier am Arsch gehen. Die Leute hier sind so unfreundlich. Ich will jetzt nicht behaupten, dass ich das nicht bin, aber diese Menschen hier fucken mich aufs Ärgste ab. 

Während der Fahrt gleitet mein aus dem Fenster und ich beobachte das Geschehen der Metropole. Pärchen laufen Arm in Arm die Straßen entlang, Personen werden von ihren Hunden an der Leine angezogen und zu guter letzt beobachte ich einen Hotdog-Verkäufer, der sich anscheinend gerade mit irgendwelchen Jugendlichen wegen den zu hohen Preisen von dem Essen streitet.  Wie sehr ich dich vermisst habe, New York. 

Nach einer 20-minütigen Fahrt kommen wir schlussendlich vor dem Trainingsstudio an und ich bin froh, dass mich hier noch niemand bemerkt hat. Für eine Menschenmasse habe ich momentan nämlich überhaupt keine Nerven. 

"Ricky", grinse ich und laufe zu meinem Kumpel, um bei ihm einzuklatschen.

"Styles, lange nicht mehr gesehen, huh?", zieht er mich auf und schultert seine Tasche. "Hatte viel zu tun in letzter Zeit", erwidere ich, während wir zu den Umkleiden gehen und uns dort umziehen. "Hat es zufällig mit dieser Maus zu tun, von der du mir erzählt hast?", zwinkert er, während er seine Wasserflasche in seine Hand nimmt. 

Aus irgendeinem Grund mag ich es nicht, dass er sie Maus nennt. "Nenn sie nicht so.", gifte ich zurück und ernte dafür einen überraschenden Blick von ihm. "Was ist denn mit dir los? Sonst hast du ja auch nie etwas dagegen gesagt.", meint er misstrauisch und ich atme angestrengt aus.

"Ich mag es einfach nicht, wenn du genau sie so nennst.", erkläre ich, während wir zum Boxring gehen. "Ach, hat sie dir den Kopf verdreht?" Er klimpert aus Spaß mit seinen Wimpern und dafür haue ich ihm nicht gerade sanft gegen die Schulter. "Diggah, was soll das?", fragt er überrascht und rubbelt sich über die schmerzende Stelle. 

"Hat sie nicht und jetzt lass uns trainieren, damit ich dir nicht gleich den Hals verdrehe", meine ich und steige in den Ring mit ihm. 

"Was ist denn mit dir los? Das ist nicht die Leistung, die du normalerweise zeigst", bemerkt Ricky, als ich gegen ihn boxe. Meine Gedanken liegen die ganze Zeit bei ihr. Ich habe lange nichts mehr von ihr gehört und mache mir sogar ein bisschen Sorgen. Dieser Timbo oder wie der heißen mag, läuft dort frei herum und ich kann nicht da sein, um ihm die Fresse zu polieren, falls er sie wieder anfasst. 

"Komm schon , gib Gas. Stell dir vor, ich bin eine Person, die du überhaupt nicht ausstehen kannst", spornt mich Ricky an und ich stelle mir sofort das Gesicht von diesem Schmierlappen Timbo vor, weswegen ich fest zuschlage. Ich stelle mir vor, wie ich ihm das Gesicht verunstalte und bis er wimmernd auf dem Boden liegt. 

Die ersten Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn und ich stecke voller Adrenalin. "Whoa, whoa, beruhig dich, ich sagte, dass du draufhauen sollst, nicht, dass du mich umbringen sollst", schaltet sich plötzlich Rickys vertraute Stimme ein und augenblicklich höre ich auf. 

"Ich denke, das reicht für heute. Du warst super", lobt er mich, als wir aus dem Ring steigen. Auf dem Weg zu den Duschen, fragt er mich, an wen ich gedacht hatte, als ich auf ihn  eingeschlagen habe. "Ach, einfach eine Person, die ich nicht ausstehen kann", grinse ich verschmitzt, denn mir hatte der Gedanke gefallen, ihn verletzt auf dem Boden zu sehen.

"Dann musst du die Person ziemlich hassen, denn ich hatte gerade wirklich die Befürchtung, dass du mich totprügelst", lacht er und unsere Wege trennen sich, als wir in den Duschraum gelangen. Wieder lasse ich mir dabei viel Zeit, um meine Gedanken freien Lauf zu lassen. Ist es überhaupt so gesund, so viel an Grace zu denken? Ich kann nichts dagegen machen. Sie lauert in meinen Gedanken herum und will einfach nicht raus. Normalerweise verschwende ich nicht so viele Gedanken an ein Mädchen, doch sie ist anders. Und es ist keine Verschwendung, an sie zu denken. Es fühlt sich eigentlich total schön an.

Ich schüttle den Kopf und verlasse die Dusche. Habe ich irgendwas genommen? Mich schauderts bei dem Gedanken, dass ich mir ernsthaft Gedanken darüber mache. 

Meine Gedanken wandern weiter zu meinem verlorenen Koffer. Der sollte doch schon längst angekommen sein, was soll das?

Wie aufs Stichwort kommt mein Manager mit seinem Krawattenanzug um die Ecke geschlendert. "Harry, gut, dass ich dich hier noch antreffe. Ich habe gerade einen Anruf erhalten, du kannst deinen Koffer sofort abholen."

"Kannst du das nicht übernehmen, eigentlich wollte ich mich ins Bett schmeißen und schlafen", stöhne ich genervt, doch er schüttelt nur den Kopf. "Nein, das ist dein Koffer und du kümmerst dich schön darüber." Mit diesen Worten lässt er mich alleine und ich ziehe mir entnervt meine Sachen an. Dass man sich auch immer um alles kümmern muss. 

"Soll ich mich verziehen, oder bist du so gütig und verprügelst mich nicht?", kommt es von Ricky und ich muss wegen seinem Kommentar leicht schmunzeln. "Heute ausnahmsweise nicht", erwidere ich und er betritt die Umkleidekabine. "Was ist denn los?"

"Ich muss meinen beschissenen Koffer jetzt selber vom Flughafen holen."

"Mein Beileid. Das ist sicherlich die schwierigste Aufgabe für dich, die du je absolviert hast und absolvieren wirst", merkt er sarkastisch an, weswegen ich ihm einen Socken ins Gesicht werfe. Und weil ich besonders fies bin, eine Benutzte. 

Anhand des Geruchs merkt er das und verzieht angewidert sein Gesicht. "Du bist eine Sau", meint er beleidigt und zieht sich ebenfalls um. 

"Zum Flughafen", befehle ich meinem Fahrer, der gleich losfährt und sich durch den New Yorker Verkehr kämpft. Zu unserem Glück ist auf der Autobahn Stau und ich lasse mich genervt in den Sitz sinken. Schlimmer kanns auch nicht kommen. Ich habe mich darauf gefreut, endlich ins Bett und schlafen zu können, aber stattdessen muss ich meinen Kackkoffer holen. 

"Das wird eine Weile dauern", kommentiert mein Fahrer. "Das sehe ich", grummle ich. 

Nachdem mich der Fahrer mit seinen Familiengeschichten vollgelabbert hat, geht es mit dem Verkehr voran und ich bete innerlich, dass die Fahrt nicht mehr lange dauern wird. Ich kann mir seine Geschichten nicht mehr geben.

Das Fahrzeug rollt auf den Parkplatz und ich ziehe mir die Kapuze meiner Jacke ins Gesicht, um kein Aufsehen zu erregen. Mit schnellen Schritten laufe ich zur Gepäckausgabe, um mir den Koffer zu holen. 

"Styles", sage ich zur Frau, die sofort ihre Augen weitet. Sag bloß, die kennt mich. Anscheinend ist sie so sehr überrascht, mich zu sehen, dass sie vergessen hat, wo sie eigentlich ist, denn sie verfällt in eine Schockstarre. 

"Hallo?", frage ich genervt und schnipse mit meinen Fingern vor ihren Augen herum. 

"Äh, ja, natürlich. Ich hole den Koffer eben schnell." Mit kleinen Schritten tapst sie nach hinten in einen anderen Raum und kommt mit meinem geliebten Koffer zurück. Ich entreiße ihr, ohne irgendein Wort zu sagen, den Koffer aus der Hand und kehre zum Auto zurück, wo Christoph, mein Fahrer, schon auf mich wartet. 

Auf dem Rückweg stoßen wir auf keinen Stau und ich komme endlich daheim an, wo ich erstmal nach meinem Ladegerät greife, um mein Handy aufzuladen. Eine neue Nachricht von ihr. 

Eigentlich bin ich für die nächsten Tage erst einmal krankgeschrieben, ich habe einen Magendarm-Virus, also wird das nichts mit dem Lernen.

●●●

Infinity |H. S.|Where stories live. Discover now