6. Kapitel

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6. Kapitel

Glücklich darüber, dass mein Auto wieder repariert ist, fahre ich damit eine Woche später nach Brighton zu meiner geliebten Familie. Seit dem Zusammentreffen mit Harry in der Mall habe ich nichts mehr von dem Typen gehört und ich will hoffen, dass das auch so bleibt.

Ich ziehe den Schlüssel aus der Zündung und knalle die Wagentür zu, als ich vor meinem Elternhaus stehe. Es hat sich nichts geändert, es sieht genauso aus, als ich nach London gegangen war. Mit schnellen Schritten laufe ich zur Haustür und läute an. Ich habe zwar einen Hausschlüssel, aber sie sollen nicht einen Herzinfarkt erleiden, wenn ich plötzlich im Wohnzimmer auf der Matte stehe.

Ich wippe mit meinen Beinen leicht hin und her bis sich die Tür öffnet und meine Mutter vor mir steht. Ihre Augen werden ganz groß und sie zieht mich sofort in ihre Arme.

Ich schlinge meine Arme fest um sie und drücke sie an mich. Diese mütterliche Liebe hat mir in der Zeit in London mächtig gefehlt.

"Was machst du denn hier? Wieso hast du nicht angerufen?" Sie löst sich von mir und betrachtet mich eindringlich.

"Überraschung!", lächle ich unschuldig und sie legt ihren Kopf schief. "Kind, komm herein!" Sie zieht mich ins Haus und der vertraute Duft von zu Hause steigt mir in die Nase. Erinnerungen schießen mir in den Kopf und der Gedanke daran erwärmt mein Herz.

Schnell werde ich aus meinen Gedanken gerissen, als eine weitere vertraute Stimme durch den Raum hallt. Ich drehe mein Kopf zur Seite und erblicke meinen Bruder.

"Noah!" Er rennt auf mich zu und legt seine Arme um mich. Er ist vielleicht jünger als ich, aber knapp einen Kopf größer.

"Ich hoffe für dich, dass du heute noch kein Porzellan zerstört hast?", frage ich ihn mit erhobenen Augenbrauen und er verdreht lachend die Augen.

"Zieh du mich auch nicht damit auf. Mum verarscht mich deswegen auch schon die ganze Zeit." Er löst sich von mir rubbelt mir durch die Haare.

"Und du bist immer noch so klein wie vorher!" Wie ich es hasse, wenn er mich deswegen aufzieht. "Sei leise", murmle ich.

"Grace, möchtest du mit uns essen? Ich habe Lasagne gemacht!" Meine Mutter tritt zum Vorschein und ich merke, wie mir das Wasser in meinem Mund zusammenläuft. Mamas Lasagne habe ich besonders vermisst, vor allem bei dem Essen an der Uni bei Frau Hell.

"Du scheinst das Essen anscheinend sehr zu vermissen!", lächelt Mum, während ich mir die Lasagne in den Mund scheffle. Gierig nicke ich und nehme noch eine Gabel.

"Du könntest sie mir jeden Tag per Post zuschicken, dann muss ich zumindest den Fraß in der Uni nicht essen."

"So schlimm?"

Ich wische mir mit einer Serviette über den Mund.

"Schlimm ist kein Ausdruck." Ich werde ganz theatralisch als ich von dem Essen und anderen negativen Dingen erzähle. "Aber trotzdem liebe ich diese Uni. Es ist einfach mein Ding."

"Das freut mich zu hören, Liebes."

"Nachdem was du erzählt hast, hast du mich in meiner Entscheidung, nicht studieren zu gehen, bestärkt", kommt es von Noah. Er war schon immer bisschen faul, wenn es um Schule und Bildung ging. Aber man kann ihn ja zu nichts zwingen.

Abends sitzen wir auf dem Sofa und spielen Scrabble. Diese Familienabende haben mir gefehlt, wir haben nur uns. Dad hat Mum nach der Geburt von Noah verlassen und meine Großeltern sind noch vor meiner Geburt gestorben, weswegen ich sie nie kennenlernen konnte. Ich denke, dass unser Familienzusammenhalt gerade deswegen so stark ist. Wir sind füreinander da. Das ist der Grund, warum mir Familie so wichtig ist. Wenn ich später mal Kinder haben sollte, will ich einen Partner, der auch zu ihnen steht. Ich will meinen zukünftigen Kindern nicht so etwas antun, es ist schrecklich zu wissen, dass dein eigener Vater dich nicht liebt und dich in Stich gelassen hat.

Infinity |H. S.|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt