10. Kapitel

4.1K 190 36
                                    

10. Kapitel

Was macht er wieder hier? Muss er nicht irgendwelche Loser verprügeln?

"Lily, ich gehe kurz in die Tanke, etwas Essen holen, brauchst du auch etwas?", frage ich an die gewandt. Zappelig wippe ich mit meinen Beinen hin und her und warte auf eine schnelle Antwort, damit Harry mich nicht entdeckt. Wenn der mich hier sieht, dann rastet er aus.

Sie schüttelt nur den Kopf und tippt etwas an ihrem Handy herum. Schnell tapse ich in die Tanke hinein, greife nach Chips und Getränken und werfe einen Blick nach draußen. Er steht immer noch draußen und neben ihm steht ein älterer Mann. Dann muss ich wohl etwas länger hier bleiben. Ich stelle mich zu den Zeitungsständen, um beschäftigt auszusehen. Immerhin will ich nicht, dass andere denken, dass ich einfach so ein Straßenkind bin, das sich tagsüber gern in Tankstellen begibt, um gratis Zeitungen zu lesen. Ok, das tu ich gerade, aber hey, in Notsituationen weiß man sich nie anders zu helfen. Also, falls ihr in so eine Situation reinrutscht: Macht es der guten alten Grace nach, geht in eine Tankstelle, greift nach einer Zeitung und tut so, als ob ihr etwas lesen würdet, um Gesprächen aus dem Weg zu gehen, die ihr vermeiden wollt.

Ich höre, wie zwei Personen die Tanke betreten. Eine Stimme erkenne ich nicht, aber die andere dafür umso besser. Shit.

Ich verstecke meine Nase weiterhin in die Zeitung und bete einfach, dass er mich nicht sieht. Er lacht gerade über einen Witz, den ihm die andere Person erzählt hat. Seine Lache ist ansteckend, weswegen ich leise kichern muss. Sofort bereue ich es.

Nun spüre ich die Blicke der beiden auf mir und hoffe, dass er mich nicht erkennt. "Moment mal", sagt er plötzlich und mein Herz sackt mir in die Hose. Ich höre, wie er mit schweren Schritten näher kommt und mir nicht gerade sanft die Zeitung aus der Hand reißt. "Du schon wieder." Sein Blick verfinstert sich.

"Willst du mich eigentlich verarschen? Zum vierten Mal in kürzester Zeit? Wieso weißt du immer wo ich bin? Hast du mir einen Chip untergejubelt, um mir auflauern zu können?" Seine Stimme ist dunkel und rau, richtig angsteinflößend. Er überragt mich mit seiner vollen Größe und ich möchte einfach nur im Erdboden versinken. Wieso muss ich nur so ein Pech haben?

Plötzlich packt er mich am Handgelenk und zerrt mich nach draußen. "Erklär mir das jetzt." Er lässt mich los und sieht mich erwartend an.

Langsam finde auch ich meine Stimme zurück. "Was erklären?"

"Na, das alles. Jedes verdammte Mal treffe ich dich, es ist wie ein schlechter Alptraum, der nie enden mag."

"Harry, du bereitest mir auch kein Vergnügen mit unseren Aufeinandertreffen." Er reißt seine Augen auf, Auflehnung ist er wohl nicht gewohnt.

"Wieso verfolgst du mich dann? Du bist sicher so ein besessener Groupie von mir, die es nicht verstehen will, dass ich nichts will."

"Wieso sollte ich ein Groupie von so einem aggressiven Arschloch sein? Hör zu, es mag vielleicht Leute geben, die dich, aus unerklärlichen Gründen, vergöttern, aber ich gehöre zu dieser Sorte garantiert nicht dazu. Es sind einfach nur dumme Zufälle, Styles." Meine Stimme ist mit jedem Wort herablassander geworden und es tut gut, ihm mal die Meinung ins Gesicht zu sagen.

Trotzdem hat sich meine Sichtweise ihm gegenüber etwas geändert. Er war früher mein Nachbar, einer meiner engsten Freunden. Wir haben uns nach Jahren wieder getroffen und jetzt streiten wir uns immer. Früher war er einer der friedlichsten Menschen, die ich je gekannt habe und jetzt prügelt er Leute fast tot.

"Was fällt dir eigentlich ein?" Er hebt überheblich seine Augenbrauen und spannt sein Kiefer an.

"Weißt du, früher warst du so ein lieber Junge und jetzt kotzt du mich an, obwohl wir uns erst Tage vorher wiedergesehen haben. Ich verstehe nicht, wieso du dich so geändert hast, aber es ist ja deine Sache."

Infinity |H. S.|Where stories live. Discover now