53. Kapitel

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53. Kapitel

Sie sieht fertig aus. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber sie sieht verändert aus. Ohne auf ihre Frage zu antworten, stelle ich ihr die Gegenfrage: "Ist alles in Ordnung? Du siehst so erschöpft aus." Es zeichnen sich Schatten unter ihren Augen und ihr Blick ist träge.

"Ich habe mir Sorgen um dich gemacht!" Und deswegen sieht sie so aus, als ob sie die ganze Nacht geschuftet hätte?

"Hattest du irgendwie eine anstrengende Nacht? Du siehst mir nicht so aus, als ob du dir nur Sorgen um mich gemacht hättest!"

"Es ist mir fremd, dass du die ganze Nacht weg bleibst und mir nicht Bescheid sagst!" Sie fährt sich mit ihren Händen über ihr müdes Gesicht. "Sorry, aber ich bin alt genug und ich mache mich auch nicht verrückt, wenn du mal ne Nacht nicht zurückkommst!" Entschuldigend hebe ich die Arme.

"Du bist auch nicht ich, ich habe mir nur Sorgen gemacht, du meldest dich sonst immer, wenn du irgendwie später kommst, aber dass du gar nicht kommst, sieht dir gar nicht ähnlich."

"Gut, tut mir leid, das nächste Mal melde ich mich." Ich verdrehe die Augen und setze mich auf mein Bett. "Also wo warst du?", fragt sie nochmal und sieht an mir herunter. "Wieder mit Harry unterwegs gewesen?" In ihren müden Augen taucht etwas Leben auf.

"Ja, er hat mich gestern nach Manchester entführt, ohne mir etwas zu sagen", lache ich. "Oh, was habt ihr dort gemacht?", fragt sie und setzt sich zu mir.

"Wir sind in den Wald gefahren, wo wir als Kinder immer waren und haben am See dort gezeltet. Es war wie in den guten alten Zeiten!" Unbewusst muss ich in mir hineingrinsen und lege gleich meine Hand vor meinen Mund, um dieses Lächeln, das durch Harry entstanden ist, zu verdecken. "Ah, dich hats ja total erwischt!", meint sie und zwickt mich in meine Seite.

Ich kann nicht verleugnen, dass ich ihm total verfallen bin. Ich bin ihm und seinem unwiderstehlichem Charme verfallen. Und zwar so schwer, dass ich nicht sagen kann, ob ich seiner Charmefalle jemals entkommen kann. Er schafft es, mich so fühlen zu lassen, wie es noch kein anderer Junge geschafft hat.

"Ich finde es ja total süß, du siehst aus, wie ein frisch verknallter Teenie!", zieht sie mich auf, während sie aufsteht und nach der Türklinke greift. "Ich geh dann mal eine Runde spazieren, magst du mit?", fragt sie, während sie ihren Kopf nach hinten dreht und mich ansieht. "Nein, ich treffe mich nachher noch mit jemanden."

Sie zieht ihre Stirn kraus. "Mit wem?"

"Mit Ellie", antworte ich und ihre Stirn glättet sich wieder. "Na gut, dann wünsch ich dir viel Spaß mit ihr!", lächelt sie und verlässt das Zimmer. Sofort stehe ich auf und steige unter die Dusche, woraufhin ich mir andere Klamotten anziehe. Ich entscheide mich für eine schwarze Röhrenjeans und eine weiße ärmellose Bluse. Ich streife mir dazu noch weiße Converse über die Füße und checke noch einmal, ob ich alles in meiner Tasche habe. Handy, Schlüssel, Lipgloss ... jap, alles eingepackt.

Mit schnellen Schritten schlendere ich zu meinem Auto und fahre zur Bar, wo Ellie und ich uns treffen wollen. Sie steht schon davor und winkt mir lächelnd zu, als ich auf sie zugehe. "Neuer Wagen? Was ist denn mit dem alten passiert? Ihr habt doch schon so viel durchgemacht!", scherzt sie, als ich sie in den Arm nehme.

"Der hat komplett den Geist aufgegeben!", erkläre ich und ziehe sie in die Bar hinein. Es ist eine moderne Bar, eine von der eleganteren Art. Die Sitzsofas strahlen in einer weißen Lederoptik, was dem Ambiente einen angenehmen Touch verleiht. Der Boden wird von weißen LED-Lichtern beleuchtet und die niedrigen Tische runden das ganze Bild perfekt ab. Ich ziehe sie zu einem Platz am Fenster, wo ich mich gleich auf ein Sofa fallen lasse. "Wie lange ist es denn her, dass wir hier waren?", frage ich und schwelge in alten Erinnerungen. Bilder, wie Lily hier auf dem Fußboden gekotzt hat, weil sie zu viel getrunken hat, schießen mir in den Kopf und ich kichere leise in mich hinein. In diesem Moment habe ich mich so sehr für sie fremdgeschämt, aber heute kann ich darüber lachen, immerhin ist nicht mir diese Peinlichkeit passiert, sondern ihr.

"Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht!", stimmt sie mir zu und setzt sich gegenüber von mir hin.

"Ah, die reizenden Damen lassen sich auch wieder mal hier blicken. Wie lange ist es denn her? 4, 5 Monate?"  Guido, alias der beste Cocktailmixer, stellt sich vor uns auf und legt und zwei Getränkekarten hin. "Guido, mein Lieber! Was macht der Job?" Ellie nimmt eine Karte in die Hand und guckt sich die Angebote an. "Alles im grünen Bereich, das Geschäft läuft gut!" Ich fand seinen italienischen Akzent schon immer sehr niedlich, vielleicht liegt es daran, dass ich den italienischen Akzent generell sehr schön finde.

"Grace, von dir hört man ja auch nichts mehr, was macht das Leben?" Interessert setzt er sich auf ein freies Sofa und setzt das Serviertablett auf unseren Tisch. "Alles beim Alten!", antworte ich und greife ebenfalls nach einer Karte. Ich denke, ich werde heute eine Piña Colada nehmen. "Noch immer keinen Mann gefunden?", hakt er nach.

"Sie hat einen, mach dir keine Hoffnungen!", schaltet sich Ellie wieder ein und erntet ein Lachen von mir. "Oh wirklich, wie heißt denn der Glückliche?", fragt er nach und Ellie ergreift erneut das Wort für mich. "Harry Styles!"

Seine Augen werden ganz groß. "DER Harry Styles? Ich wusste gar nicht, dass du etwas mit dem zu schaffen hast!", meint er beeindruckt. "Dem möchte ich nicht über den Weg laufen", fügt er hinzu. "Eigentlich ist er eh ein netter Kerl!" Ich habe das Gefühl, dass ich ihn verteidigen muss, auch wenn ich weiß, dass Guido, das nur aus Spaß gemeint hatte.

"Na dann, wünsche ich euch beiden viel Glück!" Kleine Lachfältchen umgeben seine Augen, als sich seine Mundwinkel nach oben ziehen. "Habt ihr euch schon entschieden? Sonst denkt mein Boss, ich mache nichts!" Er steht auf und sieht uns erwartend an.

"Ich nehme eine Piña Colada!", kommt es von mir. "Ich nehme einen Martini!", sagt Ellie und mit einem Nicken verschwindet Guido aus unserer Blickweite.

"Seit wann läuft das denn zwischen euch beiden?", fragt sie gespannt und sieht mich mit einem vielsagenden Blick an. "Ich weiß nicht, es ist ziemlich kompliziert!"

"Ja, er kann ein sehr kompliziert werden!", stimmt sie mir zu. Wieder kommt mir dieser Gedanke in meinem Kopf. Ich muss sie fragen.

"Du, es ist mir total unangenehm, dich das zu fragen, aber hattet ihr mal miteinander etwas? Mir kam es nämlich so vor, als er mich nach dem Yoga abgeholt und dich gesehen hat. Sie beginnt, zu lächeln und legt mir beruhigend ihre Hand auf meinen Oberschenkel.

"Du darfst dir keine Gedanken machen. Ja, Harry und ich hatten mal was miteinander, aber das ist auch schon länger her. Es war nur eine Nacht und es bleibt auch dabei!", erklärt sie mir und irgendwie versetzen mir ihre Worte einen Stich in die Brust. Ich weiß zwar, dass Harry was mit vielen Frauen hatte, aber es schmerzt.

"Hey, ich habe gesehen, wie er dich angesehen hat und ich denke, dass du wirklich das einzige Mädchen für ihn bist. Ich habe noch nie gesehen, dass er jemanden mit so einer Liebe in seinen Augen angesehen hat, also mach dir keine Sorgen!" Genau in diesem Moment kommen unsere bestellten Cocktails. Sofort greife ich nach meinem und mache einen Schluck.

Ihre Worte haben mein Herz erwärmt. Die Tatsache, dass sie merkt, dass ich an Harry wirklich etwas liege, macht mich stolz. Harry war nie ein Beziehungsmensch, doch mit mir will er es versuchen. "Auf einen schönen Abend!" Ellie hebt ihr Glas an und ich proste ihr zu. Auf einen schönen Mädelsabend.

Und genau in diesem Moment, wo ich mir einen schönen Abend mit Ellie mache, passiert etwas, wovor ich Angst gehabt habe. Ich weiß, dass er ein Leben führt, dass gefährlich ist, Boxen ist kein Kindersport und sicherlich gibt es Leute, die sich für ihre Niederlagen rächen wollen, doch damit hätte ich nicht gerechnet.

Infinity |H. S.|Donde viven las historias. Descúbrelo ahora