26. Kapitel

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26. Kapitel

~Harrys Sicht~

Gut, ich gebe es zu, ich bin letzte Nacht nochmal ins Zimmer reingegangen, wo sie geschlafen hatte und habe sie zugedeckt, da ich ihre Gänsehaut bemerkt hatte. Sie war schon immer sehr kälteempfindlich und da musste ich ihr früher immer meine Jacke geben, weil sie sich ihren Arsch abgefroren hat.

Ich habe sie eine Weile beobachtet. Ich konnte spüren, dass sie bemerkt hat, dass eine weitere Person neben ihr auf dem Bett sitzt. Ich wollte ihr keine Angst einjagen, ich wollte nach ihr schauen und sie sieht beim Schlafen genauso zuckersüß aus wie früher.

Ich bin ein totales Weichei geworden. Da baue ich mir ein Image als Bad Boy auf und kaum kreuzt sie in meinem Leben auf, werde ich weich wie Butter. Wann habe ich das letzte Mal eine Frau flachgelegt, seitdem ich sie wiedergesehen habe?

Keine. Kate zählt nicht, die habe ich in den Wind geschossen.

Gedankenverloren fahre ich durch die Londoner Straßen und bleibe vor einer Bar stehen.

Ich habe keinen Termin heute, ich habe frei, aber irgendwie war mir diese Situation von vorhin, wo sie vom "Einbrecher" erzählte, unangenehm, weswegen ich sie so schnell wie möglich aus dem Haus haben wollte.

Der Geruch von Whiskey und Rauch steigt mir in die Nase, als ich das Etablissement betrete.

"Harry, Schatz, ich habe dich ja seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen." Julia, die nervige Kellnerin mit ihren viel zu knappen Sachen, versucht sich wieder an meinen Hals zu schmeißen, doch ich drücke sie weg von mir.

Sie ist so nervig.

"Und ich will jetzt etwas trinken, als geh mir nicht auf den Sack", fauche ich und sie macht sich ganz klein. Der Laden ist hier kaum besucht, da er in einer leeren Seitengasse liegt und mit seinem Aussehen auch kaum Aufsehen erregt. Ich gehe öfter gerne hier her, da ich hier kaum erkannt werde und ich in Ruhe mein Bier trinken kann.

Ich lasse mich auf den Barhocker fallen, wo mich auch der Penner von Karl angrinst. "Styles, du lässt dich hier auch nicht mehr blicken.", meint er mit erhobener Stimme und ich schenke ihm einen bösen Blick.

"Gib mir einfach ein Bier."

"Sehr charmant wie immer", lacht er und stellt mir ein Glas Bier hin.

Nach dem Bier folgt ein weiteres, welches ich in einem Zug hinunterschlucke. Ich sollte aufhören, immerhin muss ich mit dem Auto fahren.

~Graces Sicht~

Leise tapse ich ins Zimmer, ich weiß ja nicht, ob die beiden schon wach sind, immerhin haben wir erst acht Uhr und so wie ich Lily kenne, liebt sie es, lange zu schlafen.

Ich öffne die Tür, darauf bedacht keinen großen Lärm zu machen, und zu meinem großen Pech sind die beiden schon wach und machen gerade miteinander herum. Der Anblick, wie Tim Lily die Zunge in den Mund steckt, ekelt mich an und ich räuspere mich kurz, sodass die beiden auseinanderfahren.

"Oh, Grace, du bist ja wieder da", murmelt Lily und fährt sich durch die Haare.

"Ja, das bin ich", erwidere ich und ziehe mir die Jacke über die Schultern, bis Lily ihren Mund öffnet.

"Grace, das sind doch Jungsklamotten, was du trägst." Sie zeigt auf die Jogginghose und den Pullover von Harry.

Ich habe völlig vergessen, dass ich seine Sachen noch anhabe. Auf einmal wird mir ganz warm.

"Äh ja", murmle ich verlegen und sie grinst mich schelmisch an.

"Hast du endlich mal einen aufgerissen?", quiekt sie und ich halte mir kurz die Ohren zu, da ihre Stimme unerträglich ist, wenn sie quietscht.

"Nein, habe ich nicht" Ich verdrehe die Augen, wo ich mir frische Sachen aus meinem Sachen hole und ins Badezimmer gehe, wo ich mich umziehe. Ich werde ihm die Sachen zurückgeben, wenn wir uns wiedersehen.

Falls wir uns wiedersehen.

Ich blicke in den Spiegel und sehe wie jeden Morgen wie ein Monster aus: Meine Haare sind zerzaust und ich sehe komplett fertig aus, obwohl ich sehr gut in Harrys Bett geschlafen habe.

Ich spritze mir etwas Wasser ins Gesicht und putze mir gründlich die Zähne, bevor ich wieder zurück zu Lily und ihrem Liebhaber gehe.

Die beiden sind in ihre Alltagsklamotten geschlüpt und ich spüre Tims durchbohrenden Blick, den ich versuche zu ignorieren. Kann der Typ mich nicht einmal in Ruhe lassen? Ich sollte Lily erzählen, was das für ein Typ ist. Allein zu ihrem Schutz, was wenn er das gleiche mit ihr macht? Ich könnte mir das nie verzeihen, wenn er ihr etwas antun würde, was ich hätte verhindern können.

"Ich muss dann langsam gehen." Tim dreht sich zu Lily, um ihr einen Kuss auf die Lippen zu drücken und ich muss mich beherrschen, mich nicht zu übergeben.

"Tschüss, Grace", grinst er.

"Tschüss", murmle ich unfreundlich. Er hat meine Nettigkeit einfach nicht verdient, vor allem, da er so tut, als wäre dieser Zwischenfall in dem Restaurant nicht passiert.

Als er das Zimmer verlässt, fährt mich Lily sofort wegen meinem Verhalten an: "Was hast du eigentlich gegen ihn? Er hat dir nichts getan!" Nichts getan, dass ich nicht lache.

"Was ist bloß los mit dir? Sonst bist du doch auch nicht so. Du bist nie sauer auf Menschen, wenn es keinen plausiblen Grund gibt." Ihre Stimme wird sanfter und ich fühle mich jetzt noch schlechter, dass ich ihr nichts erzählt habe. Ich sollte es ihr erzählen. Sie hat es verdient, die Wahrheit zu erfahren.

"Er hat mir etwas getan", flüstere ich und ihre Augen weiten sich. "Wie er hat dir etwas getan?", fragt sie ungläubig nach und ich zeige auf mein Bett.

"Setz dich hin." Wir lassen uns aufs Bett fallen und ich sehe, wie nervös Lily geworden ist.

"Erinnerst du dich noch an das Abendessen in dem Restaurant mit Tim?" Sie nickt und ich fahre fort.

"Ich bin ja für einen Moment aufs Klo gegangen und als ich fertig war, ist er auf einmal vor mir gestanden. Lilly er hat mich angefasst. Ich habe ihm die ganze Zeit gesagt, dass ich das nicht will, doch er hat weitergemacht, bis er sogar kurz davor war mich zu vergewaltigen. Wäre Harry nicht gekommen, hätte er es getan."

Meine Stimme hat die ganze Zeit gezittert und ich bin froh, dass das nun endlich raus ist.

"Du musst dich von ihm fernhalten, bevor er dir sowas Ähnliches antut."

Ich kann ihren Gesichtsausdruck nicht deuten, sie sieht mich einfach nur ausdruckslos an. "Lily?", hake ich nach, und sie findet ihre Sprache wieder.

"Ich fasse es nicht", meint sie schockiert. "Ich weiß, dass ist ein Schock für dich, a-", sie schneidet mir das Wort ab und steht fuchsteufelswild auf.

"Wie kannst du es wagen, so über meinen Freund zu reden? Wieso erfindest du so eine Lüge, um uns auseinanderzubringen? Nur weil du ihn nicht magst und du ein verzweifelter Single bist? Du bist eine falsche Schlange und dich nenne ich beste Freundin?" Sie ist völlig außer sich und schnappt kaum nach Luft.

Als nächstes schnappt sie sich ihre Jacke und rennt zur Tür. Bevor sie das Zimmer ganz verlässt, dreht sie sich noch zu mir um und wirft einen wütenden Blick zu.

"Ich habe dich echt falsch eingeschätzt." Mit diesen Worten knallt sie die Türe zu und lässt mich alleine im Zimmer. Ich weiß nicht, wie mir geschieht. Sie glaubt dem Typen, den sie erst seit wenigen Wochen kennt mehr als ihrer besten Freundin, die sie schon seit Jahren kennt? Er hat ihr so sehr den Kopf verdreht, dass sie nicht bereit ist, mir Glauben zu schenken?

Es tut mir im Herzen weh. Das Gefühl, dass deine beste Freundin, dir nicht vertraut und dich als Lügnerin abstempelt. Und jetzt ist sie weg. Sie geht jetzt bestimmt zu ihrem Macker und erzählt ihm, was für "Lügen" ich über ihn erzähle.

Ich muss Lily aus dem Liebessumpf herausziehen, bevor es zu spät ist.

Infinity |H. S.|Where stories live. Discover now