34. Kapitel

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34. Kapitel

"Ich fliege morgen nach New York zu einem Boxkampf ... ich wollte nur, dass du Bescheid weißt." Ein schwaches Lächeln ziert seine Lippen. "Ok, dann wünsche ich dir eine schöne Zeit dort", erwidere ich lächelnd und füge noch schnell hinzu: "Gute Nacht." Er nickt mir kurz zu, ehe er mit mit langsamer Geschwindigkeit vom Campus rollt.

Schnell tapse ich ins Gebäude und betrete mein Zimmer. Ein kurzer Blick dort reicht mir schon , um feststellen zu können, dass sie ihre wichtigsten Sachen zusammengepackt hatte, und erwartungsgemäß bei Tim untergekommen sein muss. Das Zimmer erscheint mir so leer ohne ihrem Chaos.

Schnaufend lasse ich mich auf mein Bett fallen und blicke für einen Moment lang aus dem Fenster. Der Regen ist weniger geworden, sodass nur mehr leichte Regentropfen, die gegen das Fenster klatschen, zu hören sind. Die Sterne scheinen klar am Nachthimmel und ich versuche, diese zu Figuren zu verbinden. Harry und ich haben uns früher nachts immer auf den Boden gelegt und Sternbilder gebildet. Dabei haben wir wahrscheinlich alle möglichen Zeichen entdeckt. Ich habe sehr viel Zeit damit verbracht, die Bedeutungen von diesen Sternbildern herauszusuchen, weswegen ich dafür viele Stunden in Astrologiebüchern geschmöckert habe. Ich entdecke einen Löwen, wobei meine Gedanken dabei sofort zu Harry schweifen. 

Der Löwe ist ehrgeizig, nobel und stolz, jedoch sehr autoritär und manchmal überheblich. Genau wie Harry. 

Der Löwe ist stark und tut alles, um seine Liebsten zu beschützen. Äußerlich macht er den Anschein, dass er gefährlich ist. Man sollte sich vor ihm in Acht halten, heiße es. Der Löwe ist gefährlich, heiße es. Dabei will er nur sein Revier beschützen. Genau so wie Harry.

Ob er auch gerade an mich denkt?

~Harrys Sicht~

Mit meinen Händen hinter meinem Kopf verschränkt, liege ich in meinem Bett und habe zum ersten Mal seit langem wieder einmal die Rollos hinaufgezogen, weswegen ich einen Blick auf die Sterne blicken kann, die draußen schimmern. Sofort verbinde ich diese miteinander und entdecke viele verschiedene Bilder. Ich habe mir diese Scheiße wegen Grace angewöhnt, als wir Kinder waren. Sie hat mir immer begeistert erklärt, wie sie die Sterne miteinander verbinde, sodass ich das manchmal auch tue. 

Lach langem Herumexperimentieren, entdecke ich einen Schwan. Der Schwan ist wunderschön, romantisch und treu. Der Schwan steh mit ganzem Herzen für jene ein, die ihnen wirklich alles bedeuten. Komisch, wie sehr sich Grace und dieses Krafttier ähneln. 

Wobei ich zugeben muss, dass sie mit dem verschmierten Make-Up tatsächlich einem Schwan geähnelt hatte. Sie sah wunderschön aus, und das, obwohl sie so durchnässt war. Ich habe schon häufig Frauen gesehen, die geheult haben und dessen Make-Up verschmiert war. Ich lache sie immer aus und frage mich, wie man nur so scheiße ausschauen kann. Aber nicht so Grace. Sogar in diesem Zustand sah sie ganz ... süß aus?

Ich lege mich auf die Seite und versuche, sie aus meinem Kopf zu verbannen. Doch jegliche Mühe zahlt sich nicht aus, sie will einfach nicht verschwinden. 

Und jetzt sehe ich sie sogar für ein paar Tage nicht. Ich habe es mir angewöhnt, sie täglich zu sehen. Und bei den meisten unserer "zufälligen Treffen" habe ich ein bisschen nachgeholfen. Natürlich hatte ich heute keinen Kampf, es war nur eine verdammte Ausrede, um sie wiedersehen zu können. Es hatte heftig geschüttet und ich habe mir Sorgen um sie gemacht. Ich habe das Gefühl, dass ich sie beschützen muss, dass ich es ihr schuldig bin. 

Aber von New York aus geht das schlecht und das bereitet mir Magenschmerzen. Vor allem, weil ich weiß, dass dieser Tim hier immer noch frei herumläuft. 

~Graces Sicht~

Nach langem Suchen schlafe ich in der gleichen Position, in der ich seit einer halben Stunde schon verharre, ein. Am nächsten Morgen wache ich früher als gewohnt auf und sofort greife ich nach meinem Handy. Ich weiß nicht, wann Harry wegfliegt, aber ich will ihm noch unbedingt schreiben, bevor er abreist. 

Schnell tippe ich folgende Worte in mein Handy, bevor ich meine Tagesroutine durchführe.

Ich wünsche dir einen guten Flug und viel Spaß in New York :)

"Den Plebejern wurde es dann gestattet, dass sie auch Patrizier heiraten dürfen, womit die Gleichberechtigung dieser zwei Schichten berücksichtigt wurde", redet der Professor da vorne über die römische Geschichte, wo ich nur teilweise zuhöre. Geschichte gehört eindeutig nicht zu meinen Lieblingsfächern. 

Ich fange an, in meinem Block herumzukritzeln, bis mich eine Stimme aus meinen Tagesträumen reißt. "Anderson, könnten Sie das bitte wiederholen?" Erschrocken fahre ich herum und blicke in die braunen Augen des Professors. 

"Äh, ja, Rom wurde nach Romulus benannt und die Einwohner haben von den Hellenen das Schreiben gelernt?", versuche ich, doch allein, dass ich weiß, dass wir das schon letzte Woche durchgemacht haben, verursacht das Gefühl in mir, dass er mir eine Strafarbeit aufbrummen wird, weil ich ihm nicht zugehört habe. 

"Netter Versuch. Normalerweise würde ich Ihnen jetzt eine Strafarbeit aufgeben, da Sie mir nicht zugehört haben, doch da dies Ihr erstes Vergehen ist, belasse ich es dabei. Aber passen Sie jetzt bitte auf." Er sieht mich streng an und fährt mit dem Unterricht fort. 

Trotz seiner Aufforderung passe ich nicht auf, aber er hat mich nicht erwischt, also kann es mir eigentlich relativ egal sein. Ich atme erleichtert aus, als die Stunde vorbei ist und ich endlich hier weg kann. Ich fühle mich schon seit Anfang der Stunde nicht so wohl, wahrscheinlich irgendwas mit dem Magen-Darm, jedoch versuche ich mein Bestes, den Tag durchzustehen, da ich es hasse, wenn ich Kurse verpasse. 

Doch im Laufe des Tages geht es mir immer schlechter, bis ich am Ende des Tages bei der Uniärztin lande. "Der Magen-Darm-Virus geht hier schon lange rum. Du bist nicht meine erste Patientin", scherzelt die Frau Doktor, doch mir ist überhaupt nicht zum Lachen zumute, mir geht es richtig dreckig. "Ich schreibe dir eine Krankmeldung und die nimmst du zweimal täglich, dann sollte es dir bald wieder besser gehen", erklärt sie mir, während sie mir eine Packung Tabletten vor die Nase hält. 

Bitte nicht. Ich hasse es, Tabletten zu schlucken.

"Müssen das wirklich Tabletten sein?", frage ich verzweifelt und sie schmunzelt leicht. "Ich weiß ja, dass du es nicht sonderlich magst, Tabletten zu nehmen, aber die paar Tage wirst du überleben und jetzt gehst du ins Bett und ruhst dich aus." Sie schiebt mich sanft aus dem Ärztezimmer und ich schlendere mit schlechter Laune in mein Zimmer.

Ganz toll, ich habe einen Magen-Darm-Virus und darf eklige Tabletten schlucken. Wie sehr ich diese Situation liebe. 

In meinem Zimmer angekommen, ziehe ich mir sofort eine Jogginghose und ein Schlabbershirt an, womit ich ins Bett gehe. Ich schlucke noch die Tablette mit einem angewiderten Würgen hinunter und decke mich mit meiner Kuscheldecke zu. Ich greife nach meinem Handy, das ich den ganzen Tag nicht benutzt hatte, und sehe, dass ich eine neue SMS erhalten habe. 

Infinity |H. S.|Where stories live. Discover now