12. Kapitel

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12. Kapitel

Mit aufgerissenen Augen blicke ich zu meinem Retter und ich habe das Gefühl, dass mein Herz gleich aussetzen wird. Harry.

Aggressiv packt er Tim am Kragen und knallt ihn gegen die nächste Wand. "Lass deine dreckigen Finger von ihr." Seine Wangen laufen rot an, man sieht ihm deutlich an, dass er wütend ist. Ich lasse mich nur zittrig die gegenüberliegende Wand hinuntergleiten und versuche meine Tränen zurückzuhalten. Es ist die Mischung aus Angst, Verzweiflung und Erleichterung. Aus verschwommener Sicht nehme ich noch wahr, wie Harry Tim hochhebt und zurück ins Restaurant stößt. Es war einfach für ihn, immerhin ist er ja um einiges größer als Tim.

Er dreht sich zu mir um und beugt sich augenblicklich zu mir hinunter. "Ist er weitergegangen?", fragt er mich mit sanfter Stimme und kurz streift er meinen Oberschenkel, weswegen ich leicht zusammenzucke.

"Tut mir leid", flüstert er heiser und achtet darauf, einen gewissen Abstand zu bewahren. Ich schnappe nach Luft und versuche meinen Atem wieder zu regulieren. Währenddessen verlässt kein Wort seine Lippen und ich lege mein Gesicht in meine Hände.

"Es ist alles gut", spricht er und mein Blick wandert zu ihm. Er hat mich vor Tim gerettet. "Danke", schluchze ich und stelle mich wieder auf die Beine, was er mir gleich tut. Was macht er eigentlich in so einem Restaurant? Das passt gar nicht zu ihm. Und er ist noch nicht einmal ausgerastet, dass ich ihn wieder "verfolgt" habe.

"Dann kann ich ja wieder gehen." Sein Ton ist wieder eiskalt und er marschiert wortlos in die Männertoilette. Mein Herzschlag normalisiert sich wieder und ich sehe ihm mit einem unfassbaren Blick an. So schnell kann man seine Stimmung also ändern. Trotzdem kann ich von Glück sagen, dass er gerade da war, wenn er nicht gekommen wäre, wäre mir wohl das Schlimmste, was einer Frau widerfahren kann, passiert.

Ich richte mein Kleid wieder und tapse langsam wieder zurück, wobei mein Blick unseren gemeinsamen Tisch abscannt. Ich will nicht neben ihm sitzen. Ich stelle erleichtert fest, dass er nicht mehr da ist und gehe zu Lily, die mich erwartend ansieht.

"Wo ist Tim?", frage ich, als ob nichts passiert wäre. "Er ist einfach gegangen. Er sah aber ziemlich verärgert aus, war irgendwas?", fragt sie. "Verärgert? Ich habe keine Ahnung, aber er ist einfach gegangen? Meinte er nicht, dass er das ganze Essen zahlt?" Dabei wandert mein Blick zu unserem Tisch.

"Jap, das hat er gesagt und jetzt  müssen wir schauen, wie wir das Essen bezahlen können."

"Wieviel hast du?", fragt mich Lily, als wir unser Geld zusammenzählen.

"30 Pfund. Du?" "20."

"Das reicht nicht einmal für die Hälfte", stöhne ich auf und lasse meinen Kopf in den Nacken fallen.

Ich fahre mir übers Gesicht, ehe mir etwas ins Auge fällt. "Ist das seine Jacke?", frage ich auf einmal und zeige auf die Jacke, wo ich mir einbilde, dass er sie heute getragen hat.

"Ja, aber wie sollte seine Jacke uns jetzt aus dieser Situation helfen?" Lily hebt kritisch ihre Augenbrauen, doch ich greife nur nach seiner Jacke und fische aus der rechten Jackentasche ein Portmonee heraus. Ich grinse Lily siegessicher an und greife hinein.

"Du willst ihm jetzt Geld stehlen?", fragt sie ungläubig und ich lächle nur.

"Ich hab das Recht dazu, immerhin hat er uns eingeladen." Ich fische das nötige Geld heraus und rufe den Kellner zum Zahlen.

"Du kannst ihm das Geld doch nicht klauen." Ich sehe wie unruhig sie ist. "Sein Pech, was schleppt er auch so viel Geld in bar mit sich herum?" Ich übergebe dem Kellner das Geld und gleich das Portmonee. "Ein Kunde hat das vergessen, ich wollte das nur abgeben", lächle ich und stehe auf, um in meine Jacke zu schlüpfen. Lily tut mir dies gleich und wir werden von der Kälte von draußen überströmt.

"Scheiße, wie kommen wir jetzt heim? Tim ist mit seinem Wagen weggefahren."

"Dann müssen wir wohl oder übel mit dem Taxi fahren. Geld haben wir dafür noch."

Auf der Fahrt zum Campus nutze ich die Chance und spreche Lily wegen der Salatsache an. "Wieso nur ein Salat heute?", frage ich und mustere ich skeptisch. Sie reißt kurz ihre Augen auf und lächelt nur abwehrend. "Ich hatte heute nicht besonders Hunger.", winkt sie ab.

"Du? Normalerweise isst du gleich für drei Personen mit, hat es irgendetwas mit Tim zu tun?" Sie schnauft auf und sieht mich sauer an. "Es ist alles in Ordnung und Tim hat damit überhaupt nichts zu tun. Es wäre schön, wenn du es für heute dabei belassen könntest und mich nicht mehr darauf ansprechen würdest." 

Ich nicke kurz und beschließe, sie heute in Ruhe zu lassen. Ich weiß, dass sie lügt.

Übermüdet kommen wir nach dem misslungenen Treffen am Campus an und ich stelle mich gleich in die Dusche. Ich fühle mich wegen Tim beschmutzt und benutzt. Noch nie hatte ich in meinem Leben so eine große Angst. Ich schaffe es einfach nicht, meine Gedanken um ihn wollen einfach nicht stoppen. Schnell steige ich aus der Dusche und sehe, wie Lily schon ihrem Bett liegt und seelenruhig schläft. Ich kann ihr nichts von der Sache erzählen, was zwischen Tim und mir passiert ist.

Sie war so begeistert von ihm, was ich nicht verstehen kann, ich will das nicht zerstören. Sie hatte so oft Pech mit den Jungs, wurde verarscht und betrogen, sie hat es verdient glücklich zu sein, auch wenn er hinter ihrem Rücken ein anderer Mensch ist.

Eine typische Zwickmühle. Ich lege mich leise ins Bett und versuche einzuschlafen. Doch das Ereignis von heute plagt mich zu sehr. Tim, Harry, alles einfach. Wieso hat Harry mir eigentlich geholfen? Wieso war er genau da, als die Sache passiert ist? Ich finde das creepy.

Ich wälze mich hin und her, hoffe darauf, dass ich bald einschlafen kann. Nach vielen Versuchen einzuschlafen, drifte ich in einen unruhigen Schlaf.

~Harrys Sicht~

Verdammt, sie wäre vergewaltigt worden, wenn ich nicht rechtzeitig gekommen wäre. Verdammt man. Wieso mache ich mir überhaupt Gedanken über sie? Ich war zufällig dort, weil Ricky dort hauptberuflich als Koch arbeitet und habe ihn besucht, dann musste ich pissen und dann sah ich wie dieser widerliche Kerl sie angegraben hat. Dieser verzweifelte Blick in ihren Augen, man. Zum ersten Mal tat mir mal jemand leid, der nicht ich war.

Als ich sie angeschaut habe, hatte ich das Gefühl, dass ich bei ihr bleiben muss, doch mein Stolz war stärker und ich habe sie dann da sitzen gelassen. Hey, ich habe sie immerhin vor einer Vergewaltigung gerettet, dafür sind keine großen Worte nötig.

Bei der Vorstellung, dass meine ehemalige beste Freundin beinahe vergewaltigt worden ist, dreht sich mein Magen augenblicklich um.

Ich verpasse mir selber eine Watsche, wieder bin ich mit meinen Gedanken bei ihr. Das muss aufhören, aber schleunigst.

Als ich den Typen von ihr gezerrt hatte, habe ich ihm gleich gesagt, dass er sich verpissen und sich von ihr fernhalten soll. Daraufhin ist er wie ein ängstliches Kind aus dem Restaurant gelaufen.

Den Rest des Abends habe ich sie beobachtet, bis sie mit einem anderen Mädchen das Restaurant verlassen hat. Ich muss auf sie aufpassen.

Später kommt noch ein Update ♥



Infinity |H. S.|Where stories live. Discover now