49. Kapitel

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49. Kapitel

Ich habe die ganze Zeit schon so ein ungutes Gefühl. Ein Gefühl, dass ich beobachtet werde. Ein furchtbar komisches Gefühl überschattet mich schon seit Stunden. Vielleicht bilde ich mir das auch nur ein? Ich weiß es nicht, jedoch fühle ich mich nicht wohl. Werde ich jetzt paranoid?

Ich klemme mir meine Tasche unter meine Arme und verschnellere meine Schritte auf dem Weg zur Sporthalle. Heute steht Yoga an, ein Sport, was mir absolut liegt. Es ist die Art, wie sich mein Körper währenddessen entspannt, ich fühle, wie jegliche Gifte meinen Körper verlassen.

Ich fühle mich ein wenig sicherer, als ich die Sporthalle endlich betrete und ich mich im Umkleideraum umziehe. "Grace, schön dich mal wiederzusehen!" Ich drehe mich um und blicke in Ellies Augen. Elli ist die Leiterin des Yogakurses und ich habe sie unfassbar gerne. Sie ist nicht so eine strenge Kursleiterin, sie ist eher angenehm. Kurz gesagt, ich könnte mir keine bessere Yogalehrerin vorstellen.

"Ellie, schön dich zu sehen!" Ich nehme sie kurz in den Arm und bereite derweil meine Yogamatte vor. "Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen, ist alles gut bei dir?" Sie stellt sich ganz vorne hin, wobei der hintere Teil ihres Körpers von den Spiegeln reflektiert wird. "Ja, ich hatte in den letzten Wochen ziemlich Stress. Mein Leben gleicht derzeit einer Acherbahn!", scherze ich und setze mich auf meine Matte. Die anderen Kursteilnehmer müssten gleich kommen.

"Ich würde gerne wieder einmal etwas mit dir machen. Einen trinken gehen oder so, ich habe so viel zu erzählen!" Ihre Augen strahlen förmlich, weswegen ich daraus schließe, dass sie mir tatsächlich viel zu erzählen hat. ''HalliHalloo!", flötet eine Stimme durch den Raum und unsere Köpfe schellen in die Höhe. Micky kommt in den Raum gejoggt und legt, wie ich eben, ihre Matte auf den Boden. "Und ich dachte schon, ich bin spät dran!", scherzt sie und zeigt mit dem Finger in den Raum. "Eigentlich hat die Stunde schon längst angefangen. Entweder haben die anderen etwas anderes zu tun, oder sie kommen alle zu spät!", schaltet sich Ellie ein wedelt theatralisch mit der Hand, da es wahnsinnig warm im Raum ist.

"Ich werde mal schnell ein Fenster aufmachen, dann fangen wir an!"

"Als kleine Aufwärmübung werden wir mit dem Baum beginnen!" Sie streckt ihre Arme in die Höhe und stellt sich auf ein Bein, was wir ihr nachmachen. Nach und nach trudeln die Spätsünder ein, bis die Stunde schon wieder vorbei ist. Ich fühle mich etwas befreiter und entspannter, weswegen ich total relaxt in den Umkleideraum und duschen gehe.

"Grace!" Ich drehe mich um und sehe, wie Ellie hinter mir angerannt kommt. "Hättest du morgen Zeit, etwas zu machen?" Ich überlege kurz und als ich bemerke, dass ich morgen tatsächlich noch nichts vorhabe, bejahe ich ihre Frage. "Gut, dann würd ich vorschlagen morgen um 19 Uhr beim Grandys?", schlage ich vor und sie stimmt mit ein. "Gut, dann sehen wir uns morgen Abend." Unsere Wege trennen sich und ich greife im Gehen nach meinem Handy in meiner Tasche, sodass ich nicht auf den Weg vor mir achte. Gerade als ich mein Handy ergreife, knalle ich gegen etwas und ich stolpere wegen der Wucht einige Schritte zurück. Zuerst erblicke ich schwarze Boots und je höher mein Blick gleitet, desto größer wird mein Grinsen im Gesicht.

"Du weißt doch, dass du im Gehen nicht nach deinem Handy greifen sollst! Übrigens muss ich gestehen, dass dir Sportklamotten ziemlich gut passen", kommt es Harry über die Lippen. Der Pullover passt perfekt zu ihm. Der Oversizepullover verleiht ihm eine süße Ausstrahlung, er sieht kuschlig aus. "Das Gleiche kann ich dir über deinen Pulli sagen!", gebe ich kokett zurück. "Aber woher weißt du, wie ich in Sportklamotten aussehe?" Er kommt mir einen Schritt näher und schlingt seine Arme um mich. Langsam zieht er mich zu sich, sodass ich ihm noch in die Augen schaue. Meine Hände an seine Brust legend, beginne ich breit zu lächeln an. "Ellie hat das Fenster aufgemacht und ich hatte eine prima Aussicht auf euch. Wohl eher für dich, die anderen haben mich gar nicht interessiert!" Ich beginne zu lachen an.

"Du bist ein Spanner!" Doch dann höre ich auf, zu lachen. "Woher weißt du überhaupt, dass die Frau Ellie heißt?" Misstrauisch schießen meine Augenbrauen in die Höhe und auch er hätte mit dieser Frage nicht gerechnet. Er scheint nervös zu werden, als er nach einer Antwort sucht.

"Ach weißt du, als Boxer lernt man viele Leute kennen und da habe ich sie auch kennengelernt!" Er lächelt schwach und aus irgendeinem Grund kann ich ihm nicht glauben, es steckt sicherlich mehr dahinter, doch ich beschließe, ihn nicht weiter darauf anzusprechen. "Was machst du eigentlich hier?" Er bückt sich zu mir hinunter, sodass seine Lippen kurz vor meinem Ohren Halt machen.

"Ich dachte mir, dass wir uns heute einen schönen Tag machen!" Wie immer verpasst mir sein heißer Atem eine Gänsehaut und auch die Weise, wie er mich hält, lässt mich dahinschmelzen. Wenn er mich nicht so festhalten würde, würde ich wahrscheinlich weiche Knie kriegen und hinfallen. "Du scheinst so nervös zu sein, ist alles in Ordnung?" Ich höre seine Schadenfreude heraus und würde ihm für seine Schadenfreude am liebsten eine reinhauen.

"Weißt du ...", setzt er an und platziert seine Lippen unter meinem Ohr, wo er sanfte Küsse verteilt. "Wie es mich antörnt, wenn du so auf mich reagierst?", haucht er in einem heiseren Ton und fängt an, zu saugen, was mir ein Schaudern entlockt. Ich versuche, mich aus seinem Griff zu befreien, doch er hält mich fest. "Wir werden uns einen schönen Tag heute machen!", haucht er süßlich und zieht mich an der Hand zu seinem Auto.

"Dieses -Grace-an-der-Hand-ins-Auto-ziehen-und-ihr-nicht-sagen-wohin-wir-gehen scheint dein Ding zu sein, huh?", frage ich, als wir angegurtet in seinem Auto sitzen, wo mir die Destination noch nicht ganz klar ist.

"Und dieses ich-weiß-nicht-wohin-Harry-mich-hinführt-aber-ich-lasse-mich-trotzdem-drauf-rein scheint dein Ding zu sein!", kontert er und kann sein Grinsen nicht verstecken. 1:1.

Die Fahrt ist länger als erwartet. 2 Stunden, um genau zu sein. Ich habe immer noch keine Ahnung, wohin er mich entführt. Doch als ich das erste Ortsschild entdecke, reiße ich meine Augen auf. "Was machen wir in Manchester?", frage ich fassungslos und drehe meinen Kopf wieder um, um die Landschaft zu beobachten.

Wie lange ist es denn schon her, als ich das letzte Mal in meinem alten Wohnort war? Ich war so lange nicht mehr in Manchester.

Er sagt nichts, sondern schaut nur gerade aus. Er fährt in einen abgegrenzten Waldstück hinein, der mir nur allzu bekannt vorkommt. Hier haben wir damals immer Schatzsuche gespielt. Den See, der hier angrenzt, hat Harry immer genutzt, um mich hineinzuschubsen. Er bleibt stehen und steigt aus dem Wagen, was er mir gleich tut. Ohne ein Wort zu sagen, geht er zu seinem Kofferraum und holt einige Taschen heraus. Wofür die Taschen?

Ich stehe beteiligungslos daneben und beobachte ihn dabei. Ich beobachte, wie seine Venen an der Hand zum Vorschein kommen, als er die Taschen nach und nach aus dem Auto hievt. Als er schlussendlich die letzte Tasche abgelegt hat, frage ich: "Und was soll das jetzt werden?" Endlich baut er einen Augenkontakt zu mir auf. "Ich hoffe doch, dass dir noch klar ist, was für ein Wald das ist?" Er sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, ehe ich nicke.

"Und heute werden wir hier campen!" Wir werden was?

"Du hast mich nicht einmal gefragt, ob ich das will? Du hast das einfach so über meinen Kopf hinweg entschieden!"

"Wer hat auch gesagt, dass ich das nicht kann?", fragt er schmunzelnd, als er alle Taschen packt und in den dichten Wald geht. "Du kannst das doch nicht machen!", spreche ich weiter, als ich ihm hinterherstolpere und gegen seinen Rücken knalle, da er unerwarteterweise stehenbleibt. Kurz bevor ich ihm eine Standpauke halten will, stockt mir der Atem, als ich unsere Umgebung wahrnehme. Es ist unser See. Erinnerungen werden in mir wach. "Wow", hauche ich und lasse meinen Blick über den glitzernden See wandern.

Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie Harry langsam die Taschen fallen lässt und einen Stoff aus einer Tasche herauszieht. Dieser Stoff stellt sich als Zelt heraus, den er in binnen weniger Minuten aufgebaut hatte. "Wow, machst du das öfter?", kommt es von mir und er stoppt mit seiner Aktivität. "Was?", fragt er.

"Dass du Mädchen einfach so entführst, und ohne es ihnen zu sagen, einen Campingausflug mit ihnen machst!" Er macht weiter und lässt sich mit seiner Antwort ganz schön viel Zeit.

"Nicht mit jedem Mädchen. Denn du bist besonders, Grace!"

Danke @crazyunicow für das Bild!♥

Infinity |H. S.|Where stories live. Discover now