85. Kapitel

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85. Kapitel

Die nächsten Wochen sind unglaublich stressig, Harrys Terminkalender ist vollgestopft, sodass ich mir langsam Sorgen darüber mache, dass ihm der Stress zu viel wird. Gerade sitze ich in der Unibibliothek und versuche "The last choice" zu lesen, doch meine Gedanken schweifen immer wieder ab, sodass ich einzelne Absätze nochmal lesen muss, da ich nicht aktiv mitgedacht hatte.

Ich höre das Klackern von Pumps und merke, wie sich Erika neben mich gesellt. "Du scheinst ein wenig abgelenkt zu sein, ist alles in Ordnung?" Wie es meine Mutter immer tut, streicht sie mir langsam durchs Haar. Ich setze mich auf und klappe das Buch zu. "Ich weiß nicht, es ist nicht so meine Woche!" Die letzten Tage habe ich nicht viel geschlafen und Harry habe ich auch kaum gesehen. Seit gestern schreibt er mir nicht mehr zurück, egal wie oft ich ihn anrufe. Ich wollte nie eine dieser Freundinnen sein, die ihren Freund ununterbrochen anruft und herumheult, weil er ihr nicht zurückschreibt, doch ich halte es nicht aus.

Davor haben wir so viel Zeit verbracht, aber jetzt ist sein Terminplan voller denn je und da ist kein Platz für mich. "Hat es etwas mit deinem Freund zu tun? Ich kenne diesen Blick. Diesen Blick hatte ich immer während meiner Teenagerjahre drauf, wenn ich Liebeskummer hatte!" Ihr Augen strahlen, als sie mir von ihrer Jugend erzählt. Ich kann nicht anders, als bei ihrem Anblick zu lächeln. Die kleinen Lachfalten umschmeicheln ihre Mundwinkel und verleihen ihre einen sympathischen Ausdruck.

"Ja", hauche ich zustimmend und lege das Buch neben mir auf das Sofa ab. "Erzähl der guten Erika was los ist, vielleicht kann ich dir ja helfen!" Sie dreht sich zu mir und stützt ihren Kopf in ihre Hand und sieht mich erwartet an. Ich atme tief ein und aus. "Harry hat in den letzten Tagen so viel zu tun, dass wir uns kaum gesehen haben. Ich habe Angst, dass diese Situation anhält, jetzt da er so erfolgreich ist. Ich will ihm auch nicht in den Weg stehen - ich untersütze ihn in dem was er macht! Aber der Gedanke, dass es länger so anhalten könnte, schmerzt. Ich will ihn nicht verlieren, was, wenn er mich nicht mehr will, wenn er so viele andere Menschen - vor allem Frauen - trifft?" Mein Herz rast bei dem Gedanken.

Ich habe oft im Fernsehen gesehen, dass Pärchen, wo ein Partner bekannt ist, sich getrennt haben, da einfach keine Zeit mehr für die Liebe da war.

"Weißt du, meine alten Liebschaften waren keine Boxer oder gar Berühmheiten, aber wenn er dich wirklich liebt - was ich auch glaube - dann wird er auf dich warten. Er wird dich nicht für eine andere Frau verlassen, egal wieviele er trifft. Er wäre ein Trottel, wenn er so ein tolles Mädchen, wie dich verlassen würde!" Sie schenkt mir ein warmes Lächeln und greift nach meiner Hand.

"Red mit ihm, wenn ihr die Zeit dazu findet. Erzähl ihm von deinen Sorgen!" Ich nehme mir ihren Tipp zu Herzen, vielleicht fühle ich mich besser, wenn ich ihm erzähle, wie ich fühle. "Danke, Erika." Ich greife erneut nach dem Buch und lege ihn auf seinen Platz. "Ich werde jetzt gehen, Lily braucht für eine Präsentation meine Hilfe!" Sie legt lachend ihren Kopf in den Nacken. "Lily, wie sie leibt und lebt. Viel Spaß euch Süßen!"

"Ich danke dir vielmals, dass du mir geholfen hast. Ohne dich hätte ich es nie geschafft!", bedankt sich Lily zum bestimmt schon 30. Mal. Nachdem wir ihre Präsentation beendet haben, haben wir uns in ein italienisches Restaurant gesetzt, wo wir uns mit Pasta vollstopfen. Ohne ihr richtig zuzuhören, stochere ich in meiner Lasagne herum und blicke wie gedankenverloren dahin. "Erde an Grace!"

Lily schnippst wie verrückt vor meinem Gesicht herum, als ich ihr nicht antworte, weswegen ich leicht erschrocken zurückschrecke. "Du hörst mir ja gar nicht zu!", schmollt sie und scheffelt sich eine Gabel voll Spaghetti in den Mund. Ich bin mit meinen Gedanken immer noch bei Harry. Ich habe vorher versucht ihn anzurufen, doch er ist nicht erreichbar. Was er wohl gerade macht? "Tut mir leid, was hast du gesagt?" Als Zeichen dafür, dass ich ihr nun meine Aufmerksamkeit schenke - ich versuche es zumindest - hebe ich meinen Kopf und schaue ihr in die Augen. "Was ist denn los mit dir? Du bist die ganze Zeit schon so abwesend!"

"Seit diesem Kampf gegen diesen Italiener mit dem Tattoo von einem Elefanten, der einen Burger frisst, hat Harry so viel zu tun. Interviews, Photoshootings, Werbeverträge, Trainings und und und. Ich habe ihn seit elf Tagen nicht mehr gesehen und seit drei Tagen nicht mehr mit ihm gesprochen, weil er mir am Telefon einfach nicht mehr antwortet." Ich hatte dieses Problem wirklich noch nie in meinem Leben. Noch nie, weil ich mich noch nie in so eine Situation begeben habe, jetzt weiß ich, was diese Mädchen auf Instagram meinen, wenn sie sich darüber aufregen, wenn ihr Freund ihnen nicht zurückschreibt.

"Ja, mir ist aufgefallen, dass du in letzter Zeit immer öfter im Unterricht erscheinst und deine Zeit eher auf dem Campus verbringst und nicht mehr mit Harry!" Etwas Belustigtes liegt in ihrer Stimme, doch als sie erkennt, dass mir nicht nach Lachen  zu Mute ist, wird sie wieder ernst. "Tut mir leid, so habe ich das nicht gemeint!" Wieder lasse ich meinen Kopf hängen. "Ich habe sogar mit Erika darüber gesprochen. Sie hat mir geraten, mit ihm zu reden, ihm zu sagen, wie ich mich fühle, doch ich erreiche ihn nicht."

"Fahr zu ihm!"

"Lily, ich kann nicht einfach zu ihm nach Hause fahren, ich weiß doch nicht einmal, ob er in der Stadt Termine hat!", erläutere ich und essen den letzten Bissen meiner Lasagne auf.

Mit einem siegessicheren Grinsen schwingt sie ihren Finger in die Luft. "Er ist in der Stadt, er hatte heute ein Interview mit einem Sportsender." Irritiert schiebe ich meine Augen zusammen. "Woher weißt du das?"

"Grace, du sollst dir wirklich mal die Nachrichten ansehen!" Verspielt verdreht sie ihre Augen und ich nehme mir ab diesem Moment vor, aktiver in den sozialen Netzwerken zu werden. "Du wirst dich jetzt in dein Auto setzen und zu ihm fahren, es gibt kein aber!" Um ihre Worter zu unterstreichen, hämmert sie eine Faust auf den Tisch um das Theater dramatischer wirken zu lassen. Einige Restaurantgäste drehen sich sogar um und schütteln entgeistert den Kopf.

"Aber-", will ich widersprechen, doch werde sofort unterbrochen. Sie schnappt nach meiner Jacke, zieht ihn mir über den Körper und schiebt mich aus dem Restaurant. "Wenn ich jetzt sage, dann meine ich jetzt!", besteht sie. "Lass mich dich doch davor bei der Uni absetzen!" Sie schüttelt energisch den Kopf. "Ich rufe Mike an, der holt mich immer aus 'Notsituationen' heraus", meint sie und schiebt mich weiter weg.

Gut, jetzt oder nie. Ich setze mich ins Auto und mache mich auf den Weg zu seiner Villa, jedoch wird eine Fahrt unterbrochen, als ich etwas oder besser gesagt jemanden neben der Straße liegen sehe. Es ist ein Mann, er bewegt sich nicht. Erschrocken trete ich auf die Bremse und fahre rechts ran, um nach ihm zu schauen. Er liegt mit dem Gesicht von mir weggedreht in der Wiese und bewegt sich weiterhin überhaupt nicht. "Entschuldigung?", versuche ich es, doch er sagt kein Wort. Ich nähere mich ihm und greife nach ihm.

Der Erste-Hilfe-Kurs zahlt sich endlich mal aus. Ich will ihn gerade in die stabile Seitenposition legen, da springt er auf und überwältigt mich. Es geht alles so schnell, dass ich gar nicht weiß, was mit mir geschieht. Ich spüre einen dumpfen Schlaf auf meinem Hinterkopf, dich bevor dies geschieht, schaffe ich es, meinen Hinterkopf so zu drehen, dass ich der Person ins Gesicht blicken kann. Und ich kann nicht glauben, wer mich da gerade überfallen hat. Braune Haare, unverwechselbare Teddybäraugen.

Liam.

Tut mir leid wenn da einige Fehler sind, ich hab nur kurz drübergelesen

Infinity |H. S.|Where stories live. Discover now