77. Kapitel

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77. Kapitel

"Warte hier einen Moment, ich fahre das Auto raus, dann kannst du ohne unnötige Umwege einsteigen!" Harry schließt den Kofferraum auf und klettert geschickt über die Sitze zum Lenkrad.

Ich ziehe Harrys Jacket enger um meinen Torso und ziehe seinen vertrauten Geruch durch meine Nase. Jede Faser meines Körpers saugt jede einzelne Duftnote wahnsinnig intensiv auf, was dazuführt, dass mein Herz gleich mehrere Sätze macht. Ich möchte in diesem Duft am liebsten baden und zwar für den Rest meines Leben. Mich in diesem Geruch wälzen.

"Wieso hast du keine Jacke mitgenommen? Du weißt doch, dass es in London abends so kalt wird!" Harry schüttelt ungläubig seinen Kopf, ehe er sich sein Jacket von seinen Schultern streift, um es mir rüberzuziehen. "Auch wenn ich finde, dass das Kleid deine Kurven extrem gut zur Geltung bringt, kann ich mir nicht mit ansehen, wie du wie ein neugeborenes Lämmchen zitterst!" Als ich sein Kompliment höre, spüre ich, wie sich meine Wangen verfärben und ich versuche verlegen meinen Kopf von ihm wegzudrehen, damit er nicht sieht, wie unangenehm mir das ist.

Er lacht aus vollem Halse, als er seinen Arm um mich schmiegt und seine Lippen auf meine Wange legt. "Habe ich da jemanden verlegen gemacht?" Ich kann dieses teuflische Grinsen vor mir sehen, er liebt es, mich auf den Arm zu nehmen. "Sei einfach ruhig und lass uns zu deinem Auto gehen!", murmle ich mit belegter Stimme und löse mich aus seinem Griff. Ich verschnellere meinen Schritt und ich hätte nie im Leben daran gedacht, dass er mir einmal hinterherdackeln müsste. Normalerweise ist er der Schnellere von uns beiden, doch diesmal besetzen andere Personen die Rollen des Hasen und der Schildkröte.

Ich als Hase. Er als Schildkröte, was für ein Wunder.

"Hey, du hast ja mal ein Tempo drauf und das mit den Schuhen, Respekt an dich, junge Lady!" Er spitzt beeindruckt seine Lippen und greift in seiner Hose nach dem Autoschlüssel.
Gerade als ich nach der Türschnalle greifen will, erregt eine Gestalt aus meinem Augenwinkel heraus meine Aufmerksamkeit. Nur vage drehe ich meinen Kopf in diese Richtung und ich wünsche, ich hätte das nicht getan. Dieses Gesicht, diese Augen, dieses verschmitzte Grinsen kann man nicht vergessen.

Garcia steht mit einer Zigarette in der Hand nur ein paar Meter entfernt von mir und augenblicklich gefriert mir das Blut in den Adern. Es ist so, als ob sich die Welt in Zeitlupe drehen würde, als ob es nur noch uns beide geben würde. Ich spüre seinen Blick auf mir ruhen und möchte am liebsten kotzen, wenn ich sehe, wie er mich ansieht.

Mit feurigen Augen. Einem Feuer, das aus der Hölle kommen könnte. Er bewegt sich keinen Millimeter, er sieht mich nur an, als ob er mich studieren möchte. Als ob er jede einzelne Handlung, jeden Atemzug und jede Mimik untersuchen würde. Auf einmal spüre ich, wie die Beifahrertür aufgeht. Harry lehnt sich in meine Richtung und betrachtet mich mit besorgter Miene.

"Ist alles in Ordnung?" Seine Stimme holt mich wieder in das hier und jetzt zurück und mein Blick wandert wieder dorthin zurück, wo Garcia gestanden ist. Immer noch steht er da, er verharrt genau in der gleichen Position und scheint zu Stein geworden zu sein. Mit weichen Knien lasse ich mich auf den Sitz fallen und schnalle mich an.

"Was war los? Du siehst so aus, als ob du etwas Abscheuliches gesehen hast." Harry fährt die Autobahn an, doch meine Kehle bleibt wie zugeschnürt. "Fragen wir einmal anders. Hast du dein eigenes Spiegelbild gesehen, dass du nun so verstört bist?" Entrüstet dreht sich mein Kopf in seine Richtung. "Fick dich!" Mit einer flachen Hand schlage ich ihm gegen die Schulter, was ihm ein Kichern entlockt. "Ich wusste, dass ich so wieder zurückholen kann!" Ein Grinsen schleicht sich auf sein Gesicht. "Willst du mir jetzt erzählen, was du da gesehen hast?"

In der Zwischenzeit hatte es angefangen zu regnen und die Scheibenwischer seines Range Rovers haben alle Mühe, die Regentropfen wegzuwischen. "Wenn ich es dir jetzt erzähle, versprichst du mir, ruhigzubleiben? Ich will nicht, dass du auf nasser Straße einen Wutanfall bekommst!" Nur die Straßenlaternen beleuchten die Straßen und ich bin glücklich darüber, dass diese so leer sind. Es herrscht eine angenehme Stille auf der Autobahn und ich wünsche mir gerade nichts sehnlicher, als jetzt zu schlafen.

Infinity |H. S.|Where stories live. Discover now