Kapitel 62

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Kapitel 62

Endlich ein Klopfen. Marie stieß das Wasserglas um, als sie nach dem Handy griff. Die Flüssigkeit breitete sich auf der Arbeitsplatte aus, lief runter auf den Boden. Egal. Sie nahm das Smartphone, das zum Glück trocken geblieben war, und entsperrte es.

Julian: Alles gut, wirklich. Wir sind auf dem Weg zu mir jetzt, ist näher. Felix meldet sich gleich. Keine Sorge!

Keine Sorge? Warum meldete Felix sich nicht direkt bei ihr? Was, verdammt noch mal, war da los? Marie machte einen Schritt nach rechts und stand barfuß in der Wasserpfütze. Sie schaute aufs Handy. Warten. Sie musste warten. Sie holte einen Putzlappen aus der Besenkammer und wischte damit den Boden, kniete sich hin, weil es nicht anders ging. Dann kam sie wieder auf die Beine, trocknete mit einem Geschirrtuch die Arbeitsplatte. Einatmen, ausatmen. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Das musste ein Alptraum sein. Sie kniff sich selbst in den Unterarm, schlug ihre Nägel so tief in die Haut, dass kleine, rosafarbene Halbmonde zurückblieben. Kein Alptraum. Okay. Aber Julian hatte geschrieben, dass alles gut sei. Er würde sie nicht anlügen, oder?

Sie wusste nicht, was sie machen sollte, ging ins Wohnzimmer und rückte die Bücher im Regal dort zurecht. Sie musste sich beruhigen. Sie musste warten. Es war mitten in der Nacht, aber sie war nicht mehr müde. Dennoch hatte sie Angst, dass sie einnicken würde, wenn sie sich wieder hinlegen oder sich auch nur setzen würde. Es dauerte ewig, bis ihr Handy endlich wieder einen Laut von sich gab. Sie hatte es auf das Regal gelegt, griff danach und ließ es fast fallen, hielt es dann aber doch fest in der Hand. Felix rief an. „Hallo?", fragte sie.

„Hey." Er hörte sich an, als würde er lächeln.

„Hey", sagte sie, erleichtert, dass er es wirklich war. „Was... Gott, was ist denn los bei euch?"

„Weiß gar nich, wo ich anfangen soll. Und... ich bin betrunken. Hab ick dir dit schon gesagt? Ja, oder?"

„Ja, hast du. Und das ist ja auch okay. Also... Mann, Felix, kommst du klar? Was war denn da? Du hattest Streit mit irgendwem, oder? Du warst auf einmal weg."

„Ach so das, ja. Äh... ja, keine Ahnung, war vor der Bar und die waren auf Stress aus. Wollten Feuer und waren total aggro dann. Sind mir richtig auf die Pelle gerückt und... äh... ja, dann kamen Julian und die Jungs aber und... ja."

„Scheiße, ihr habt euch geprügelt?"

„Nee, würde ick so nich sagen." Er sprach sehr langsam. „José hat einen von denen... zurückgeschubst, als der sich aufgespielt hat und ihm zu nahe gekommen ist. War aber echt ein Versehen, dass der dann gestolpert ist und Matzes Bein da noch im Weg war. Na ja, wir sind dann aber... schnell weg da. Der Abend war eh gelaufen."

Marie atmete durch. „Mann!" Sie ging zum Sessel und setzte sich nun doch. Ihre Knie kamen ihr zittrig vor. „Was machst du denn, hm? Und... kannst du dir nicht denken, dass ich mir Sorgen mache, wenn du so plötzlich weg bist?" Sie legte eine Hand auf ihren Bauch. „Und dann schreibt Julian mir, anstatt dass du dich direkt meldest und... sorry. Ich bin ja froh, dass es dir gut geht."

„Dachte, mein Handy is kaputt. War runtergefallen da. Aber... ging dann doch wieder an. Hatte sich komplett ausgeschaltet, dit hatte ick aber nich gecheckt irgendwie und...lädt jetzt. Und... ja, waren halt erst mal im Taxi und alle waren total drüber. Ey, wir sind alle mittlerweile Mitte dreißig. Sieht so aus... also... so ne Nacht in der Bar is nüscht mehr für uns. Und dann noch die Beinahe-Prügelei. Boah, die waren sicher auch auf irgendwas drauf, die... Hurensöhne. Scheiße." Felix stöhnte.

„Kopfschmerzen?", fragte Marie, weil es sich für sie genau so anhörte. Sie sah regelrecht, wie Felix die Augen zusammenkniff.

„Morgen Kater des Todes, safe."

Quite Suddenly (Felix Lobrecht FF)Where stories live. Discover now