Kapitel 29

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Kapitel 29

Marie hatte ihre Sonnenbrille geholt, denn es war viel schöner und sonniger draußen als gedacht. Auf der Terrasse standen zwei Liegen sowie ein Tisch mit vier Stühlen, alles aus offenbar der Witterung trotzendem Holz. Sie hatte ihre Sauerstoffvorräte längst wieder aufgefüllt und konnte klarer denken als zuvor. Sie hatte sich auch über die Aufgabe Gedanken gemacht. Sie wusste nicht, ob das was für sie war, aber sie würde es versuchen. Jetzt fragte sie sich allerdings langsam, wo Felix blieb. Sie streichelte ihren Bauch und wandte den Kopf nach links, in die Sonne, um einen Augenblick die Wärme voll auszukosten. Dann endlich hörte sie etwas von drinnen und stand auf. An der Terrassentür traf sie auf Felix. "Wir können auch draußen sitzen", schlug sie vor.

"Äh... ja, warum nicht? Äh... Fränki hat eben noch angerufen, da hab ick grade geantwortet. Er... äh, also er lässt dich grüßen."

"Danke." Sie schlüpfte an ihm vorbei in das dunkle Wohnzimmer.

"Bist du denn fertig mit deinen Vorbereitungen?", fragte er. "Von wegen Rollentausch? Wenn dir dit zu schwer fällt, können wa dit ja überspringen, oder?"

Marie sah ihn an und fragte sich, ob ihm die Vorstellung unangenehm war. Vermutlich. Vermutlich war es das für sie beide. "Ich würde es gerne gleich versuchen, dann haben wir's hinter uns." Sie schnappte sich ihr Glas, das Wasser und den Saft und sah, dass Felix ebenfalls die Sachen vom Tisch sammelte, die sie draußen brauchen würden.

"Is echt schön jetzt", sagte Felix, als sie auf der Terrasse waren. "Dann können wa sicher och noch im Meer schwimmen in den nächsten Tagen."

"Mhm", machte Marie und musste mehrfach schlucken, weil da ein Kloß in ihrem Hals war. Irgendwie konnte sie gerade immer nur an den nächsten Tag, die nächste Stunde denken, was das Zusammensein mit Felix betraf. Sie wusste nicht, was mit ihnen beiden passierte, aber ihr war klar, dass alles fragil war zwischen ihnen.

Sie setzten sich an den Tisch und Marie war froh, dass sie ihre Arme aufstützen konnte, denn sie hatte den Verdacht, dass sie gleich anfangen könnte zu zittern. Nicht vor Kälte, sondern vor Aufregung. Sie goss Felix Wasser ein, ihr Glas halb mit Orangensaft, halb mit Wasser voll und nahm einen großen Schluck. "Äh...okay", sagte sie, als sie es nicht mehr länger herauszögern konnte. "Bereit für... na ja, den Rollentausch?"

"Ja?" Felix hob die Schultern und lächelte. "Mal sehen, wa?"

Marie nickte und nahm die Sonnenbrille ab, die sie gerade nicht brauchte. "Okay, ähm... was würdest du sagen, wenn ich... in nem selten dämlichen und schwachen Moment auf Marcels Anmachversuche eingegangen wäre?" Fuck, das fühlte sich wirklich stümperhaft an.

Felix musste offensichtlich ein Grinsen unterdrücken. "Äh... der Typ? Nee. Also ehrlich, dit wäre doch Masochismus von dir, wenn du mit dem wat angefangen hättest. Also sorry, aber dit is einfach..." Er stieß die Luft zwischen den Zähnen aus.

"Zu realitätsfern?", hakte Marie nach. Und als Felix nickte, stimmte sie ihm zu. "Ja, dachte ich mir."

"Ich weiß, ich muss mich darauf einlassen, aber..."

"Ja, ist schon okay. Ich streng mich mehr an, ja?" Sie räusperte sich und nahm erneut einen Schluck von ihrem Getränk. "Okay, vielleicht gab es einen Grund, warum ich damals nicht wollte, dass du von dem Treffen mit meinem Ex in Köln erfährst. Ich meine, ich wollte da einfach kein großes Ding draus machen. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich dachte ja auch, dass das einfach so etwas ist, was ich machen muss, um abzuschließen, dass wir einfach reden und dann ist aber auch gut. Aber als ich ihn da gesehen habe, da... war es eben schon so, dass das ein echt schönes Gefühl war. Wir hatten ja nicht nur schlechte Zeiten, ja? Da waren auch viele schöne Erinnerungen. Das Wiedersehen... war jedenfalls viel weniger steif und förmlich, als ich erwartet hatte. Eigentlich war mein Ex ja immer sehr distanziert. Aber... na ja, er hat eben auch an sich gearbeitet und... da war schon ein Fortschritt zu erkennen. Er war... sehr offen. Nicht nur im Gespräch. Ich hatte das bei ihm noch nie so erlebt, dass er so... na ja, meine Nähe gesucht hat. So offensiv. Und so... na ja, in der Öffentlichkeit. Er hat mich umarmt und... das war schon ziemlich gut." Marie sah Felix an in die Augen. "Nicht so gut wie bei dir natürlich. Aber für seine Verhältnisse... Na ja, jedenfalls... hat er mich zum Abschied dann auch geküsst. Nichts was ne Altersfreigabe erfordert hätte, aber... das war auch kein freundschaftlicher Kuss. Und... also als du dann so ausgetickt bist - völlig berechtigt - da hab ich dir das eben nicht gesagt. Also, was passiert war. War ja eigentlich nichts. Gut, wir haben danach halt weiter geschrieben, vielleicht auch ein bisschen... na ja, flirty schon, aber... also sonst war da nichts. Wirklich."

Quite Suddenly (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt