Kapitel 26

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Kapitel 26

Es war windig, kalt und ziemlich dunkel für die Tageszeit, als sie an ihrem Ferienhaus ankamen. Marie machte den Reißverschluss ihrer Jacke zu, sobald sie aus dem Auto gestiegen waren. Die Haare, die sich im Laufe des Tages aus ihrem Zopf gelöst hatten, wurden ihr ins Gesicht geweht. „Herrlich!", sagte sie und grinste Felix ironisch über das Autodach hinweg an.

„Ja, ey, aber... dit wird sicher noch besser. So ab morgen, ganz sicher."

„Mhm." Marie strich sich die Strähnen hinter die Ohren und nahm ihre Tasche aus dem Auto, ehe sie die Tür schloss und zum Kofferraum ging. Sie öffnete ihn und ließ Felix die Koffer herausnehmen, nahm selbst einen Rucksack und ihr neues Kissen, ehe sie Felix folgte. Das Häuschen war rundherum von einer Hecke umgeben. Das Auto hatten sie auf einem markierten Platz direkt an der Zufahrt geparkt. Felix schob das Gartentor auf und ließ Marie rein. Das einfache, rot verklinkerte Haus wirkte vermutlich bei Sonnenschein recht einladend, mit den vielen Blumentöpfen und dem Reetdach. Aber gerade wusste Marie es nur zu schätzen, dass der Eingang sich im Windschatten befand. Felix stellte die Koffer ab und betrachtete die Schlüsselbox. Er nahm sein Smartphone und suchte offenbar im Mailverkehr mit dem Vermieter nach der Kombination, fand sie und öffnete den Tresor. „Jackpot", sagte er.

„Na, hoffen wir mal." Marie zog die Schultern hoch, weil sie gerade doch noch eine Böe getroffen hatte.

Felix schloss die Tür auf und ließ Marie den Vortritt, die eilig die Sachen abstellte und dann zielsicher die Tür zur Toilette fand. Als sie wieder rauskam, grinste Felix. „Ey, endlich bin mal nich ich derjenige, der immer direkt pissen muss."

„Ja, ja, sehr lustig." Marie stieß die Luft aus. „Weiß auch nicht, was das jetzt soll. Hoffe, das bleibt nicht so. War sicher nur die Aufregung." Tatsächlich war heute während der Fahrt fast immer sie diejenige gewesen, die nach einer Raststätte mit hygienisch unbedenklichen Toiletten Ausschau gehalten hatte. Es war wohl einer der Gründe, warum sie weitaus später angekommen waren als gedacht. „Okay." Sie nickte. „Sieht doch ganz... nett aus hier, oder?"

„Mhm." Felix hatte bereits die Lichter in den angrenzenden Räumen eingeschaltet. Sie hatten Glück gehabt, dass sie das Häuschen so kurzfristig hatten mieten können. Felix hatte sich eine ganze Nacht um die Ohren geschlagen, weil er ein schönes und komfortables Feriendomizil gesucht hatte. Ein Hotel war nicht infrage gekommen. Bei dem, was sie vorhatten, war es wichtig, dass sie ihre Ruhe hatten und jeder etwas, das die Therapeutin einen "Safe Space" genannt hatte. Das Haus war erst im letzten Jahr renoviert und völlig neu eingerichtet worden. Die Räume waren klein, aber hell und freundlich, ohne unnötigen Schnickschnack. Eine weiße Küche mit anschließendem Wohnbereich, das Bad und ein Schlafzimmer im Erdgeschoss. Oben befanden sich noch ein zweites Bad und ein zweites Schlafzimmer. „Ich find's schön", urteilte Marie, nachdem sie alle Zimmer kurz begutachtet und wieder vom ersten Stock ins Erdgeschoss gegangen waren.

„Yo, is okay. Ist eben kein Fünf-Sterne-Hotel und wir sind hier nich in Monaco, aber dit is ja och gut so."

„Mhm."

„Jut, ähm..." Er fuhr sich durch die Haare. „Ick hol mal den Rest aus dem Auto, ja? Kannst in der Zwischenzeit schon mal überlegen, welches Schlafzimmer du haben willst."

„Mhm."

„Biste schon müde?"

„Hm?" Marie sah ihn fragend an. Dann verstand sie. Ihre Augen fühlten sich geschwollen an und im Badezimmerspiegel hatte sie eben etwas blass ausgesehen. „Ach so, nee, nur war eben ne lange Fahrt. Ich würde gerne kurz die Beine hochlegen und dann können wir aber gerne noch mal raus gleich."

„Klingt nach nem Plan."

Marie fröstelte, als er erneut die Haustür öffnete. Sie holte ihre Adiletten aus ihrer Tasche und wechselte die Schuhe, ehe sie ins Wohnzimmer ging und sich auf das Sofa setzte. Nur mal kurz ausruhen. Sie zog die Beine hoch und machte es sich bequem, so gut es ging. Als sie die Augen schloss, sah sie die Autobahn vor sich. Die Fahrt war gut gewesen. Seltsam allerdings auch. So viel Zeit auf wirklich engem Raum zusammen. Felix hatte weitestgehend die Musik bestimmt, weil Marie ohnehin noch nicht wirklich wieder einen Zugang dazu gefunden hatte. Sie hatten viel geschwiegen, aber ab und an auch dafür gesorgt, dass derjenige, der gerade fuhr, gut unterhalten wurde. Felix hatte ihr ein paar neue Ideen für Bits gepitcht und sie ihm ihre neue Romanidee erläutert. Sie hatten das große Wir geschickt umschifft, nicht über sich oder eine mögliche gemeinsame Zukunft geredet. Aber das war ja gut so, dazu würden sie noch früh genug kommen. Marie öffnete die Augen und schaute nach draußen, in den Garten, in dem ein knorriger Apfelbaum vom Wind durchgerüttelt wurde. Hier also würden sie einen letzten Versuch starten. Sie war aufgeregt und etwas skeptisch. Aber sie würden sich beide darauf einlassen müssen. Sie hörte die Haustür, blieb jedoch einfach liegen. Ja, sie war faul. Wenn das so weiterging, würde sie sich im letzten Trimester nur noch bedienen lassen. Seufzend schwang sie sich auf, sodass sie wieder eher saß als lag.

Quite Suddenly (Felix Lobrecht FF)Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang