Kapitel 20

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Kapitel 20


„Sollen wir... ich weiß nicht... und... ja." Felix stand unschlüssig im Wohnzimmer, spielte an seiner Goldkette und schaute Marie an, die selbst noch entschlusslos an der Balkontür stand und diese schließlich öffnete. Frische Luft. Sie rechnete fest damit, dass sie gleich Atemprobleme bekommen würde. Und das war nicht gut. Sie musste dem soweit es ging vorbeugen. „Was meinst du denn? Also..."

Marie sah ihn an. Klar war er nervös, wie sie. Und sie wusste auch nicht, wie sie nun anfangen sollten. „Keine Ahnung", sagte sie leise. „Vielleicht... Nein. Nein, das macht mich nur noch nervöser. Dich sicher auch. Lass es uns... lass es uns jetzt hinter uns bringen und... ja, ich weiß auch nicht."

„Äh ja, gut... warte. Also, setz dich schon mal, ja?"

Sie hörte, wie er im Bad verschwand, wo er vor fünf Minuten erst gewesen war. Sie setzte sich hin, nicht auf das Sofa, sondern auf ihren Sessel. Es war ausgeschlossen, dass sie jetzt Felix' Nähe suchen könnte. Sie schaute hinaus. Das Grün der Bäume war regelrecht explodiert in den letzten Tagen. Es war so ein schöner Tag. Bis jetzt. Vielleicht war das ein Fehler. Vielleicht sollte sie diese Wunde nicht aufreißen, auch wenn sie wusste, dass sie so, wie sie war, nie verheilen würde. Sie mussten irgendwie damit umgehen. Wenn nicht für sich selbst, dann für das Kleine. Sie wollte nicht, dass es von den Spannungen etwas mitbekam. Weder jetzt noch später. Also musste das geklärt werden. Und ihre Mutter hatte recht: Marie musste verzeihen, in irgendeiner Form. Sie wusste nicht, ob sie dazu in der Lage sein würde. Sie hoffte, dass sie Felix hiernach nicht hassen würde. Das wäre das Schlimmste überhaupt. Ihn zu hassen. Oder sich selbst. Sie hörte ihn im Flur. Aber er kam nicht, ging offenbar in die Küche. Dann kam er zurück, einen Wasserkrug und zwei ineinander gesteckte Gläser balancierend. Er stellte alles auf den Couchtisch, schenkte aus und gab Marie ein Glas.

„Danke", sagte sie.

Er nickte und setzte sich auf die Couch, schaute Marie kurz an, rutschte dann weiter nach vorne, stützte die Ellenbogen auf seinen Oberschenkeln ab, richtete sich wieder auf, nahm sein Glas, trank es halb leer, rückte seinen Nasenring zurecht, ehe er sich wieder abstützte und auf den Boden starrte, während er seine Hände rieb.

„Du machst mich nervös", sagte Marie. „Und das bin ich eh schon."

„Ja." Er nickte, schaute sie an. „Ich auch. Ich hab dir gesagt, dass ich es dir erzähle, oder? Aber is nicht einfach, geb ick zu. Hab einfach Angst, dass... na ja , wie du reagierst und... weiß nich, ob ich noch mehr falsch machen, mehr kaputt machen kann."

Marie atmete durch, ließ ein Bein lang und zog das andere an, drehte sich noch etwas mehr auf die Seite, um Felix ansehen zu können, ohne dass ihr Nacken sich verspannte. Sie stellte ihr Glas ab und sank dann gegen die Rückenlehne. „Ich seh halt keine andere Möglichkeit. Du hast mich belogen, das ist klar. Wenn wir nie wieder was miteinander zu tun gehabt hätten, hätte ich mich zwar weiter gefragt, was du getan hast, aber es wäre wohl irgendwann... egal gewesen. Aber jetzt? Ich will mich nicht ständig fragen, wie es gelaufen ist. Ich will nicht diese fast schon krankhaften Tagträume in meinem Hirn haben, sobald ich dich sehe. Ich will es einfach wissen, ja? Damit ich mir nicht selbst was ausdenken muss. Verstehst du das?"

„Ja." Er hatte die Brauen hochgezogen und rieb mit den Fingern der einen Hand über die Innenfläche der anderen, immer wieder. Er fixierte den Tisch vor sich. „Ich war nie... na ja, ich würde sagen, ich war einfach nie besonders gut darin, treu zu sein. Ich kann noch nicht mal sagen, warum. War nicht so, dass ich die Frauen, also meine Freundinnen, nicht geliebt habe, aber... war mir halt irgendwie egal oder... nein, nich egal, aber es war irgendwie... einfach. Ja, einfach. Weil ich oft... na ja, ick hab selten mit einer zusammen gewohnt, war also... na ja, war fast unmöglich, dass sie das mal gemerkt hätte. Ich bin und... war da nie stolz drauf, aber es hat halt einfach immer geklappt. Ich hab mich nie bewusst entschieden dafür, ne Freundin zu betrügen. War nur einfach... na ja, ick hatte da halt Gelegenheiten, ja. Und... ja, ick hatte Bock auf Sex dann. So einfach."

Quite Suddenly (Felix Lobrecht FF)Where stories live. Discover now