Kapitel 24

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Kapitel 24


„Und das verzeihst du ihm?" Die Skepsis in Lucias Stimme war nicht zu überhören.

Marie faltete eine Unterhose und legte sie auf den Stapel. „Nein, das tue ich nicht. Noch nicht. Ich weiß noch nicht... na ja, wie der Prozess dann abläuft. Aber... also ich hoffe, dass ich ihm verzeihen kann, ja." Sie merkte, dass sie automatisch in Richtung Kommode gesprochen hatte, wo das Smartphone lag. Sie hatte sich noch nicht so ganz daran gewöhnt, mit Kopfhörern zu telefonieren. Aber gerade war es wirklich praktisch, weil sie noch so viel zu tun und keine Hand frei hatte.

„Meinst du denn, er hat dir jetzt die Wahrheit gesagt?" Da war irgendein Klappern im Hintergrund zu hören und Lucia räusperte sich.

Marie seufzte. „Nein. Also, ich weiß es nicht, aber ich glaube ihm erst mal definitiv nicht alles, was er sagt. Ist ja klar. Aber... also was er so erzählt hat, das lässt ihn einfach schon in keinem guten Licht dastehen. Ich glaube, er hätte das wesentlich harmloser darstellen können, alles. Von daher... ich denke, ich erkenne seinen guten Willen an."

„Ja, schön und gut, aber... also du hast eben gesagt, dass da mehrere Frauen waren, ja? So... du hast das Mehrere so komisch betont."

„Hm." Marie ging an den Kleiderschrank und öffnete die Türen. „Ja. Ich weiß noch immer keine genaue Zahl. Aber er wohl auch nicht. Und... ja, sind zu viele, so oder so."

„Zweistellig? Dreistellig?"

Marie atmete langsam aus und legte sich eine Hand auf den Bauch. „Zu viele, Lucia."

„Pfff... zu knas einfach. Wenn er dich jetzt einmal im... Affekt betrogen hätte, aber das? Seriöst?"

„Na ja. Die ersten fünfzehn Male hab ich ja nichts mitbekommen. Und ich hab ihn nur einmal erwischt. Das gibt... also ich würde sagen, ich gewähre ihm sozusagen so was wie einen Mengenrabatt."

„Ist das Galgenhumor oder so?"

„Weiß nicht." Marie nahm einen Stapel Shirts aus dem Schrank und legte diesen auf dem Bett ab. „Ich weiß es nicht, Lux. Klar ist das alles krass. Und es ist frustrierend, auch, weil er mir keinen Grund, kein Warum nennen kann. Na ja, schätze mal... weil er ein Mann ist. Obwohl... weiß nicht, sind alle Männer so? Ich hoffe nicht. Echt. Aber... ja, das ist jetzt eben seine zweite und letzte Chance. Und... also so gesehen... weiß nicht, vielleicht sind ein paar unbedeutende One Night Stands besser, als wenn er mich die anderthalb Jahre über mit ner Zweitfrau betrogen hätte. So mit... Gefühlen und allem. Ich vermute mal, das wäre viel schlimmer."

„Hm", machte Lucia kritisch. „Du wirkst so... abgeklärt. Oder redest du dir gerade alles schön?"

„Nichts ist schön", stellte Marie klar. „Ich... ich glaube, ich weiß es einfach zu schätzen, dass er sich bemüht, ja? Ich meine... gut, ich hab da halt auch so ein paar schlechte Beispiele in meiner Vergangenheit. Mein Ex hat sich während unserer Beziehung nie entschuldigt, war sich keiner Schuld bewusst. Und dann mein Vater, der die Schuld immer nur bei meiner Mutter oder mir oder der bösen, bösen Welt gesucht hat. Also, da ist Felix schon... wesentlich reflektierter. Und das halte ich ihm schon zugute. Aber... ja, so der Gedanke an diese Frauen... ist immer wieder ein mulmiges Gefühl, ja."

„Und was ist mit dieser... Esther?"

„Mit der hatte er früher öfter mal was. Also... vor uns. Und dann... na ja. Und... Lucia, ich weiß, du meinst es gut. Aber glaub mir, ich bin selbst so... vorsichtig, so argwöhnisch, ob er wirklich die Wahrheit sagt jetzt, dass ich denke... ey ein Anzeichen, dass er lügt und ich bin weg, ja? Auch wenn ich natürlich irgendwie hoffe, dass wir uns wieder zusammenraufen. Und ja, das ist vielleicht naiv, aber... fuck, ich liebe ihn. Und auch wenn er mich hintergangen hat – er war eben all die Monate vorher einfach der Richtige für mich. Klar gab es so kleine Krisen und Knatsch und wir haben uns gezofft. Aber... Lux, ich liebe ihn halt. Was soll ich machen? Ich muss es noch mal versuchen. Und... nicht nur wegen dem Kind. Aber das ist ein weiteres sehr starkes Argument. Nicht weil ich deswegen unbedingt wieder einen Partner an meiner Seite haben will oder weil das Kleine einen anwesenden Vater haben soll, sondern weil Felix... na ja, ich nehm ihm einfach ab, dass er das sehr doll will: eine Familie mit mir. Er will mit mir zusammen sein. Er hat... na ja, dazugelernt. Hoffe ich. Das sagt er. Und nein, ich glaube ihm das noch nicht ganz, aber... ich glaube, dass er es schon ehrlich meint. Nur ob er es schafft, treu zu sein, meine ich, das... also da bin ich eben... mal abwarten."

Quite Suddenly (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt