Kapitel 46

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Kapitel 46

Sie saßen am Esstisch. Marie begann die Nudeln, die Felix am Vortag gekocht hatte, mit Konzentration und Pflichtgefühl zu essen. Von den Falafeln wollte sie sich lieber fernhalten. Irgendwie hatte sie nicht nachfragen wollen, woher genau er die Bällchen besorgt hatte, aber die Vorstellung irgendwas von einer fremden Person Zubereitetes zu essen, löste in ihr eine seltsame Ablehnung aus. Sie wusste nicht, woher das kam. Vielleicht wieder so ein Schwangerending. Bisher hatte sie sich da nicht verrückt machen lassen, sich nur an die Basics gehalten: kein Alkohol, keine rohen tierischen Produkte. Sie hatte nicht viel ändern, nicht viel beachten müssen dafür. Aber jetzt machte sie sich einen Kopf. Vielleicht auch nur, weil sie in anderen Bereichen wieder misstrauisch war und ihre Ängste sie in den letzten vierundzwanzig Stunden so belasteten.

„Geht's dir wirklich gut?"

Marie sah auf. Felix schaute sie an. Er war offenbar fertig mit dem Essen. Sie selbst saß da mit der Gabel, die sie in den Pastahaufen auf ihrem Teller gesteckt hatte. Viel gegessen hatte sie bisher nicht. „Bin müde", nuschelte sie.

„Ach komm! Irgendwas ist doch. Was anderes", sagte Felix, nicht mal genervt, eher besorgt weiterhin.

Marie spießte zwei Penne auf und rieb sich mit der linken Hand über den Oberschenkel. „Hast du was anderes zu trinken? Irgendnen Saft oder so?"

„Ja, hab ich. Hol ick dir."

„Danke", sagte Marie leise und sah ihm nach, wie er Richtung Küche verschwand. Sie schob die Nudeln mit der würzigen, roten Sauce in den Mund und kaute. Eins nach dem anderen. Sie hatte den Mund voll, als Felix zurückkam und ihr ein zweites Glas hinstellte. Orangensaft. Sie nickte ihm zu und versuchte ein Lächeln. Er ließ sie aufessen. Sie schaffte den ganzen Teller, denn ihr Hunger schien mit jedem Bissen größer zu werden. Dann war sie fertig, atmete durch und trank das Glas mit dem Saft leer. „Besser", stellte sie fest und lehnte sich zurück. Sie sah Felix in die Augen. Er saß da und musterte sie. „Du fragst dich sicher, warum ich hier bin", sagte sie.

Er schwieg einen Moment, schien zu überlegen. „Na, eigentlich hab ick mich dit nich gefragt. Eigentlich hab ick mich einfach gefreut." Er lächelte.

Sie musste auch lächeln. „Ja..."

„Aber irgendwas ist ja", stellte er fest. „Also denke ich mal, du wolltest mich nicht einfach überraschen. Und du bist... komisch drauf irgendwie, dit merk ick, seh ick dir an. Du denkst. Und ick vermute fast, du hast zu viel nachgedacht, wa?"

Marie musste schlucken. „Ja. Und... genau darum geht es: darum, dich zu überraschen. Weil... ich das damals auch wollte. Vor Weihnachten, meine ich. Und jetzt... deswegen bin ich hier." Sie schaffte es nicht, ihn länger anzusehen, schob den Teller von sich und schaute auf die Tischplatte.

Felix schwieg eine Weile, aber dann sagte er: „Oh. Du meinst... weil du damals..." Er atmete ein und aus, Marie sah es nicht, aber hörte es. „Weil du mich damals überrascht hast und du mich erwischt hast, wolltest du jetzt.... Du vertraust mir nicht."

Es klang so traurig, dass Marie umgehend aufblickte, ihn ansah, auch wenn es ihr schwerfiel. „Ich weiß, das ist mies. Ich wollte... dir nicht hinterherspionieren, dich nicht kontrollieren. Ich... war so unruhig, hab die Nacht kaum geschlafen und...ja, mies, ich weiß."

„Ich bin derjenige, der mies war", machte Felix klar.

Marie presste die Lippen aufeinander. „Ich aber auch. So was macht man nicht. Aber... es musste sein. Es musste einfach sein. Ich musste hierherkommen. Ich wollte nicht hierher, in deine Wohnung, nach dem was... was ich da gesehen habe damals. Ich meine, ich wollte nie mehr her. Aber als du weg warst und ich alleine... da wollte ich eben doch herkommen. Es... das war wie ein Zwang. Ich wollte, dass es diesmal nicht so ist. Und irgendwie... irgendwie wollte ich aber auch, dass es so ist. Verstehst du?"

Quite Suddenly (Felix Lobrecht FF)Where stories live. Discover now