Kapitel 12

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Kapitel 12

Marie steckte den Zettel mit ihren Notizen in ihre Jackentasche, ehe sie die große Lagerhalle durchquerte. Sie schaute auf ihre Smartwatch. Heute machte sie wirklich Kilometer. Mit leeren Händen und einem Anflug von unbegründetem schlechten Gewissen schob sie sich an der Kasse an anderen Kunden vorbei und beeilte sich, ins Freie zu kommen. Der riesige Parkplatz erstreckte sich vor ihr, aber eine Sitzgelegenheit konnte sie nicht ausmachen. Sie zog ihr Handy hervor, schaute in WhatsApp und gab dann die Adresse ein, die sie von Felix hatte. Bisher hatte er ihr nicht wieder geschrieben, also war er wohl noch bei Tommi. Das war wirklich direkt um die Ecke. Felix hatte ihr noch auf der Autofahrt nach Köln Anweisungen gegeben. Offenbar war es nicht einfach so möglich, in das Gebäude reinzugehen. Sie fragte sich, ob es wirklich Fans gab, die das versuchen würden. Sie schaute auf die Karte auf ihrem Handy, ging ein paar Schritte, um zu sehen, ob sie die richtige Richtung eingeschlagen hatte. Sie hob den Blick, blinzelte in die Sonne. Es war kühl, aber ein wunderschöner Frühlingstag. Sie machte sich auf den Weg.

„Fünfter Stock, Studio Schmitt", teilte die Stimme im Fahrstuhl Marie mit. Gott, wie absurd war das denn? Noch ein Grund, nicht den Aufzug zu nehmen. Aber sie hatte unten nicht direkt das Treppenhaus entdeckt und es nicht riskieren wollen, sich hier zu verlaufen. Die Personen, denen sie unten begegnet war, waren ihr ungeheuer wichtig vorgekommen. Oder sie kamen sich selbst so vor. Nicht sehr sympathisch.

Sie trat in den Flur, las das Schild an der nächsten Tür. Ja, hier war sie richtig. Sie suchte noch nach einer Klingel, da sah sie durch das Glas hindurch, dass jemand auf sie zukam. Eine junge Frau mit aschblonden, lockigen, langen Haaren und einem eher schüchternen Lächeln öffnete ihr. „Hallo. Marie?"

„Äh, ja, genau." Sie nickte. Klar, der Portier oder wie auch immer man die Person da unten nennen sollte, hatte sie wohl angekündigt.

„Ich bin Lara. Hi. Die beiden sind noch am Aufnehmen. Du kannst mit in die Küche kommen vielleicht? Kaffee? Wasser? Saft? Alles da." Lara lächelte.

„Äh... ja, danke. Ich... folge dir einfach mal?"

„Ja, gut." Lara lachte.

Marie ließ die Tür hinter sich zufallen und musste schlucken, als sie sich umschaute. Das hier erinnerte sie irgendwie an eine sehr moderne Arztpraxis. Na ja, oder irgendein Hipster-Start-up. Viel Glas, alles hell. Sie zog ihre Jacke aus und hängte sie auf, als sie an einer Garderobe vorbeikamen. Man konnte in die meisten Zimmer hineinschauen. Die Küche war ein offener Raum mit einem riesigen Tisch, der sicher nicht nur zum Essen genutzt wurde, sondern auch für Besprechungen und sonstiges. Nachdem Lara ihr alles Relevante gezeigt und sich verabschiedet hatte, nahm Marie ein Glas und mischte sich Orangensaft mit Wasser. Sie stibitzte sich auch eine Banane von einem dekorativ angerichteten Obstteller. Nein, das war kein Mundraub. Lara hatte ihr gesagt, dass sie sich einfach bedienen konnte, alles gut. Sie aß und trank und merkte, dass ihr das guttat. Zögernd trat sie an eines der großen Fenster. Köln halt. Felix hatte ihr auf der Fahrt her erzählt, dass hier für einige Fernsehproduktionen gedreht wurde. Dunkel hatte sie sich erinnert, dass er auch mal für die Show mit Mai Thi hier gewesen war. Damals, als sie noch in Köln gelebt hatten. Sie sah das Treppenhaus vor sich und erinnerte sich, wie sie ihn das erste Mal dort gesehen hatte. Er war von oben hinunter gestürmt. So hatte alles angefangen. Sie schloss die Augen und sah Umrisse in einer Tür vor sich. So hatte alles geendet. Nein. Sie öffnete die Augen wieder, stellte das Glas neben sich ab und legte eine Hand auf ihren Bauch. Es hatte nicht wirklich geendet. Nicht so ganz.

Sie hatte sich gerade an den Tisch gesetzt, als sie glaubte, Felix' Stimme zu hören. Es war auch vorher nicht ganz still gewesen in den Büroräumen. Klar, hier wurde gearbeitet. Sie lauschte, konnte ihn aber nicht wieder hören. Nur eine Tür, vielleicht Schritte. Dann betrat Felix die Küche, schaute sich um. Als er Marie entdeckte, erschien ein Lächeln auf seinen Lippen. „Hey! Da bist du ja schon, gut."

Quite Suddenly (Felix Lobrecht FF)Where stories live. Discover now