Kapitel 9

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Kapitel 9

Er starrte. Warum starrte er nur so? Marie fühlte Übelkeit. Und sie wusste, dass das nichts mit ihrem Zustand zu tun hatte, sondern einzig und allein mit dieser Situation gerade. Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit diesem Schweigen, diesem langen Schweigen. Es machte ihr Angst. Und es ließ sie daran zweifeln, ob es das Richtige gewesen war, ihn über ihre Schwangerschaft in Kenntnis zu setzen. Aber jetzt wusste er es eben. „Ich... ähm", begann sie leise und zögernd, „ich dachte, du musst das wissen. Aber... wenn dir das zu viel ist, versteh ich das. Ich wollte dir das aber nicht verheimlichen. Das hätte ich unfair gefunden und..." Sie merkte, wie sie rot wurde und gleichzeitig begannen ihre Augen zu brennen. Da war so eine Leere in Felix' Blick, Ablehnung womöglich, ja, das musste es sein. Ablehnung oder Apathie. Sie wusste nicht, was schlimmer war. „Es ist von dir. Ich... hab es selbst erst letzten Monat gemerkt. An dem Tag, als ich in Berlin war. Also... vorher hab ich das so... ignoriert irgendwie und... da wäre es noch nicht zu spät gewesen. Für ne Abtreibung, meine ich. Aber darüber hab ich nur fünf Sekunden nachgedacht, ehrlich gesagt und... du musst damit nichts zu tun haben, wenn du nicht willst. Ich will dich nicht... erpressen oder so, ja? Du musst... gar nichts tun, wirklich. Ich wollte nur, dass du es weißt." Sie schniefte und merkte, dass ihr die Tränen inzwischen über die Wangen liefen. Sie suchte in ihrer Hose vergeblich nach einem Taschentuch, stand auf und lief in die Wohnung. Im Schlafzimmer putzte sie sich die Nase, ging dann ins Badezimmer, wusch sich die Hände und schaute in den Spiegel. Das war nicht so gut gelaufen. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte. Irgendwas eben. Jetzt erwartete sie am ehesten, die Wohnungstür ins Schloss fallen zu hören und dass der Mercedes kurz darauf mit quietschenden Reifen durchstartete. Vielleicht sollte sie ihm noch ein paar Minuten Zeit lassen, damit er verschwinden konnte, ohne dass sie sich noch einmal sahen. Aber sie hörte weder die Wohnungstür noch irgendwas anderes. Schließlich verließ sie das Bad wieder, ging hinüber ins Wohnzimmer. Felix saß noch immer auf seinem Stuhl auf dem Balkon. Sie ging hinaus und erschrak fast, als er aufstand und sich dann umdrehte. Direkt vor ihr stand er. Noch immer starrte er. „Du bist schwanger." Keine Frage, eine Feststellung.

„Mhm." Marie nickte.

Sein Blick verließ ihre Augen, wanderte an ihrem Körper hinab bis zu ihrem Bauch. Unwillkürlich legte Marie ihre Hände dorthin. „Man sieht nichts", sagte er leise.

„Na ja. Wenn man es nicht weiß." Marie zögerte, öffnete dann ihre Strickjacke, hob ihren Pullover an und nach kurzem Zögern auch noch das dünne Shirt, drehte sich etwas zur Seite und lockerte die Muskeln, so dass eine kleine Wölbung sichtbar wurde. „Nicht viel bisher. Könnte auch sein, dass ich einfach gut gegessen habe, aber... also ich war bei der Gynäkologin. Und ich hab es selbst gesehen. Und... es ist da, ja. Aber wie gesagt, du musst dich nicht kümmern oder so."

Er sah ihr wieder in die Augen. „Du hast an ne Abtreibung gedacht?"

„Nicht wirklich", gestand sie. „Weil... ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, aber... ich hab mich gefreut. Klar hatte ich erst Angst und... es war alles andere als ideal. Ausgerechnet. Aber... na ja, wir hatten ja darüber geredet und... es war kein Unfall, ja? Und das Kind ist nicht entstanden durch nen random One Night Stand. Das war... Liebe. In dem Moment, in dem es entstanden ist, wollten wir das beide. Da war noch alles in Ordnung oder fühlte sich jedenfalls so an. Also... nein, mir war nach nem kurzen Schock sehr schnell klar, dass das... zu mir gehört. Dass das mein Leben ist, verstehst du?"

Felix' Blick glitt wieder zu Maries Bauch. „Da drin ist also jetzt... unser... dein, nein, unser Kind, ja?" Er lächelte. Da war tatsächlich ein Lächeln.

„Du... ich dachte, du bist sauer auf mich", sagte Marie, etwas verwirrt.

„Sauer?" Felix sah sie an. „Warum sollte ich sauer auf dich sein? Das... das ist... Wahnsinn. Das... unser Kind. Da drin wächst unser Kind." Er lachte leise und schien dabei total gelöst. „Darf ich... darf ich mal?"

Quite Suddenly (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt