Kapitel 17

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Kapitel 17

Der Waldweg war voller Pfützen. In den Furchen, die die landwirtschaftlichen Maschinen und Forstfahrzeuge über die Jahre hinterlassen hatten, hatten sich ganze Tümpel mit braunem, schlammigem Wasser gebildet. Marie suchte sich vorsichtig einen sicheren Weg, wich oft zwischen die Bäume aus, wo der Boden weich war, aber ohne Wasseransammlungen. Ab und an kam sie nicht weiter und musste ein paar Meter zurückgehen, den Weg queren um eine andere Möglichkeit zu finden, weiterzukommen.

„Marie!"

Sie blieb stehen, hob den Blick, brauchte einen Moment, um zu verorten, woher der Ruf gekommen war. Dreißig Meter weiter, gerade vor einem dort beginnenden Hohlweg, stand Felix. Nein, er stand nicht mehr, er kam jetzt weiter auf sie zu, mit großen Schritten. Viel zu groß, zu schnell und zu unvorsichtig. „Pass auf! Nicht dass du ausrutschst", warnte sie ihn.

Tatsächlich hielt er nun kurz inne, vor einer Pfütze, die die Breite des gesamten Weges einnahm. „Mann! So ne Scheiße hier!"

„Ist nur Matsch", konnte Marie sich nicht verkneifen und lachte. Sie ging ihm weiter entgegen, abseits des eigentlichen Weges. Er sah es und kam auf ihre Seite, lief Slalom zwischen den Bäumen. „Morgen", sagte sie, als er nur noch zwei Meter entfernt war. „Was machst du denn hier?"

„Na, dit wollte ick dich grad fragen!" Er hatte die Stirn in Falten gelegt und schüttelte den Kopf, offenbar etwas aufgebracht. „Was soll das denn?"

Marie war einen Moment wie erstarrt, aber dann verstand sie. „Ich war vorsichtig, ja? Ich kenn den Weg ja. Und so schlimm ist es auch nicht. Halt ein bisschen Hindernislauf." Sie grinste.

„Find ick nich witzig", erklärte er. „Was denkst du dir denn?"

Marie wurde es kalt. Um ihre Schultern legte sich etwas wie eine eisige Klammer. „Äh... also ich... tut mir leid, ja? Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst. Ich... ich geh doch immer morgens meine Runde." Er hatte sie verunsichert.

„Weiß ich. Aber nach der Nacht? Dem Sturm und so?"

Marie atmete durch, versuchte, ihre kalten Schultern durch kreisende Bewegungen zu lockern und zu wärmen. Sie schaute zurück, den Weg entlang, den sie gekommen war. Ja, es war eine schlammige Angelegenheit. Als Kind hatte sie sich mal bei so einem Anlass die Gummistiefel angezogen und war durch die Pfützen gesprungen, bis sie bis in die Haare bespritzt gewesen war. Aber sie war kein Kind mehr. Und die Situation jetzt gerade war etwas besonders, das wusste sie. „Tut mir leid", sagte sie noch mal und schaute Felix an. „Du hast recht. Ich sollte aufpassen. Mehr als sonst, meine ich. Wobei... also ich fühle mich hier sicherer und weiß das besser einzuschätzen, als wenn ich jetzt in Kreuzberg auf der Straße unterwegs wäre." Sie stellte es sich vor: Sie mit riesigem Babybauch auf dem Kotti, auf dem Weg zum Rewe, ständig gefasst, irgendwelchen seltsamen Gestalten zu begegnen oder einem Auto- oder Radfahrer, der sich nicht an die Regeln hielt. „Ich brauchte einfach frische Luft."

„Is ja auch gut. Kannst ja raus. Ich meine nur... na... wenn du ausrutschst oder... wenn da irgendein Baum umgefallen ist oder so..."

„Ist nichts umgefallen. So schlimm war der Sturm ja nicht. Kein Orkan oder so. Aber... ja. Sollen wir zurück?"

Felix nickte und wartete, bis Marie bei ihm war, ehe sie zusammen den Weg nach Hause antraten. Marie achtete weiter genau auf ihre Schritte, aber oft war es Felix, der ihr einen Hinweis gab und testete, ob die eine oder andere Stelle besser geeignet war, um dort entlangzugehen. Irgendwie fand sie es rührend, aber es hemmte sie auch. Sie war doch gut klargekommen. Sie wusste nicht so genau, was sie nun davon halten sollte. Die meiste Zeit ihrer Schwangerschaft war sie hier alleine gewesen und würde es auch in Zukunft sein. Und dann würde sie sicher nicht auf ihre Spaziergänge verzichten.

Quite Suddenly (Felix Lobrecht FF)Where stories live. Discover now