Kapitel 23

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 Kapitel 23


Marie lenkte ihren Toyota die schmale, kurvenreiche Straße hinunter durch den Wald. Ein paar Radfahrer kamen ihnen entgegen, die sich den Berg hinaufkämpften.

„Okay. Ich verstehe, warum du nicht mit dem Benz fahren wolltest. Der hier hat ne bessere Kurvenlage, wa?"

„Definitiv, ja." Unten im Tal waren einige Autodächer zu erkennen. Aber nicht viele. Drei Kurven später fuhren sie auf den Wanderparkplatz und stiegen aus.

„Schön hier", urteilte Felix. „Nur... mal wieder Arsch der Welt, wa?"

„Die Woche über ist es hier ziemlich ruhig, ja. An den Wochenenden oder... Vatertag oder so ist es nicht ganz so schön. Also für mich jedenfalls."

„Hm." Er nickte und nahm den kleinen Rucksack aus dem Kofferraum.

Marie sagte dazu nichts. Sie hatte den Rucksack gepackt. Wasser und ein bisschen was zu essen. Aber sie war ganz dankbar, dass sie sich frei und ohne zusätzliche Last würde bewegen können. Sie schloss das Auto ab und zusammen gingen sie Richtung Bach. Der Pfad führte dort entlang. Abwechselnd war das Gewässer von Laubwald oder von einer Auenlandschaft umgeben. Ab und an waren Trittsteine oder einfache Holzbrücken installiert worden, über die man auf die andere Seite gelangen konnte. Aber sie beide verzichteten darauf und blieben am linken Ufer.

Anfangs dachte Marie noch darüber nach, was sie reden könnten. Aber sie spürte, dass Felix genau so in Gedanken war wie sie. Sie versuchte ihre abzustellen, indem sie sich auf die Landschaft konzentrierte, das Grün auf sich wirken ließ, das ruhige Plätschern des dahinfließenden Wassers. Als sie die Abzweigung in der Ferne erkannte und auf ihre Uhr sah, stellte sie fest, dass sie ziemlich genau eine dreiviertel Stunde gegangen waren, ohne miteinander zu reden. Abgesehen von ein paar Sätzen, als Felix sich einigermaßen begeistert gezeigt hatte, weil sie an einem Biberbau vorbeigekommen waren und dort auch tatsächlich zwei Tiere im Fluss gesehen hatten.

„Wir können gleich Pause machen", sagte Marie nun.

„Geht's dir gut?" Er hatte sich ihr im Gehen zugewandt, musterte sie.

„Ja." Sie lächelte. „Ich bin fit, wirklich."

Er nickte und Marie führte ihn nach rechts, ein Stück durch den Wald und dann auf eine Lichtung. Hier floss ein Zufluss und es gab einen kleinen Rastplatz. Felix ging direkt auf den Tisch mit zwei Bänken zu und stellte den Rucksack ab, holte Flaschen, Obst und Kekse hervor.

Sie saßen sich gegenüber, jeder auf seiner Bank, den Tisch zwischen sich und schwiegen wieder. Marie knabberte an einem Haferkeks und trank. Sie beobachtete Felix, der auf das Wasser schaute. Aber sein Blick schien nicht wirklich fixiert zu sein, ging eher durch den Fluss hindurch. „Ist nicht deins hier, oder?", fragte sie leise.

Er wandte sich ihr zu, drehte sich dazu auf der Bank. „Was? Doch. Find's schön hier. Hab ick doch gesagt."

„Ja, klar." Marie lächelte. „Ich meinte auch nur... das ist fremd für dich, oder? Zwei Welten. War das das Problem oder... na ja, ein Teil davon?"

Er runzelte die Stirn. „Dass wir verschieden sind, war irgendwie eher'n Vorteil. Ich denke... na ja, wir ergänzen uns irgendwie ganz gut und... bei manchen Dingen haben wir aber auch direkt gleich getickt."

Marie nickte langsam. „Ja, aber wenn ich früher nach Berlin gezogen wäre. Oder mit dir auf Tour..." Sie beendete den Satz nicht. Nein. Sie starrte auf den Tisch.

„Du hättest dich nicht ändern müssen, nich ändern können, damit ick anders bin, ja?" Er wartete, bis sie ihn ansah. „Dit is nich deine Schuld. Ick hab fremdgevögelt. Ick hab gelogen. Klar war dit nich immer einfach mit uns. Klar hast du deine Macken und es hat mich manchmal wahnsinnig gemacht, wenn du so zu warst, dich so eingeigelt hast. Aber dit war nie der Grund, ja? Ick hab nie gedacht: Scheiße, Marie erzählt mir nich, woher sie die Narben hat also brauch ick jetzt ne Bitch, die mich davon ablenkt. So war dit nich. Irgendwie... waren dit so... na dit war wie zwei verschiedene Lebensabschnitte für mich, ja. Wenn ick bei dir war, war ick bei dir. Dann gab's keine andere. Ick hab dich nich betrogen, wenn du da warst. Ick hab mit Esther nich rumgemacht, während du in der Wohnung warst und gearbeitet hast. Ick hab nichts mit random Chicks angefangen, wenn ick wusste, ick fahr am nächsten Tag zu dir nach Köln."

Quite Suddenly (Felix Lobrecht FF)Where stories live. Discover now