Kapitel 10

279 21 0
                                    

Kapitel 10

Sie sah zu, wie der weiße Mercedes vom Hof fuhr und verfolgte ihn mit Blicken, bis er hinter den Büschen nicht mehr zu sehen war. Ein paar Sekunden glaubte sie noch, ihn hören zu können, aber dann war es so still, wie es auf einem Bauernhof eben sein konnte. Sie schaute nach oben. Vorhin war der Himmel noch blau gewesen, aber nun hatte es sich zugezogen. Grau. Sie sollte schnell noch ihre Runde drehen, ehe es anfing zu regnen. Schon im Gehen machte sie ihre Jacke zu. Nur bis zum Wald, am Teich vorbei und dann zurück. Das dürfte sie noch sicher und im Trockenen schaffen. Erst zwischen den Bäumen dachte sie wieder seinen Namen. Felix. Da waren so viele Eindrücke, so viele Gedanken. Sie konnte das nicht für sich ordnen. Sie wusste nicht, was da war, wie es war. Sie zog ihr Handy hervor und schrieb Lucia.

Marie: Hej! Können wir gleich mal reden? Oder heute Abend?

Sie ging weiter, atmete bewusst ein und aus. Es war wirklich so verwirrend, was gerade passierte. Mit Felix. Aber auch mit ihr selbst. Sie hatte das Gefühl, dass sie unter Zeitdruck stand. September. Das war gar nicht lange hin. Sie würde...

Ein Ruck ging durch ihren Körper, als sie in ihrem bis dahin gleich bleibenden Bewegungsablauf gestoppt wurde. Sie stolperte, fand aber ihr Gleichgewicht bald wieder. Sie blieb stehen, drehte sich dann um, sah die Wurzel auf dem Waldweg. Sie kannte den Weg doch. Sie war so in Gedanken gewesen. Sie atmete aus und merkte erst da, dass sie die Luft angehalten hatte. Ihr wurde kalt. Was war das? Das war doch nichts gewesen. Nur ein kleiner Schreck, nichts weiter. Sie wandte sich wieder um und achtete aufmerksam auf den Weg, als sie nun weiterging. Es dauerte einige Meter, bis ihr bewusst wurde, dass sie ihre linke Hand auf ihren Bauch gelegt hatte. Sie musste lächeln. Alles gut. Sie würde jetzt besser aufpassen.

Es waren wieder mehr blaue Stellen am Himmel zu sehen, als sie an der Scheune ankam. Sie klopfte die etwas schmutzig gewordenen Stiefel sorgfältig auf der Matte ab, ehe sie das Haus betrat. Sie hörte es klopfen und nahm ihr Handy heraus.

Lucia: Hej! Ich bin ab fünf zu Hause. Ruf mich einfach an, wenn du dann kannst.


Marie hatte ihr Abendessen vorbereitet. In den letzten Monaten hatte sie ab und an wenig Appetit gehabt oder aber ungesunde Phasen durchlebt. Aber das hatte sich gebessert, spätestens seit sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte. Sie schob das Blech mit dem Gemüse in den noch kalten Ofen. Es war noch etwas zu früh, aber so würde sie später rasch nur zwischendurch den Herd anstellen müssen, egal, wie lange das Gespräch mit Lucia dauern würde.

Im Wohnzimmer trank sie noch einen Schluck Wasser, ehe sie sich auf die Couch setzte, die Beine hochlegte und sich ein paar Kissen in den Rücken stopfte, bis sie es bequem hatte. Sie nahm ihr Smartphone und rief Lucia an. Die nahm schon nach dem ersten Klingeln ab. „Hej!"

„Hej!" Marie lächelte. „Na? Wie geht's?"

„Och, kann mich nicht beschweren. Läuft alles gut, obwohl ich ja dachte, die neue Kollegin ist potentiell zickig. War sie aber gar nicht. Nur etwas unsicher, schätze ich mal. Und jetzt haben wir uns beschnuppert und für gut befunden. Ist ja auch besser, wenn wir zusammenhalten gegen diese geballte Testosteronflut hier."

„Das ist doch gut." Marie lächelte. „Freut mich wirklich. Und Paul?"

„Der arbeitet gerade zu viel." Lucia seufzte. „Aber ich verstehe ihn ja. Ist nur eben blöd, wenn wir uns kaum sehen, obwohl wir zusammen wohnen. Hatte mir das Ganze irgendwie auch romantischer vorgestellt."

„Hm, ja, verstehe. Aber die Wochenenden und so habt ihr ja noch zusammen, oder?"

„Javisst. Wir haben auch mehr. Ich hab eigentlich keinen Grund, mich zu beschweren. Hm... aber ich vermute mal, dass du nicht deswegen mit mir reden wolltest, oder? Wie ist es denn jetzt mit Felix gelaufen? Deine Nachrichten zwischendurch klangen ja gar nicht mal so schlecht, würde ich sagen."

Quite Suddenly (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt