Kapitel 53

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Kapitel 53

Marie zog die Haustür hinter sich zu. Sie sah Felix' Mercedes. Er glänzte in der Morgensonne. Ihr Toyota hingegen könnte noch mal eine Wäsche vertragen. Aber nicht heute. Sie wandte sich ab, ging in den Garten. Gestern hatten sie die Polster draußen gelassen. Sie befühlte sie. Leicht klamm. Aber das würde schnell wieder trocknen. Es hatte nicht geregnet, das konnte nur so etwas wie Morgentau sein. Sie nahm die Gießkanne und füllte sie an der Regentonne halb. Noch war da Wasser drin. Sie goss die Salatpflanzen und den einzelnen Kohlrabi im Hochbeet. Es sah alles gut aus. Sie schaute über die Wiesen und Felder. Der Mais war gewachsen. In der Ferne drehten sich die Windräder geräuschlos und ein Fischreiher flog vorbei, sicher auf dem Weg zu den Weihern im Wald.

Marie wandte sich ab, verließ den Garten, folgte dem Feldweg, streichelte dabei ihren Bauch. Nach und nach war die Strecke, die sie morgens lief, kürzer geworden. Das war okay so, sie machte das abhängig davon, wie es ihr ging und wie das Wetter war. Sie ließ ihre Schultern kreisen. Kein langer Spaziergang heute. Man merkte jetzt bereits, dass es wieder heiß wurde. Die Hühner waren schon unterwegs. Sie stoben aus der Hecke neben dem Hühnerstall, als Marie gerade dort vorbeiging.

„Tach."

Marie blieb stehen, schaute in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Eva, die fast weißen Haare geflochten und hochgesteckt, in Jeans und grünen Gummistiefeln und trotz der Temperaturen mit einem Flanellhemd über dem Shirt. „Morgen", erwiderte Marie, lächelnd und knapp.

„Willste Eier han?"

„Ja, gern."

Eva machte eine Bewegung mit dem Kinn, die „Komm her!", bedeutete, und Marie folgte ihr, nahm den kurzen Trampelpfad zum Hühnerstall. Auf der Bank daneben waren die Pappträger für die Eier gestapelt. Drei Stück waren es. Eva nahm einen kleineren Karton mit Deckel, befüllte ihn mit zwölf Eiern und gab ihn Marie. „Do", sagte die alte Frau. „Oder brucht ihr noch mih?"

Marie schüttelte den Kopf. „Nä, dat reicht. Danke."

Eva nickte und zeigte dann auf Maries Bauch. „Is och bal soweijt, woah?"

„Anfang September", sagte Marie.

Eva nickte, nahm die restlichen Eier und verschwand ohne ein weiteres Wort.

Marie war froh, dass sie nun eine gute Ausrede hatte, schon wieder den Rückweg anzutreten.


In der Wohnung war es noch still. Sie stellte die Eier in den Kühlschrank, schloss die Läden in der Küche, wo jetzt schon die Morgensonne reinknallte. Dann schaute sie kurz ins Schlafzimmer, sah, dass Felix noch schlief, schloss die Tür leise wieder, ging ins Arbeitszimmer. Sie setzte sich an den Schreibtisch, startete den Laptop, schaute auf ihre Notizenwand und dann in den blauen Himmel. Ein schöner Tag, ja. Aber nicht zum Schreiben gemacht. Sie schaute in ihre Mails, wurde an die Nachrichten via Instagram erinnert. Sie öffnete die Anwendung, auch wenn diese auf dem Laptop wesentlich unpraktischer zu händeln war als auf dem Smartphone. Aber dort hatte sie die App deinstalliert, genau wie Felix es getan hatte. Sie würde nicht auf sein Profil gehen, sich nur um die DMs an E. M. Jansen kümmern, ihrem Alter Ego als Autorin.

Ich weiß, wer Sie sind", stand in einer der DMs nach einer kurzen, freundlichen Begrüßung. Marie hatte einen kalten Kloß im Hals, aber dann überflog sie den Rest der Nachricht und erkannte, dass die Frau, die ihr schrieb, einfach Spekulationen anstellte, welche andere, bekanntere Autorin sich hinter dem Pseudonym verstecken könnte. Marie atmete durch. Einen Moment hatte sie wirklich gedacht, da würde ihr jemand schreiben, sie wäre als Felix Lobrechts Freundin enttarnt. Wie absurd, diese Befürchtung. Obwohl... wenn jemand wirklich nachforschte, die gegenseitigen Erwähnungen in ihren Büchern auf dem Schirm hatte, dann noch ein wenig herumstöberte und über Maries bisher einzigen öffentlichen Auftritt ausgerechnet in ihrer alten Arbeitsstätte stolperte... Nein. Da müsste schon jemand sehr besessen sein. Und sie hoffte, dass Felix nicht solche Fans hatte. Und dass richtige Journalisten sich mit wichtigeren Themen beschäftigten als herauszufinden, wer die Frau an Felix' Seite war. Sie las die DM zu Ende, entdeckte feinen Humor darin und nichts, was sie beleidigt hätte. Marie formulierte eine freundliche Antwort, in der sie nichts abstritt und nichts zugab. E. M. Jansen. Das war sie. Und selbst wenn ihr wahrer Name bekannt geworden wäre... Sie öffnete Google, schrieb ihr Pseudonym in die Suchleiste und dann ihren wahren Nachnamen. Kein Treffer. Gut. Dann schrieb sie E. M. Jansen und Felix Lobrecht. Verweise auf die Romane, auf die kleinen, positiven Kritiken, die sie sich gegenseitig geschrieben hatten. Sonst nichts. Dann googelte sie Felix Lobrecht Freundin. Großer Fehler, das wusste sie noch während sie es schrieb. Aber sie konnte ihre Finger nicht davon abhalten. Sie wechselte auf die News-Seite. Schlagzeilen über die von Felix selbst öffentlich gemachte baldige Vaterschaft, eine Schlagzeile, die meldete, dass er bereits vor einer Woche Vater geworden war. Marie musste grinsen und legte eine Hand auf ihren Bauch. Da hatte sie wohl was verpasst. Sie wechselte auf Alle, scrollte ein wenig nach unten. TikTok-Videos wurden angezeigt. Damit hatte alles angefangen. Sie klickte auf eines, das offenbar Felix' Story nutzte, in der er auf dem Sofa saß, mit dem Kissen unter dem Shirt. Sie nutzte die App nicht und sie wurde aufgefordert sich anzumelden. Niemals. Alternativ musste sie ein kleines Puzzle lösen. Okay. Warum? Egal. Das klappte. Dann konnte sie das Video sehen. Nichts mehr als das, was Felix gepostet hatte. Es war nur eine sentimentale Musik druntergelegt worden. Marie scrollte in die Kommentare. Die Namen waren allesamt nichtssagend, natürlich. Es hatte sich ein kleiner Schlagabtausch entwickelt.

Quite Suddenly (Felix Lobrecht FF)Where stories live. Discover now