Kapitel 13

307 17 2
                                    

Kapitel 13

„Marie?"

Sie blinzelte, sah Felix vor sich, der neben ihr kniete, in der geöffneten Beifahrertür. „Was?" Sie räusperte sich, richtete sich auf, wandte den Blick nach vorne, zur Frontscheibe. Sie waren zuhause, vor der Scheune. Es wurde langsam dunkel. „Fuck, bin ich eingeschlafen?" Sie gähnte.

„Sieht so aus, ja." Er grinste. „Hätte dich ja weiter schlafen lassen, aber ick hab keenen Schlüssel. Und auf Dauer wäre dit hier och unbequem für dich, wa?"

„Mhm." Sie löste den Gurt und rieb sich über die Augen. „Sorry. Ist nicht das erste Mal. Also, dass ich so wegdämmer. Passiert mir öfter in letzter Zeit. Liegt wohl an den Hormonen oder so."

„Na ja, bist früher auch schon mal unerwartet eingepennt", erinnerte er sie.

„Stimmt." Marie musste grinsen. Sie nahm ihre Tasche und stieg aus, nachdem Felix ihr Platz gemacht hatte. Sie gähnte schon wieder. „Fuck, sorry. Geht gleich wieder. Du musst ja echt ruhig gefahren sein."

„Hab mir Mühe gegeben. War nicht einfach bei den ganzen Schlaglöchern hier."

„Mhm." Marie schaute zum Kofferraum.

„Schließ du mal auf und sorg dafür, dass die Türen alle offen bleiben. Die Kartons bring ich rein."

Marie öffnete die Tür zum Rücksitz und schnappte sich ein Teil. „Das ist nicht schwer", erklärte sie. Die Auflage für die Kommode. Damit würde sie sich wohl kaum überlasten.

„Okay", brummte Felix.

Marie ging voraus ins Haus.

„Am liebsten würde ich sofort anfangen, das zusammenzubauen" erklärte sie, nachdem Felix alles im Flur und im Arbeitszimmer gelagert hatte.

„Wenn wir morgen fertig gestrichen haben, können wa ja loslegen", schlug Felix vor.

„Mhm, gut."

„Ich bekomm langsam Hunger. Wollen wir was bestellen oder aus der Stadt holen? Oder hattest du was geplant?"

„Veggie-Burger?" Marie sah ihn fragend an.

„Den, den du schon mal gemacht hast?"

„Mhm."

„Yo, der war lecker. Können wa gerne machen dann." Er lächelte.

Marie lächelte ebenfalls, aber sie bemerkte auch eine kleine Welle Traurigkeit. Was war das nur mit ihnen? So viele gemeinsame Erinnerungen, so viele gute. Und was war jetzt? Sie hatte fast den Eindruck, als spielten sie in einem Theaterstück. Sie taten so, als ob sie so lebten, so waren wie früher. Für uneingeweihte Außenstehende könnte es wirklich so wirken, als wären sie noch ein Paar. Eines, das weitestgehend auf Berührungen verzichtete. Aber dennoch.

„Ist dir nicht gut? Du wirkst auf einmal... na ja, etwas blass."

Marie sah ihn an. „War ein langer Tag. Bin vielleicht zu viel gelaufen. Und ich sollte was trinken." Sie wandte sich ab und ging in die Küche.

In der Nacht hatte sie nicht besonders gut geschlafen. Ab und an war sie aus dem Halbschlaf hochgeschreckt, weil sie der Gedanke überkommen hatte, dass sie sich auf den Bauch drehte und damit dem Baby schadete. Dabei hatte sie immer auf der Seite oder dem Rücken geschlafen. Absurd. Das mussten irgendwelche Ängste sein, die sie umtrieben. Vielleicht wegen der anstehenden zweiten Ultraschalluntersuchung. Oder wegen dem Besuch, der in ihrem Gästezimmer übernachtete.

Sie stand auf und zog die Rollläden hoch. Es war bereits hell genug, dass sie über die Felder schauen konnte. Neblige Schleier lagen über allem. Sie lauschte Vogelgezwitscher. Aber irgendwas kam ihr anders vor als sonst. Vielleicht weil der Frühling endlich kam. Sie ging kurz ins Bad, zog sich an und verließ dann das Haus, um ihre morgendliche Runde zu drehen, auf die sie nur selten verzichtete. Es war noch kühler als gedacht, die Luft von Feuchtigkeit durchdrungen. Erst im Wald fiel ihr ein, dass sie Felix eine Nachricht hätte hinterlassen können. Aber nein, er würde sich denken können, dass sie nicht weit weg war. Es war doch nur eine Art romantische Geste zwischen ihnen gewesen, diese Zettel und Botschaften, damit der andere sich nicht sorgte. Und dann... Willst du mit mir gehen? Das war ein anderer Zettel. Oder zwei, ja, es hatte zwei davon gegeben. Sie fragte sich, was aus denen geworden war. Sicher hingen sie auch in Berlin nicht mehr am Kühlschrank. Es war albern gewesen. Nein. Nein, es war süß gewesen. Es war ihr wichtig gewesen. Und ihm auch. Was war das? Wie hatte die Zeit mit ihm so schön sein und dann so abrupt enden können? Wenn er sie nicht mehr geliebt hätte, hätte sie es noch verstehen können. Aber so? Wie konnte er so lieb sein und sie gleichzeitig betrügen? Das ging nicht in ihren Kopf. Aber nein. Sie liebte ihn ja auch. Und gleichzeitig vermochte es niemand auf der Welt sie so traurig zu machen. Automatisch legte sie ihre Hand auf ihren Bauch. Kompliziert. Ja, das war ihre Situation.

Quite Suddenly (Felix Lobrecht FF)Where stories live. Discover now