Kapitel 1

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Update April2024: Ich stelle diese Story wieder online, weil einige Leserinnen danach gefragt hatten. Ich warne aber weiter jene, die hier vielleicht aus Versehen reingestolpert sind: Bitte lest vorher die Anmerkung in der Inhaltsangabe dieser Story. Das hier ist NICHT das Happy End. Es ist nur eine Möglichkeit. Es ist düster und traurig und emotional - also nicht für jeden Zeitpunkt und jede Stimmung zum Lesen geeignet.

Zur inhaltlichen und zeitlichen Einordnung: Diese Story hier beginnt im Dezember, nachdem Marie zu Felix gezogen ist.


Kapitel 1

Alle waren auf dem Weg nach Hause. Drei Tage waren es noch bis Heiligabend. Aber Marie hatte ein wenig das Gefühl, dass sie in entgegengesetzter Richtung unterwegs war. Nicht nach Hause, sondern weg davon. Sie war bei ihrer Mutter gewesen, ihren Großeltern. Und jetzt fuhr sie wieder nach Berlin, wo sie Felix zwei Tage eher als geplant ein wenig überraschen wollte. Aber es ging nicht nur darum. Sie vermisste ihn. Eine Woche war sie in ihrer alten Heimat gewesen, hatte die Adventsstimmung dort genossen, die sie zuvor in Berlin so ganz und gar nicht hatte finden können.

Der Mann neben ihr stand auf. Offenbar war Magdeburg seine Endstation. Selbst in der Ersten Klasse war es heute voll. Marie nahm ihr Handy aus der Tasche und schaute in den Chatverlauf mit Felix.

Marie: Nein, hier liegt kein Schnee. Und es wird auch die nächsten Tage hier nicht so kalt werden.
Felix: Gut. Wäre der Horror, wenn du wegen so nem Scheiß da nicht wegkommst.
Marie: Eis, Schnee, Hagel, Tornado – egal, ich komm auf jeden Fall wieder nach Berlin.
Felix: Pünktlich bitte! Mit dir sind die Feiertage sicher nicht ganz so schlimm wie sonst.
Marie: Oder schlimmer. Warte mal ab, vielleicht verwandle ich die Wohnung doch noch in ein Winterwunderland oder zwing dich dazu ein Rentier-Geweih aufzusetzen.
Felix: Hauptsache, du bist da.
Marie: Am 23. auf jeden Fall.

Sie merkte, dass sie lächelte und entspannte die Gesichtsmuskeln wieder. Sie war hier im Zug nicht allein und wollte nicht unnötig auffallen mit unnachvollziehbaren, sichtbaren Gefühlsregungen. Weihnachten. Mit Felix. Nicht wie sie es gewohnt war. Sie hatte es ihm versprochen, dass sie da sein würde, an seinem Geburtstag, an den Feiertagen. Er hatte vorgeschlagen, dass sie am ersten Weihnachtstag zu ihrer Familie in den Westerwald fahren könnten. Aber sie hatte sich dagegen entschieden. Marie fiel der Gedanke, an diesem Tag nun in Berlin zu sein, zugegebenermaßen schwer. Aber so war es nun eben. Es war richtig so. Manche Dinge musste man hinter sich lassen. Sie würde ihren Bruder deswegen ja nicht vergessen. Oder ihre Familie. Vermissen. Ja, sicher würde sie es vermissen, wie gewohnt zu feiern. Aber nun stand eben etwas Neues an. Sie freute sich auf das erste Weihnachtsfest mit Felix.

Draußen war es bereits dunkel. Sie war später losgekommen als gedacht. Aber so oder so wäre sie nicht vor dem Abend da gewesen. Sie hatte sich vorgestellt, dass sie einfach klingeln würde und dann Felix' erstauntes Gesicht sehen könnte. Aber sie hatte vergessen gehabt, dass er heute unterwegs sein würde. Weihnachtsfeier mit der Crew. Ein würdiger Abschluss für das stressige und erfolgreiche Jahr. Gut, dass er das gestern im Videochat noch mal erwähnt hatte, sonst hätte sie sich gefragt, wo er war. Aber das würde die kleine Überraschung, dass sie schon wieder bei ihm war, nur ein paar Stunden nach hinten verschieben.


Marie schob mit Mühe die Wohnungstür hinter sich zu und legte den Riegel vor. Sie ließ ihren Rucksack unsanft auf den Boden poltern, zog ihre Stiefel aus und schlüpfte in die Adiletten, die vor dem Schuhregal standen. Sie hielt inne. Nein. So würde er es direkt sehen, dass sie da war. Sie stellte die Adiletten wieder hin, nahm ihre Stiefel und öffnete den Schrank, um sie mit einem anderen Paar Hausschuhe zu tauschen. Gut. Sie ging noch einmal zur Haustür und entriegelte sie wieder. Felix hatte ihr zwar eingeschärft, die Sicherheitsvorkehrungen immer zu treffen, wenn sie in der Wohnung war, aber heute rechnete sie wirklich mit keinem Einbrecher mehr. Sie zog sich ihren Mantel aus und legte ihn kurzerhand in der Ferienwohnung aufs Bett, ehe sie sich den Rucksack schnappte und hinüber in die eigentliche Wohnung ging. Rasch packte sie im Schlafzimmer die wichtigsten Sachen aus, und stellte das Gepäckstück dann erst mal in eine Ecke. In den Keller würde sie heute nicht mehr gehen. Sie war müde.

Quite Suddenly (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt