90. Vanessa

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Noelia

Stumm führte ich Lydia durch die Anlage. Ich wusste nicht wie viele Wochen ich schon in diesen Wänden hatte arbeiten müssen. Aber da ich mich nicht mehr verlief waren es eindeutig zu viele.

Ich sah im Augenwinkel wie Lydia sich bei jedem Schrei mehr verspannte und ich wusste ziemlich genau woran sie dachte. Es könnte Eric sein. Ihr Sohn oder sonst jemand aus ihrer neuen Familie. Meiner Meinung nach war es auch das schrecklichste was unserer Chef ihr antun konnte. Sie hier zu Stunden zu zwingen. Zumindest musste sie nicht wie ich ihre meiste Zeit hier verbringen.

Vor einem der Untersuchungsräume blieb ich stehen. Durch ein Fenster konnte man in den Raum sehen. Die junge Frau, die vor ein paar Tagen her gebracht wurde hatte ihre Gliedmaßen zitternd um ihren Körper geschlungen. Ihre roten Locken lagen weit ausgebreitet auf dem weißen Kopfkissen und gaben ihrer hilflosen Ausstrahlung doch etwas mehr Stärke.

Leise schloss ich die Tür auf und ließ Lydia in den Raum treten um ihr dann zu folgen. „Normalerweise sind sie nicht nur angebunden.", sagte ich leise als ich Lydias Blick auf die Ketter wandern sah, die von dem Fußgelenk der Frau in die Wand führte.

„Vanessa.", hörte ich meine Freundin sagen als sie auf das Bettgestell zu ging. Sofort fuhr der Kopf der Frau in die Höhe. Ihre Augen hatten den apricot Ton verloren und ich sah zum ersten Mal ihre dunkelgrünen Iren. Dennoch lagen ihre Fangzähne auf ihrer Unterlippe als sie Lydias Namen sagte. Langsam näherte meine Freundin sich ihr und setzte sich dann auf das Bett.

„Es tut mir so leid.", hauchte Lydia leise und nahm Vanessas Hand in ihre. Die Rothaarige zwang sich zu einem traurigen Lächeln bevor sie sagte: „Du hast damit nichts zutun. Oder?" Sofort schüttelte Lydia unmerklich den Kopf und erwiderte: „Ich arbeite für sie." Dennoch war sehr klar, dass sie es nicht freiwillig tat. Dann ging ihr Blick deutend in eine Ecke des Raumes. Jetzt schien auch Vanessa zu verstehen. Langsam nickte sie und zog ihre Hand zurück bevor sie zu mir sah. Sie wurde mir zu geordnet und wir waren leider schon etwas aneinander geraten. Jedoch nicht ernst. Dennoch fingen ihre Augen bei meinem Anblick erneut an ihre Farbe zu ändern. Wie sollte das bloß werden. Ich musste was vorlegen wenn ich mein Leben behalten wollte.

„Vanessa, sie ist das beste was dir hier passieren kann.", hörte ich Lydia sagen. „Das beste?", fauchte Vanessa zurück und fletschte die Zähne. Ich nickte langsam und erwiderte: „Andere hätten dich längst auseinander genommen oder dein Geheimnis an die Chefetage verraten." Sofort fuhr ihre Hand zu ihrer Bauchdecke. Durch das weite Shirt, dass sie trug war die Wölbung nicht zu sehen. Aber es würde nicht lange dauern, bis es sichtbar wurde.

Sorin

Abwesend beobachtete ich wie Vanja die Versammlung organisierte. Ein Wolf, Rudelführer. Ruhig, wusste was er tat. Dennoch schien keiner wirklich begeistert ihn hier zu sehen. Niemand schien daran zu denken mich mit ihm auszutauschen. Allerdings schien die Stimmung im Lager, seit dem Vorfall mit Galina auch sehr angespannt. Niemand sah mich mehr an, schon gar nicht in meine Augen.

„Papa?", vernahm ich Talvis heisere Stimme hinter mir. „Es tut mir leid.", murmelte sie und griff nach meinem Arm. „Ist okay.", kam es kalt über meine Lippen. Ich wusste ganz genau was sie erreichen wollte. Und ihr nächster Satz bestätigte meine Gedanken. „Darf ich mit ihnen gehen?", hauchte sie leise und schmiegte sich gegen mein Bein. „Nein, Talvi. Es ist gefährlich.", knurrte ich und sah auf sie herab. Ihre Augen waren rot geweint und die Salzrückstände klebten noch auf ihren Wangen. Erneut steigen Tränen in ihre Augen bevor sie sagte: „Valea ist mein einziger Freund. Wieso durfte ich nicht mit ihm. Alle Kinder gehen." Sanft legte ich eine Hand auf ihren Kopf und ließ mich in die Hocke sinken. „Niemand hier hat so viel Vampirblut wie du. Es ist gefährlich. Hörst du. Dort draußen sind böse Menschen. Wenn du in ihre Hände gerätst werden sie dir dolle weh tun und ich versuche dich doch nur davor zu schützen.", erklärte ich gezwungen ruhig und strich sanft ihre Tränen fort. „Aber Mama...", setzte sie an doch ich unterbrach sie mit einem Kopfschütteln. „Wo ist sie?", fragte Talvi jetzt und ich hörte wie Panik in ihre Stimme stieg. „Sie hat dich gesucht und dabei...", setzte ich langsam an. Doch Talvi schien schon begriffen zu haben und fing schrecklich an zu weinen bevor sie sich mir in die Arme warf. „Wir holen sie zurück.", hauchte ich und strich sanft über ihren schmalen Rücken.

„Drag...", vernahm ich Vanjas dunkle Stimme. Allerdings verstummte er als er Talvi bemerkte. „Ist okay.", erwiderte ich und erhob mich mit meiner Tochter auf dem Arm. Vanja nickte und sagte dann: „Sollte das Solokow Rudel mit ziehen wäre es günstig auch ihre Alten und Kinder mitzunehmen." Ich nickte verstehend und erwiderte: „Wie lange braucht ihr noch?" Vanja lächelte leicht und sagte: „Kein Stress. Ich werde mir Zeit lassen." Ich nickte verstehend und antwortete: „Gut, ich werde morgen früh mit ihr reden. Du kannst die Nacht in Valeas Hütte verbringen. Ich führ dich zu ihr."

Sanft setzte ich Talvi ab und deutete ihr ins Haus zu gehen bevor ich Vanja über den Hauptweg zu der Hütte des Jüngeren zu bringen.

Schweigend betraten wir die Hütte. Wie immer war sie ordentlich und sauber. Nur der Geruch von Blut verriet, dass jemand hier gelebt hatte.

„Ich weiß, ich fragte bereits. Aber warum hast du ihm das angetan?", hörte ich Vanja leise fragen. Leise seufzend lehnte ich mich in den Türrahmen und erwiderte: „Ich wollte nie so werden. Er ist bei mir seitdem er zwölf ist. Er ist wie ein Sohn für mich und wie ein Bruder für meine Tochter. Die beiden sind unzertrennlich. Als Talvi angefangen hat immer wieder alleine in den Wald zu gehen, habe ich Valea aufgetragen mit ihr zu gehen. Er sollte nur auf sie achten. Erst später habe ich erfahren, dass er für sie auch Prügel eingesteckt hat. Erst als er sich mit Galinas Sohn angelegt hat. Talvi hatte wieder die Grenze überquert. Ich habe versucht Galina zu überzeugen, dass die Kampfwunden genug Strafe sind. Aber sie wollte Rache. Gott ich hätte sie töten sollen.", knurrte ich und schlug fest gegen den Türrahmen. Doch Vanja schnaubte nur und erwiderte: „Ein so nah gelegenes Rudel zu bedrohen ist keine gute Idee. Schon gar nicht ohne nachvollziehbaren Grund für sie. Wenn der Kampf in ihrem Revier stattgefunden hat ist sie im recht und das wird ihr Rudel ebenso vertreten." Interessiert sah ich auf. Ich hatte ja schon bemerkt, dass er Ahnung hatte. Aber dennoch überraschten mich seine Gedankengänge. Auch er schien meine Verwunderung bemerkt zu haben. Denn ein leichtes Lächeln schlich sich auf seine Lippen bevor er erwiderte: „Ich habe unserer Rudel früh übernommen. Daher musste ich diesen Scheiß schnell verstehen." Dann legte er eine kurze Pause ein bevor er sagte: „Aber das hast du ja auch." Ich schüttelte leicht den Kopf und erklärte: „Ich bin unter Vampiren groß geworden und bin erst seit sieben Jahren hier. Dabei konnte ich nur ein Jahr von meinem Vater lernen. Das meiste musste Valea mir sagen. Ich weiß gar nichts." Vanja lachte auf und setzte sich auf das Sofa. „Ich denke nicht, dass dein Ruf bis in den Süden schallen würde, wenn du nichts könntest. Valea ist dir vielleicht eine große Hilfe gewesen. Aber du hast das hier alles aufgebaut."

Vamp Zone 《4》Where stories live. Discover now