57. Grenze

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Elijah

Unauffällig schlängelte ich mich durch die Masse an Jugendlichen in dem Saal. Irgendwie war es meine Pflicht bei diesen Veranstaltungen dabei zu sein, große Lust hatte ich aber nicht. Also verkroch ich mich in die hinterste Ecke und sah auf die Bühne. Marija gehörte mit zu dem Ursprung der guten Laune in diesem Raum. Ihr traditioneller Rock wirbelte über die Bühne und erschien in dem farbenfrohen Licht fast lebendig. Unbewusst fing ich an im Takt zu der Musik mit dem Fuß zu wippen unterband es jedoch sofort wieder. Dennoch kam ich nicht umher mir einzugestehen, dass es vielleicht das einzige war das ich an ihr mochte. Ihre Stimme berührte mich. Ihr Gesang berührte mich und ich war mir sicher, wenn wir je eine Vollmondnacht miteinander verbrächten... ich würde mit ihr heulen müssen.

Bissig rümpfte ich die Nase und atmete tief durch. Ich würde sie dennoch nicht in meiner Nähe dulden. Nur für den Schein. Nur solange bis ich die Richtige fand und meine Mutter sie als würdig empfand. Was schwierig werden dürfte, wenn es wirklich der Spion aus Dragans Rudel war. Aber ich würde mich gedulden müssen. Seit Tagen hatte ich diesen Geruch nicht mehr wittern können. Ob ihr etwas zugestoßen war?

Die Musik brach ab und ging in eine neu über. Allerdings sah ich wie Marija die Bühne hinab kam und direkt auf mich zusteuerte. Seufzend lehnte ich mich zurück und ließ zu, dass sie sich zu mir setzte. „Solltest du nicht feiern?", fragte sie und nahm schüchtern meine Hand. „Was sollte ich feiern?", erwiderte ich und sah sie an. „Braucht man denn immer einen Grund?", warf sie zurück und rutschte etwas näher. Ein leises Knurren verließ meine Kehle. Dieses beeindruckte sie jedoch nicht. Ihre Hand legte sich an meine Halsbeuge und drehte meinen Kopf sanft zu ihr. „Wenn du mich wirklich so sehr nicht willst solltest du diese Nacht nutzen um dich auszuprobieren.", sagte sie leise und strich mit dem Daumen über meine Wange. „Marija.", sagte ich grollend und funkelte sie an. Doch sie lächelte nur und erwiderte: „Jedoch, wenn du es nicht tust wäre ich sehr erfreut." Ich verdrehte die Augen und streifte ihren Arm ab. Dennoch lehnte sie sich zu mir herüber und legte ihre Lippen sanft an meinen Hals. Sie fing an meine Haut zu liebkosen und ich fühlte wie ihre Hand seicht über meine flache Brust strich. „Mari.", hörte ich mich leise sagen. „Stell dir vor wen auch immer du willst.", hauchte sie an meinem Ohr und biss spielerisch in mein Ohrläppchen. Kurz schloss ich wie in Trance die Augen. Es war kein Bild, nur der Geruch den meine Sinne wahrnahmen. Dieser ganz bestimmte Geruch, der in meinem Gedächtnis geblieben war obwohl ich ihn so lange nicht mehr wahrnehmen konnte.

Mein eigenes Keuchen riss mich aus dieser Trance. Erschrocken richtete ich mich auf und stieß Marija von mir. „Das war aber eine sehr reale Vorstellung.", sagte sie. Jedoch nahm ich sie gar nicht wahr. Hörte nur mein klopfendes Herz und spürte das Toben und die Unruhe meines Wolfes. Ich wollte sie. Jetzt.

Ein donnerähnliches Knurren drang aus meinem Brustraum, so tief, dass es unter dem Bass der Musik unterging.

„Elijah.", hörte ich Marija sagen. Ich beachtete sie nicht. Stand einfach auf und verließ den nach Schweiß riechenden Raum. Seufzend zog ich die frische, kühle Nachtluft in meine Lungen und sah dann mit starrem Blick auf den Waldrand. Sie war dort draußen und sie würde mir gehören. Egal was meine Mutter sagte. Egal wie unwürdig sie sein würde. Nichts könnte mich aufhalten.

Sorin

„Talvi?", fragte ich leise als ich ihre Tür öffnete. Doch es war stockfinster. Nur mit mühe erkannte ich den dunklen, schlanken Wolf auf der Decke, die am Boden lag. Nicht ihr. Sicher war sie aus Valeas alten Zimmer.

Leise trat ich an ihren Schreibtisch und schaltete dort die kleine Lampe an. Im selben Moment hob sie den Kopf und wechselte ihr Fell als sie mich erkannte. Müde schlang sie Valeas Decke um ihre Schultern und lehnte sich gegen das Bett während ich mich auf ihren Schreibtischstuhl setzte.

„Wie geht es ihm?", fragte sie leise und vergrub ihre Nase in dem Stoff. „Er schläft viel. Aber das wird wieder. Die Wunden heilen gut. Er braucht einfach nur Ruhe, Talvi. Ich bestrafe dich nicht damit, dass du hierbleiben sollst.", erklärte ich und musterte meine Tochter besorgt. Ihre Gesichtszüge waren über die letzten Tage so ernst geworden. Sie hatte nicht mit mir gesprochen bis auf das tägliche Flehen, dass sie zu ihm durfte.

„Es ist meine Schuld.", sagte sie mit kläglich dünner Stimme. „Ich wollte nicht auf meinem Zimmer bleiben. Wenn ich auf dich gehört hätte, dann hätte ich Valea nicht in Gefahr gebracht.", winselte sie und schniefte leise. Doch ich schüttelte leicht den Kopf und erwiderte: „Nein, Talvi. Valea wusste was er tut. Ich habe... ich habe ihn gebeten auf dich achtzugeben." Doch das schien sie nicht zu beruhigen. Ich schätze, sie wusste auch nicht was das bedeutete. Nämlich, dass ich ihn gebeten hatte mit ihr im Wald zu bleiben. Trotz der Gefahr, die er mir schon geschildert hatte.

„Ich werde nie wieder...", setzte sie an doch ich unterbrach sie sofort und sagte: „Nein. Fang nicht so an. Es war nicht euer Fehler. Es war Galinas Fehler ihre Wölfe auf unser Revier zu schicken und dann offensichtlich nicht mal in friedlicher Absicht. Talvi, für mich ist es okay, wenn du im Wald schläfst. Solange du die Grenze nicht überquerst." Ich war schon etwas stolz auf mich wie unauffällig ich eingebaut hatte, dass Valea mir verraten hatte, dass Talvi offensichtlich ab und an die Grenze überquerte. „Sie respektieren unsere Grenzen doch auch nicht.", murmelte meine Tochter und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Ermahnend sah ich sie an und sagte: „Meinst du sie werden es je tun, wenn wir es nicht tun?" Talvi schüttelte langsam den Kopf und sah wieder zu mir. „Wann darf ich zu ihm?", fragte sie leise und griff fester in den Stoff, der um ihre Schultern lag. Ich seufzte leise und erwiderte. „Gib ihm noch ein paar Tage." Doch das schien sie nicht zufrieden zu stellen. Denn sie verzog leicht das Gesicht und murmelte: „Aber nächste Woche ist Vollmond." „Ich weiß, Tavi. Aber er wird nicht dabei sein. Seine Wunden werden nicht heilen, wenn er sich verwandelt.", erwiderte ich und stand auf um mich neben ihr auf den Boden zu setzten. Meine Tochter legte langsam ihren Kopf an meinem Oberarm und sagte: „Dann werde ich auch nicht gehen können." Manchmal fragte ich mich schon ob sie Valea mochte, weil er war wer er war oder ob sie nur die Vorzüge brauchte, die sie mit ihm hatte. 

Vamp Zone 《4》Where stories live. Discover now