33. Alpha Fear

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Nicoleen

Ich fühle mich hier nicht wohl. Die Wände waren so kühl wie im Waschkeller in dem ich gelebt habe. Zudem fühlte ich mich Eric nicht wirklich näher als vorher auch. Er war ständig beschäftigt gewesen und ich hatte keine Chance gehabt bei ihm zu sein. Zumindest hatte Chrissy deswegen auch keine Wahl gehabt als in ihrem Zimmer hocken zu bleiben. Ich jedoch hatte mich bisher immer auf das Dach geflüchtet. Ich weiß nicht wirklich wann ich es entdeckt hatte oder wie. Aber jetzt wollte ich auch den Rest sehen. Mit leisen Schritten schlich ich über die Gänge und versuchte mich zu orientieren. Zwar meinte Eric es sei ganz leicht, da jede Ebene gleich aufgebaut sein sollte. Zumindest die Wohnbereiche. Aber sie waren zu gleich, nichts woran man sich erinnern konnte. Dennoch kam ich irgendwann in dieser großen Halle an in welcher wir zuerst gestanden hatten. Sie war ziemlich leer, wobei Eric mal gemeint hatte, dass hier immer am meisten los sei. Vielleicht die falsche Zeit. Allerdings entdeckte ich in der hintersten Ecke eine schmale Gestalt. Die Beine zum Schneidersitz gelegt. In seinem Schoß lag ein Stapel an Ordnern. Neben ihm eine Kiste mit weiteren.

Beim genaueren Hinsehen erkannte ich die verschieden farbigen Strähnen unter der Kapuze. Es war der junge Mann von der Krankenliege.

„Hey.", sagte ich leise als ich vor ihn trat. Verwirrt sah er auf und schloss die Akte. „Hey.", erwiderte er mit rauer Stimme nur um dann die Akte wieder aufzuschlagen und den Kopf wieder zu senken.

„Ist was?", murmelte er und steckte die Akte weg. Dann schlug er die nächste auf. Ich erkannte Bilder von einem Kind. Von Wunden. Langsam ließ ich mich vor ihm auf die Knie sinken und nahm eines der Bilder aus der Mappe. „Sieh dir das nicht an.", sagte er aber da lag mein Blick schon auf dem fotografierten Bein. Der Knochen stand in einem ziemlich ungesunden Winkel ab und die Haut zeigte Schrammen und Hämatome auf. „Das tun sie?", fragte ich fassungslos und legte das Bild zurück. „Du wusstest es nicht?", stellte er die Gegenfrage. „Woher?", erwiderte ich. „Naja, Eric ist doch...", setzte er an und legte leicht den Kopf schief. „Er hat mich aus einer Tötungsstation geholt. Ich habe ihn danach nicht sehr lange begleiten dürfen.", erwiderte ich und setzte mich zu ihm auf den Boden. „Wo warst du dann?", fragte er und schloss die Akte wieder. „Im Keller eines Bordells.", erwiderte ich und nahm ihm die Akte ab. Sie war gelblich und ziemlich reich gefüllt. Kinder. Es waren Kinder. Wie ich. Nur mich wollten sie töten. Diese nicht. „Sieben Jahre?", fragte der junge Mann. Ich nickte leicht und strich über den geschwungenen Namen auf der ersten Seite. „Chrissy hat mich nicht rausgelassen. Sie hatte Angst sie würden mich finden.", erwiderte ich und sah zu ihm auf. Die Ablehnung verschwand aus seinen Augen und plötzlich wirke er nicht mehr so distanziert. „Sie hat dich weggesperrt?", fragte er. Ich nickte leicht und zog eines der weiteren Blätter aus der Mappe. Es war ein Dokument zur positiven Testung auf „Vampirismus". „Wie war dein Name nochmal?", fragte er und legte die Mappen auf seinem Schoß weg. „Nicoleen. Aber Nico wird von den meisten verwendet.", erwiderte ich und sah ihn auffordernd an. „Nael.", sagte er und strich sich die Kapuze etwas nach hinten. Dabei fiel mein Blick erneut auf seinen Hals. Die Wunde war noch nicht verheilt. Er trug zwar keinen Verband aber die Wundränder und das Narbengewebe waren klar sichtbar. Er schien zu merken worauf mein Blick ging. Denn er legte beschämt eine Hand in seine Halsbeuge. „Beachte das nicht. Es wird nicht mehr lange dort sein.", sagte er mit dunkler Stimme und seufzte leise. „Tut mir leid. Ich wollte nicht starren.", murmelte ich. „Ich... es ist nur alles so neu. Ich bin nur neugierig.", versuchte ich ihm zu erklären. „Neu? Was hast du denn vor den sieben Jahren gemacht?", fragte er verwirrt. „Nicht unter Vampiren gelebt.", sagte ich mit einem schiefen Lächeln. Bis auf meine Eltern hatte ich damals niemanden gekannt, der so war wie wir. Nael schnaubte belustigt und löste seine Hand von seinem Hals. „Heißt du hast keine Ahnung von diesem Mahlgedöns?", fragte er. Ich schüttelte leicht den Kopf. „Wie alt bist du denn?", fragte er weiter. Ich fing an meine Finger zu kneten und erwiderte: „achtzehn." Nael nickte langsam und lehnte sich dann zurück an die Wand. „Dir ist langweilig. Hab ich recht?", fragte er nach einer Weile der Stille. Ich schluckte leicht und nickte dann. „Schon etwas.", murmelte ich und gab ihm die Mappe zurück. „Willst du helfen?", fragte er und legte die Mappen auf die Kisten neben ihm. „Kann ich denn?", fragte sie. „Offensichtlich machen die Bilder dir nichts aus. Das hier ist nur ein Bruchteil, den ich mitgenommen habe. Ich musste aus Erics Büro raus. Lange Geschichte. Aber vielleicht geht es wieder.", murmelte er und stand auf. Er schien etwas neben sich zu sein. Mit den Gedanken ganz wo anders. Ich verstand auch nicht wirklich was er grade versucht hatte mir zu erklären, aber es würde schon seine Richtigkeit haben.

„Komm.", forderte er mich auf. Sofort sprang ich auf die Füße und lief ihm hinterher. Ich musste mich jetzt so lange langweilen. Also war ich mir sicher, was auch immer er mir gebe würde, es würde mir Spaß machen.

Nael lief den Gang entlang, welchen ich auch schon an meinem ersten Tag betreten hatte und öffnete dann irgendwann eine Tür. Sofort stieg mir der Geruch von Papier in die Nase. „Hier lagern wir die schon sortierten Mappen.", sagte er und stellte seine Kiste auf einem Tisch ab. Dann fing er an sich kleine Stapel herauszunehmen und sie wegzustellen bis er nur noch den Stapel in der Kiste hatte, der vorhin auf seinem Schoß gelegen hatte. „Wird später wichtig.", murmelte er als er an mir vorbei ging und den Raum wieder verließ.

Jedoch blieb ich noch einen Moment stehen, denn mein Blick fiel auf eine Mappe, welche nicht weggeräumt war. Sondern einfach dort an der Ecke des Tisches lag. „Nicoleen...", murmelte ich und trat an den Tisch. Es war meine eigene. Sie war sehr dünn und als ich sie aufschlug, fand ich nicht mehr als das Testergebnis, welches dank Eric negativ war und ein unausgefülltes Dokument in dem nur mein Name stand. „Kommst du?", hörte ich Nael fragen. Er musste zurückgekommen sein. Doch ich rührte mich nicht.

Ich nahm wahr wie er neben mich trat. Seine Brust streifte meine Schulter als er sich über das Dokument lehnte. „Du bist ein Mensch?", fragte er leise. „Nein.", erwiderte ich leise. „Eric...", setzte ich an und drehte meinen Kopf dann zu Nael. Sein Gesicht war so nahe und das erste Mal nahm ich seinen Geruch wahr. Er roch nicht so herb wie Eric. Er strahlte keine Stärke oder Bedrohung aus. Sein Geruch war süßlich, verführend wie der Geruch von Blut, zart und... beschützend? Nael wand seinen Blick jetzt ebenfalls von dem Dokument ab und sah mich an. „Eric?", harkte er nach und hob eine Augenbraue. „Er hat sie ausgetrickst.", hörte ich mich sagen. Allerdings war ich viel zu beschäftigt diesen Geruch für mich einzuordnen. Je länger ich ihn wahrnahm, desto deutlicher wurden seine Komponenten. Neben diesem angenehmen... „Nico?", unterbrach er meine Gedanken. „Alles in Ordnung?", fragte er vorsichtig und trat einen Schritt von mir weg. Sofort verschwand sein Geruch und ich blinzelte überrascht als ich sofort wieder klarer wurde. „Sorry, ja, alles gut. Ich war nur in Gedanken.", erwiderte ich schnell. Ich konnte ihm ja nicht sagen, dass mich sein Geruch faszinierte.

„Wie hat er sie ausgetrickst?", fragte Nael und setzte wieder an den Raum zu verlassen. Diesmal folgte ich ihm. „Er hatte so ein Mittel im Blut und weil ich es getrunken habe, haben sie mich genauso wie ihn für einen Menschen gehalten.", erklärte ich und folgte ihm in den nächsten Raum. Er war größer als der letzte und ähnlich aufgebaut wie Erics Büro, in dem ich ja zuerst war. Hier gab es nur keine Liege. Stattdessen einen Tisch mit vielen seltsamen Geräten. Der Tisch war über und über mit Zetteln belegt. Es roch ähnlich. Auch nach Papier. Aber ebenso nach Blut und Chemie plus Erics Geruch. Er hing in keinem Raum deutlicher als in diesem. Sofort fühlte ich mich wohl. Nael schien das allerdings anders zu sehen. Er rümpfte die Nase und fing an sich am Hals zu kratzen, welcher schon leichte rote Stellen aufwies. „Das Mittel ist schrecklich.", murmelte er leise und räusperte sich dann.

„Die Mappen in den Regalen sind noch nicht geordnet.", sagte er und stellte die Kiste ab. „Wir sortieren nach...", setzte er an, brach jedoch als er mich ansah. „Sicher, dass alles in Ordnung ist?", fragte er und kam einen Schritt näher. Hatte ich was im Gesicht? „Du... bist du...", sagte er stockend und trat den Schritt wieder zurück. „Bin ich was?", fragte ich verwirrt und strich mir einmal unsicher über die Wangen. „Alpha?", sagte er kurz angebunden. „Alpha?", wiederholte ich und schüttelte gleichzeitig den Kopf. „Was meinst du damit?", fragte ich verwirrt.

Vamp Zone 《4》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt