31. Nicht wie Kenzo

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Sanji

Zitternd drückte ich meine Hände auf die blutenden Handgelenke meines Schwagers. Ich hätte gerne zwei Hände für eine Wunde gehabt, aber das ging nicht. Wir waren hier eh alle unterernährt und wenn ich mich nur auf ein Handgelenk konzentrieren würde, würde er zu viel Blut verlieren.

„Sanji, lass.", hörte ich ihn leise sagen. „Hör auf sowas zu sagen. Ich lass dich nicht sterben. Nicht für Fehler, die du nicht begangen hast.", knurrte ich und griff noch etwas fester zu. Moe zischte leise. Jedoch war er schon zu schwach um darauf wirklich reagieren zu können. In einem Normalzustand hätte er mir auch sicher ohne Probleme seine Arme entrissen.

„Ich werde immer eine Gefahr sein.", winselte er leise und ließ seinen Kopf in den Nacken fallen. „Moe.", knurrte ich ermahnend. „Du hast dich geändert. Es wird alles gut werden sobald wir das Band gelöst haben. Du tust doch sonst niemandem etwas. Nael hat es zu weit getrieben.", erwiderte ich und setzte mich etwas um. Im selben Moment öffnete sich die Tür und ich spürte die Anwesenheit meines Partners. Ranga kam sofort zu mir und nahm mir wieder einen Arm ab. Seine Hände schlossen sich um die blutenden Wunde bevor er sagte: „Eric kommt." Dann atmete er tief durch und sah voller Sorge auf seinen Bruder.

„Reicht Kenzo nicht?", fragte er leise. Sofort wendete ich den Blick ab und biss mir auf die Zunge. Es war die letzten Jahre ein Tabu-Thema geworden. Und vielleicht war das auch gut so gewesen. Atayo hatte noch zwei weitere Jahre darum gekämpft, dass Eric versucht ihm zu helfen. Aber irgendwann hatte es keinen Sinn mehr gehabt. Das Gift, welches sich offensichtlich schon in seinem ganzen Körper ausgebreitet hatte, hatte ihn letztendlich doch geschafft. Nicht, dass ich damit nicht gerechnet hätte. Nur war Atayos Hoffnung ansteckend. Grade, weil ich vor Shota der letzte war, der erfahren hatte, dass er noch lebte. Nur um ihn kurz darauf zu verlieren. Ich hatte zwar erst eine richtige Beziehung zu ihm aufbauen können, nachdem Atayo verschwunden war. Aber dennoch. Er war mein Bruder und ich liebte ihn wie meine anderen Geschwister.

„Tut mir leid.", hauchte Ran und küsste sanft meine Schläfe. „Du hast Recht.", erwiderte ich mit schwacher Stimme. „Ich würde es auch nicht ertragen noch jemanden von euch zu verlieren.", fügte ich hinzu und umgriff Moes Handgelenk erneut. Durch das Blut rutschten meine Finger und ich fühlte, wie ich langsam keinen wirklichen Druck mehr aufbauen konnte. „Hörst du Moe. Der Einzige, der damit glücklich wäre ist Shota.", knurrte Ran und ich sah wie er unbewusst die Nase krauste. „Willst du Shota glücklich machen? Nein, dass willst du nicht.", fauchte er und schüttelte den Kopf.

Noch eine ganze Weile hörte ich Ran dabei zu wie er versuchte seinem Bruder Lebenswillen einzureden. Erst sehr viel später hörte ich Schritte auf dem Flur. Auch Ran hörte sie und murrte: „Was brauchte der so lange?" Die Tür ging auf und Eric kam herein.

„Entschuldige.", murmelte er und ließ sich eilig neben mir auf den Boden sinken. Der Luftzug, der dabei entstand trug einen Geruch zu mir herüber. Verwundert hob ich den Blick und sah aus meinem Winkel direkt auf seinen Hals. „Du blutest.", entkam es mir erschrocken. „Alles gut. Konzentrier dich darauf.", erwiderte Eric und klemmte die Blutzufuhr zu Moes Handgelenk auf meiner Seite ab.

„War das Shota?", fragte Ranga hinter mir, der sicher jetzt ebenfalls den tiefen Schnitt an Erics Hals gesehen hatte. „Ja.", erwiderte er trocken und rollte das OP-Besteck aus. Ich stand auf und huschte schnell ins Bad um meine Hände zu reinigen, denn so konnte ich auf keinen Fall eine Nadel oder sonst was halten. Dennoch hörte ich Ranga sagen: „Versucht er uns jetzt alle zu töten?" Eric seufzte leise und als ich zurück kam sah ich wie er den Kopf schüttelte. „Unser Vater hat ihn verraten. Was erwartest du? Sie denken noch nach den alten Sitten. Wir tragen die Schuld unseres Vaters auch wenn wir dafür nichts können. Sei froh, dass er hauptsächlich mir die Schuld dafür gibt. Was auch daran liegt, dass Sanji offensichtlich angedeutet hat, dass ich für ihn eine Vaterfigur sei.", erwiderte er und zog einen Faden durch die OP-Nadel. „Schuldige.", murmelte ich und ließ mich wieder neben ihn sinken. „Alles gut. Wenn du so fühlst, dann habe ich was richtig gemacht und das freut mich.", erwiderte Eric und schenkte mir ein kleines Lächeln. „Shota hätte es besser machen müssen.", murrte Ran. Eric nickte und sah dann auf zu Moe. Tiefe Besorgnis legte sich in seine Augen. „Moe, das wird wehtun.", sagte er und stach dann die Nadel in seine Haut. Doch von seinem Bruder kam keine Reaktion. „Moe?", fragte ich verwirrt und stand auf um mich dann neben ihn zu hocken. Sanft strich ich durch seine roten Haare und musterte seine geschlossenen Augen. „Moe.", wiederholte ich. „Weck ihn nicht.", sagte Eric während er weiter nähte. „Er wird zu schwach sein. Vielleicht ist es ganz gut, dass er das hier nicht mitbekommt.", fügte er hinzu und sah weiter auf den blutverschmierten Arm.

Besorgt sah ich zu Ran, dessen Blick nur starr auf seinem Bruder lag. Ich konnte seine Angst sehen. Die Angst, denselben Schmerz zu erfahren wie ich. „Sanji, wenn er stirbt...", setzte Ranga leise an und sah dann zu mir. „Ich kann nicht versprechen...", hauchte er und biss sich dann auf die Unterlippe. „Nael wird bezahlen. Keine Sorgen.", erwiderte ich und hob eine Hand an Rangas Wange. „Können wir uns erst hier drauf konzentrieren?", unterbrach Eric uns. Sofort nickten wir beide.

Also beendete Eric die Naht und sah dann einen Moment überlegend auf Moes Arm. „Es wird reißen, wenn ich... es wird nicht schnell genug heilen.", murmelte er vor sich hin. „Braucht er Blut?", fragte ich. Eric biss sich überlegend auf die Unterlippe und fing an die Wunde zu verbinden. „Tier Blut wird es nicht schneller heilen lassen.", erwiderte er. „Und keiner von uns hat stärkeres Blut.", fügte er hinzu. „Doch.", widersprach Ranga. Verwirrt hob Eric den Kopf. „Ich trinke von Lev.", sagte Ranga erklärend. „Du... was?", kam es empört über meine Lippen. Doch Sowohl Eric als auch Ran ignorierten meine Aussage. „Gib ihm dein Blut.", befahl Eric und sofort reichte Ranga mir Moes Arm um dann selber an meinen Platz zu gehen und sein Handgelenk mit den eigenen Zähnen zu öffnen bevor er es an Moes Lippen legte.

„Warum?", fragte ich jetzt etwas ruhiger. „Er hat es mir angeboten.", erwiderte Ranga und sah mich entschuldigend an. „Er hat gesehen, wie ich auf den Geruch reagiert habe und da hat er es mir das erste Mal erlaubt. Seitdem machen wir es regelmäßig.", fügte er hinzu und kniff die Lippen zusammen. Ich sollte mich freuen, dass es keinen Krieg mehr zwischen den beiden gab, denn das war am Anfang echt anstrengend. Aber mit der Zeit hatte es irgendwie mein Ego gepuscht und es hatte mir die Sicherheit gegeben, dass Ranga ewig für mich kämpfen würde.

Im Augenwinkel sah ich wie Eric die Schlinge löste und so wieder den Blutfluss ermöglichte. Da der Verband sich nicht sofort rotfärbte speicherte er das wohl unter gelungen ab, denn er widmete sich jetzt dem zweiten Arm. Nachdem er die Blutzufuhr abgeklemmt hatte löste ich langsam meine Hände und wartete darauf ob er vielleicht diesmal eine Anweisung für mich hatte. Jedoch nähte er auch diesen Arm gekonnt selber. Es war keine schöne Naht und auch nur mit einem Faden. Aber das sollte kein Problem sein, denn Moe war ein Vampir und würde ganz sicher keine Narben zurückbehalten.

Aber Nael...

Es war ziemlich eindeutig, dass die Narbe, welche wir verursacht hatten, als wir versucht hatten seinen Biss zunähen nicht wirklich heilte. Shota war der festen Überzeugung es würde besser werden, wenn wir das Narbengewebe einfach entfernten. Aber da war ich mir nicht so sicher. Na gut. Ich würde es Nael aber auch wüschen, dass er an Moe gebunden blieb. Anfangs hatte ich noch Mitleid mit meinem Halbbruder. Aber mittlerweile. Natürlich war es eine schreckliche Entwicklung. Aber letztendlich hatte er es selber dazu gebracht. Er war nicht vorsichtig genug. Dabei könnte man meinen unser Vater hätte ihm genug Vorsicht eingeredet. Auf jeden Fall hätte er es schlimmer treffen können. Moe war vernünftig geworden. Alleine wie sehr er sich für seine vergangenen Taten hasste, zeigte doch wie sehr er sich geändert hatte.

Vamp Zone 《4》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt