86. Gestaltwandler

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Eric

Überlegend beobachtete ich wie Shota sich zu mir setzte und ein Glas mit roter Flüssigkeit zu mir schob. Vielleicht würde es mein letztes sein.
„Worüber denkst du nach?", fragte Shota und nahm einen Schluck aus seinem Glas. Mit unklaren Blick sah ich auf und erwiderte: „Hier lebt meine Familie. Viele Kinder. Fast jeder Vampir." Shota nickte langsam und sah neben mich. Kurz darauf kletterte Ezra neben mir auf die Bank. „Wir wussten, dass Menschen ein Risiko sein", murmelte Shota und beobachtete wie Ezra die Früchte aus seiner Schüssel aß. Ich schnaubte leise und sagte: „Ich glaube nicht, dass es Favios Wunsch war. Kenneth war ihm wichtig. Das hat man sogar auf Distanz gesehen. Irgendwas muss ihn gezwungen haben. Sie müssen irgendwie an ihn rangekommen sein." Shota sah von Ezra weg und zuckte mit den Schultern. „Abwarten", kam es leise über seine Lippen. Mein Blick ging durch die Halle. Ziemlich schnell fand ich Jon. Auf seinem Schoß saß seine Tochter, neben ihm Risa. Das war nicht die Zukunft, die ich für sie gesehen hatte. Maya hatte ich gesehen. Aber dieser Bunker? Maya war durch unseren Garten gelaufen, mit einem kleinen Bruder. Nicht durch einen unterirdischen Betonwürfel.

„Morgen."

Erschrocken richtete ich mich auf und sah wieder auf die andere Seite des Tisches. „Nath... ?", setzte Shota verwirrt an. Doch ein leisen Schnauben unterbrach ihn. „Wag es ja nicht, mich mit ihm zu vergleichen!", knurrte Moe und legte die Arme auf den Tisch um seinen Kopf darauf zu betten. „Was ist los?", fragte ich besorgt. „Nichts", kam es grummelnd unter den roten Locken hervor. „Du hast seit Jahren nicht dein Gesicht getragen", erwiderte ich und legte meine Hand auf seinen Unterarm. Moe zog ihn sofort etwas zurück und erwiderte: „Zieht nur zu viel Kraft." „Kraft?", echote Shota. „Er ist Gestaltwandler", erwiderte ich und zog meine Hand gänzlich zurück. Interessiert musterte Shota meinen Bruder und legte dabei sogar etwas den Kopf schief um sein Gesicht, welches zu ihm gedreht war betrachten zu können.

Ich wusste ganz genau, welcher Kommentar ihm auf den Lippen lag. Grade jetzt mit der erwachsenen Ausstrahlung konnte Moe unserem Vater nicht ähnlicher sein.

„Hast du dich jemals gefragt wie unsere Begabungen funktionieren?", fragte Shota aus dem Nichts. Ezra neben mir setzte ich etwas auf und zog die Beine auf die Bank bevor er sagte: „Nein, dazu hat Eric sich noch keine Gedanken gemacht... also zumindest noch keine Notizen." Ich musste leicht schmunzeln und erwiderte: „Danke Sekretär Ezra." Er grinste mich schief an und schob sich eine der Beeren zwischen die Lippen.

„Es wird schon irgendwie funktionieren. Und wenn es irgendein Stoff ist, der es ermöglicht.", sagte ich und nahm den ersten Schluck aus meinem Glas. Shota schnaubte und erwiderte: „Was bist du denn für ein Forscher?" „Er ist Arzt.", warf Ezra ein und schob seine Brille ein Stück nach oben. Wie immer mit seiner Nase. „Ich glaube kaum, dass wir es schaffen werden noch etwas zu erforschen.", sagte ich und nahm einen weiteren Schluck bevor ich den Rest Ezra gab. „Was wenn es uns helfen könnte? Was wenn wir uns so verstecken können?", fragte Shota dennoch. Moe hob seinen Oberkörper wieder an und sagte: „Egal wer ich bin, ich bleibe ein Vampir. Nichts hilft da." „Das stimmt.", pflichtete ich ihm bei. Mit den Gedanken an den Tag, an dem Sanji verstanden hatte, dass Sorin nicht schuld an seinem Leiden sein konnte. Überführt durch Moes Körpertemperatur, die nicht die selbe war, wie Sorins.

Shota

„Es muss doch dennoch einen Grund geben", murmelte ich und musterte das Gesicht, welches mir so vertraut war, aber doch nicht seines war. Moe verschränkte die Arme und lehnte sich zurück. „Gibt es einen Grund für deine Fähigkeit? Einen Vorgang?", erwiderte er und sah mit einem Seitenblick zu seinem Bruder. „Es wäre schon ein Vorteil, wenn nicht nur du Gestalten annehmen könntest. Zusammen mit dem Serum könnte es bei Aktionen außerhalb helfen", sagte Eric. Jedoch schüttelte er dann den Kopf und fügte hinzu: „Aber wir werden keine Experimente an Unseresgleichen machen."

„Wir werden nicht an meinem Sohn experimentieren", donnerte Nathanael in meiner Erinnerung. „Es wird ihm doch nicht schaden", erwiderte ich und versuchte meinen Freund zu beruhigen. „Das kannst du nicht sicher sagen", warf Nath mir vor. „Es sind weiße Blutkörper. Nicht mehr", erklärte ich und schob ihm erneut meine Arbeit hin. „Es ist mein Sohn. Eric ist grade mal sieben. Seine Verwandlung liegt noch in weiter Zukunft", wetterte er und schlug auf den Tisch. Ich seufzte leise und erwiderte: „Dennoch weißt du, dass eine Verwandlung Risiken birgt. Vielleicht lassen diese sich hiermit..." „Hör auf. Ich will davon nichts mehr hören", brüllte er und schleuderte die Mappe von seinem Tisch.

Im selben Moment hörten wir im Nebenraum ein Kind weinen. Ob Jon oder Ran oder vielleicht sogar Sanji konnte ich nicht erahnen. Nathanael jedoch stand sofort auf und verließ sein Büro. Ich folgte seinem Beispiel und sah noch wie er meinen Sohn aus Rangas Kinderbett hob. Der schwarzhaarige beobachtete alles mit wachen Kinderaugen. Dabei war er nur ein Jahr älter.

Der Geruch von Blut zog meine Aufmerksamkeit wieder auf meinen Freund. Ein dünnes Rinnsal lief über seine Brust und verlor sich in seinem dunklen Hemd. Sanji hatte ihn gebissen.

„Gib ihn mir", verlangte ich. „Ist schon okay. Es ist nicht das erste Mal", erwiderte Nathanael. Doch das beruhigte mich nicht. Ich sorgte mich nicht um ihn. Sondern um Sanji. „Nathanael, gib mir meinen Sohn", kam es grollend über meine Lippen.

Seine strahlend blauen Augen wandten sich von meinem Sohn ab und sah zu mir auf. „Shinji...", setzte er an. Doch schien dann zu erkennen wie ernst es mir war. Sanft löste er Sanjis Biss und kam zu mir. „Ich würde deinem Sohn nie etwas antun", sagte er als er mir Sanji übergab. Auch wenn ich ihm glauben wollte sagte mir mein Instinkt etwas anderes. Er war ein Alpha und auch wenn er mir nie etwas getan hatte, konnte es bei Sanji anders sein.

Die kleine Hand meines Sohnes griff in meinen Kragen und ich legte schützend eine Hand an seinen Kopf, legte meine Nase an die weichen dünnen Strähnen. Der Kindergeruch, den ich schon bei jedem einzelnen meiner Söhne so gemocht hatte.

„Genauso empfinde ich, wenn du so über Eric sprichst", hörte ich meinen Freund sagen. „Er mag kein Omega sein, aber er verdient den selben Schutz. Wie jedes unserer Kinder. Shinji, ich habe dir geschworen, dass deine Kinder sicher bei mir sind. Tu das selbe für meine", bat er leise.

„Shota?"

Erschrocken hob ich den Blick. Erblickte wieder dieses vertraute Gesicht. „Alles okay?", fragte Eric und beugte sich leicht vor. „Alles gut", erwiderte ich schnell und zwang mich zu einem kleinen Lächeln. Seine Söhne brauchten keinen Schutz. Sie hatten sich zu unglaublich starken Männern entwickelt. Und jeder einzelne trug eine Eigenschaft von ihm in sich. Wie sehr ich ihn auch hasse, nachdem was ich erfahren hatte. Ich wünschte mir dennoch, dass er sie so hätte sehen können. Gerade Eric hätte ihn so stolz gemacht. 

Vamp Zone 《4》Where stories live. Discover now