40. Halbvampir

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Eric

Ich hatte mich nach dem Gespräch mit Atayo wieder für eine weile zurückgezogen. Zwar war es gut gewesen etwas los zu werden aber im Großen und Ganzen hatte es sich nicht gut angefühlt.

Seufzend schlug ich Ezras Mappe auf. Ich hatte all meine Gedanken und seine Ergebnisse hier abgeheftet aber selbst geordnet... Leicht schüttelte ich den Kopf.

Ein leises Klopfen ließ mich meinen Kopf heben. „Ja.", rief ich und schob die Mappe zusammen. Nur um überrascht zu beobachten wie sich ein schwarzer Haarschopf durch die Tür schob. „Eric.", kam es leise über die kleinen, schmalen Lippen. „Ezra.", erwiderte ich und stand auf. „Ich...", setzte er heiser an und schloss die Tür hinter sich. „Ich fühle mich nicht gut.", zwang er mit flackernden Augen über seine Lippen.

Sofort stand ich auf und ging auf ihn zu. „Tut dir etwas weh?", fragte ich sanft und griff nach seinen Oberarmen als er anfing zu schwanken. „Mein Herz.", hörte ich ihn schwach sagen. „Dein Herz?", wiederholte ich besorgt und hob ihn hoch um ihn zu der Behandlungsliege zubringen. „Eher ein Stechen oder...", setzte ich an aber sein rasselnder Atem unterbrach mich. Hecktisch versuchte er Luft zu holen. „Langsam. Ezra, ich weiß, das wird dir Angst machen und es ist sicher unangenehm. Aber du musst versuchen weiter ruhig zu atmen.", befahl ich ihm. Sein Herz stolperte, löste Verwirbelungen aus. „Ezra, sieh mich an.", sagte ich ruhig und fing dann an mit ihm langsam zu atmen. Seine Lungen würden brennen, aber wenn er weiter so hektisch atmete würde er ohnmächtig werden und im schlimmsten Fall aufhören zu atmen.

Meine linke Hand suchte das Gerät an meinem Gürtel. Da wir nicht durchgängig die Headsets tragen konnten, die wir trugen, wenn ein neues Labor zu uns stieß, hatte Yama für die Krankenstation sowas wie die Pieper aus dem Krankenhaus gebastelt. Sie gaben keinen Ton von sich um keine Panik auszulösen. Sie vibrierten nur. Weswegen Sanji und Lev sie ab und an mal nicht wahrnahmen. Zudem war ihre Reichweite nicht sehr hoch.

In meinem Kopf kreisten immer mehr Lösungswege, die ich verwerfen musste. Die ersten Tränen lösten sich aus Ezras Augen und ein Schluchzer unterbrach seinen gezwungen gleichmäßigen Atem. „Nicht weinen. Ezra, das macht es schlimmer.", sagte ich sanft und nahm gleichzeitig wahr wie die Tür hinter mir aufgerissen wurde.

„Ezra.", hörte ich Sanji schockiert sagen. „Sein Herz stolpert. Ich weiß nicht wie weit das mit der Atemnot zutun hat. Aber es könnte eine Herzrhythmusstörung sein und somit ein Symptom einer...", setzte ich an aber Sanji unterbrach mich. „Lev ist nicht hier. Sag mir bitte einfach was ich tun soll.", bat er und trat neben mich. „Hat dir Lev gezeigt wie du einen intravenösen Zugang legst?", fragte ich und sah im Augenwinkel wie Sanji langsam nickte. „Gut, du findest alles in dem Schrank.", sagte ich ihm und verließ den Raum. Ich sprintete den Gang hinunter zur Leichenhalle und riss die Tür auf. Von Victor fehlte wieder jede Spur. Wann hatte ich ihn das letzte Mal gesehen? Aber das interessierte mich grade wenig. Es war nur hinderlich, da ich jetzt selber den Vorrat durchsuchen musste. Wann beschriftete er endlich mal den Bestand.

Hecktisch zog ich die gesuchten Enzyme hervor und NaCl. Damit verließ ich den Raum wieder zügig und lief zurück in mein Behandlungszimmer. Auf Ezras Hand lag jetzt ein Zugang, das Pflaster war etwas schief geklebt aber das sollte uns nicht hindern.

„Nur noch einen Moment. Es wird bald besser werden.", sagte ich an Ezra gerichtet und reichte Sanji die Enzyme und die NaCl- Lösung. Dann wand ich mich wieder an Ezra. Sanft strich ich seine Tränen fort und eine Haarsträhne aus seinem Gesicht. „Nicht weinen, es hört gleich auf.", versprach ich leise. Es war das mindeste was ich tun konnte und wenn es nicht half hatte ich keine andere Möglichkeit.

„Ezra, sieh mich an. Atme ruhig weiter. Warst du jemals krank? So krank?", fragte ich um ihn davon abzulenken, was Sanji tat. Der kleine Junge schüttelte den Kopf und zwang sich mit Tränen in den Augen weiter zu atmen. Verstehend nickte ich und lauschte weiter seinem Puls. Dieses Stolpern...

„Sanji.", kam es fassungslos über meine Lippen. „Ja?", fragte er verunsichert. „Er ist ein Halbvampir.", keuchte ich und fühlte wie es mir kalt den Rücken runterlief. „Halb?", fragte Sanji verwirrt. Er durfte nicht leben. Jeder Halbvampir, den ich auf die Welt gebracht hatte war gestorben. An diesen Herzfehlern. Aber er bekam sie erst jetzt? Jetzt machten seine Ergebnisse Sinn. „Sanji bring mir Blut.", verlangte ich und sofort verließ er den Raum. „Nein, bitte.", hörte ich Ezra hauchen. Das Atmen schien ihn zwar immer noch zu schmerzen. Aber es war beachtlich wie schnell er auf gehört hatte gegen den Luftmangel zu arbeiten. „Ezra, es ist ein Versuch. Wenn du ein Halbvampir bist sollte es dir in Sekunden besser gehen, wenn du Blut trinkst.", erklärte ich ihm. „Wurde dir im Labor Blut gegeben?", fragte ich. Ezra nickte leicht aber sagte: „Ich habe es aber immer hoch gewürgt. Ich will kein Monster sein. Ich will das nicht sein."

Schnell setzte ich mich zu ihm auf die Liege und zog ihn trösten an mich. „Nicht weinen, Ezra. Die Enzyme müssen erst wirken.", sagte ich sanft.

„Du bist kein Monster. Wir trinken Tierblut. Menschen essen auch tierische Produkte. Das würde sie ebenso zu Monstern machen. Und wenn wir menschliches Blut trinken ist es von Menschen, die uns freiwillig ihr Blut geben.", versuchte ich ihm zu erklären. Ezra griff in mein Hemd und lehnte seinen Kopf gegen meine Brust. Im Augenwinkel sah ich wie er die Augen schloss und anfing tiefer und ruhiger ein und auszuatmen. Dafür, dass er solche Angst hatte, anfangs. „Versuchst du es bitte?", fragte ich sanft. Sofort nickte er.

Wie gerufen kehrte Sanji wenig später zurück und überreichte ihm das Glas. Unsicher nahm er es und sah noch einmal prüfend zu mir. Auffordernd nickte ich ihm zu und beobachtete wie er das Glas an seine Lippen setzte. Langsam schluckte er die etwas dickflüssige Substanz und schloss erst angewidert die Augen. Doch kurz darauf leerte er das Glas zügig und als er es absetzte drücken zwei unglaublich winzige Fangzähne auf seine Unterlippe. „Oh mein Gott.", keuchte Sanji und beugte sich ungläubig vor. „Wie geht es dir?", fragte ich sanft. Ezra griff sich an die Brust und sah mich dann mit leuchtenden Augen an. „Es ist weg.", rief er und atmete tief durch. „Soll ich das...", setzte Sanji an und deutete auf den Zugang. Doch ich schüttelte den Kopf. Sie würden ihm nicht schaden. Da war immer noch eine menschliche Seite, die unter diesem Fehler litt. Aber warum hatte er überlebt? Vielleicht war der Vampirteil dieses Mal stärker gewesen und ließ ihn leben. Wieder lehnte Ezra sich an mich und zog die Beine auf die Liege. Mit einem kleinen Lächeln schloss er die Augen und schien seine neu gewonnene Luft zu genießen.

„Alles okay?", fragte Sanji während er die Verpackungen der Utensilien wegwarf.

„Mein Sohn könnte leben.", sagte ich leise und strich über Ezras Kopf. Sanji verschränkte die Arme. „Du wirst es nicht herausfinden solange wir hier sind.", stellte er fest und begab sich zu meinem Bürostuhl. „Du verstehst nicht. Wenn er lebt. Wenn Lydia lebt. Dann hätte ich sie alleine gelassen... mit unserem Kind. Oder wenn sie diesen Ring in das Labor gebracht hat, dann ist unser Sohn dort draußen. Alleine.", sagte ich und rutschte vorsichtig etwas zurück um mich an die Wand lehnen zu können. Ezra schien eingeschlafen zu sein. „Oder er ist wie jeder andere Halbvampir...", setzte Sanji an und zuckte mit den Schultern. „Wir werden es nicht erfahren. Vielleicht ist Ezra eine absolute Ausnahme.", sagte er und zog seufzend seine Beine auf die Sitzfläche. „Tut mir leid. Ich wollte nicht so harsch sein.", murmelte er und strich sich entnervt durch die Haare. „Was ist los?", fragte ich. Sanji schüttelte leicht den Kopf und murrte: „Mein Halbbruder tapt von einer schlechten Situation in die nächste und dann muss ich auch noch raufinden, dass mein Freund mit meinem Ex was am laufen hat. Aber das hat nichts hier mitzutun und ist sicher auch nur halb so schlimm." Ich musste leicht schmunzeln und erwiderte: „Ranga liebt dich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es bei ihm und Lev über Bisse hinaus geht." Sanji verdrehte die Augen und knurrte: „Lass mich sauer sein. Alleine das Lev hier nicht aufgetaucht ist macht mich sauer genug. Ich habe ihn das letzte Mal bei Ranga gesehen." „Wie du meinst.", erwiderte ich und sah wieder hinab auf Ezras glänzend schwarzes Haar. 

Vamp Zone 《4》Where stories live. Discover now