12. Chrissy

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Vanessa

„Hast du ihr wieder beim Schwänzen geholfen?", fragte ich und setzte mich zu Sorin an den Esstisch. „Sie hat heute Morgen das Haus verlassen.", erwiderte Sorin und sah mich an. „Es ist nur dieses eine Mal im Monat. Sie wird da nicht viel verpassen.", fügte er hinzu und schüttelte leicht den Kopf. „Das macht zwölfmal im Jahr.", erwiderte ich und stützte die Arme auf den Tisch. Sorin seufzte und erhob sich dann von seinem Platz. „Du versuchst wirklich mit keinem einzigen Gedanken sie zu verstehen, oder? Sie ist nicht wie ich und schon gar nicht wie du. Diese verfluchte Nacht ist wichtig für uns. Ohne sie würden Werwölfe aussterben.", rief er und blieb im Türrahmen der Küche stehen. „Aber du hältst eh nicht viel von Intimität. Ich hatte so lange Verständnis für dich. Aber langsam reicht es. Ich schlafe seit einer Woche auf der verdammten Couch, weil dir plötzlich wieder einfällt, dass es ja auch noch Maro gibt. Reiß dich zusammen. Wir haben eine Tochter. Wir! Aber offensichtlich interessierst du dich für sie noch viel weniger als für mich.", rief er und warf das Glas in seiner Hand in die Küche. Scheppernd zerbrach es in der Spüle.

„Papa?", vernahm ich eine dünne, ängstliche Stimme. Sofort verflog Sorins Wut und er sah zur Haustür, in welcher eben genannte Tochter stand. Auf dem Rücken ihre Tasche.

„Tavi.", sagte Sorin und ich sah, wie zwanghaft er die Wut auf mich zu verstecken versuchte.

„Ihr streitet nur noch.", stellte Talvi fest und legte ihre Tasche ab. „Meinetwegen?", fragte sie leise und ging zu ihrem Vater. Sofort zog Sorin sie in ihre Arme und erwiderte: „Nein, Talvi. Es ist alles gut.", beteuerte er und strich ihr zärtlich durch das Haar. „Papa ich bin nicht taub.", murmelte sie und ich sah, wie sie sich an die Klamotten ihres Vaters klammerte. Was sie bei mir nie tat. War ich so eine schreckliche Mutter? Verbat ich ihr zu viel, als dass sie das Gefühl bekommen könnte, sicher bei mir zu sein? Sorin sagte immer nur, dass sie ein Papakind sei, aber damit konnte ich mich nicht zufriedengeben. Ich war doch für sie da gewesen. Er hatte doch zu tun gehabt. Früher war er doch so selten hier. Wie konnte sie also so eine Bindung ...

Schritte auf der Treppe rissen mich aus meinen Gedanken. „Talvi, wohin gehst du?", fragte ich sofort. Meine Tochter blieb stehen und erwiderte: „Darf ich noch irgendwas ohne deine Erlaubnis?" Damit nahm sie die Beine in die Hand und lief nach oben auf ihr Zimmer.

Mein Blick suchte Sorin. Doch was sollte ich jetzt von ihm erwarten? Dennoch lag Mitleid in seinen Augen. „Lass ihr Freiraum. Vanessa, du zerdenkst Dinge so sehr, dass du nicht mitbekommst, wie du andere verletzt.", sagte er und kam seufzend zu mir. „Ich wollte dich nicht anschreien.", murmelte er und legte von hinten seine Arme über meine Schultern. „Was meintest du mit der Intimität?", fragte ich vorsichtig und legte eine Hand auf seine. „Wenn du mir versprichst, Talvi zu ihren Nächten zu lassen.", erwiderte er und ich fühlte wie er noch ein kleines Stück näher zu mir kam. Geschlagen nickte ich.

Langsam löste er sich und setzte sich zu mir an den Tisch und griff nach meiner Hand. „Ich denke, du hast schon mit Ilvy darüber gesprochen. Sie knüpfen Bände aber anders als ihr. Es sind mehr ehrlich biologische Bände. Talvi betrifft das noch nicht. Aber diese Bände sind stärker, wenn sie diese Nächte miteinander verbringen.", erklärte er und strich über meinen Handrücken.

Ich hatte mit Ilvy darüber gesprochen und ich wusste auch noch ganz genau, was ich mir dazu gedacht hatte. Dass Talvi davon nie betroffen sein würde. Sie war ein Hybrid. Sorin hatte das doch auch nicht ...

Meine Augen weiteten sich. Die Nacht. In der Zeit, in der Maro fort gewesen war und Sorin mich in den Wald mitgenommen hatte. War es da passiert?

„Vanessa, bitte versteh es doch. Es ist für sie nicht einfacher, wenn du ihr diesen Kontakt verbietest. Es ich doch auch kein Zwang. Es ...", sagte er, doch ich unterbrach ihn. „Du hattest es auch, richtig? War damals Vollmond?", fragte ich ihn und er schien sofort zu verstehen. „Nessa, das ist unsere Natur. Mach mir das bitte nicht zum Vorwurf.", sagte er und drückte leicht meine Hand. „Es ist kein Zwang?", hackte ich nach. Sorin schüttelte energisch den Kopf und ich sah wie sein Zopf sich leicht löste. „Wir können selber entscheiden, ob wir diesen Vorschlag annehmen. Und du warst das Beste, was ich je hätte bekommen können. So wird es Talvi auch gehen. Sie wird auch irgendwann jemanden treffen, mit dem sie in dieser Nacht sein möchte. Aber sie wird sich entscheiden können, ob sie diesem Ruf nachgeht oder ob sie auf den nächsten Vollmond wartet. Es sind Erfahrung, die sie braucht, um nicht an den falschen zu geraten.", sagte er und rutschte mit dem Stuhl noch etwas näher zu mir.

Vamp Zone 《4》Where stories live. Discover now