47. Aufgaben

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Kenneth

„Hey, nach euch habe ich gesucht.", hörte ich die dunkelhäutige hinter mir sagen. „Nach uns?", fragte ich und nahm sanft Favios Hand, die sich in meine Sweatshirt Jacke krallte. Er hatte solche Angst und dennoch versuchte er es. Vertraute mir. Wovor genau er Angst hatte wusste ich nicht. Ich hatte keine Bissnarben an seinem Körper gesehen. Allerdings hatte ich auch nicht wirklich darauf geachtet. Viel mehr hatte ich auf sein Gesicht gesehen und diese unglaublichen Gefühlsänderungen.

„Wo ist dein Vater?", fragte Cirah und riss mich damit aus den schönen Erinnerungen. Ich zuckte mit den Schultern und erwiderte während ich nach oben zeigte: „Falls du gläubig bist wahrscheinlich da." „Er ist tot?", fragte sie entsetzt. „Ja, schon eine ganze Weile. Zwanzig Jahre ungefähr.", erwiderte ich. Cirah runzelte die Stirn und fragte: „Victor ist nicht dein Vater?" „Stiefvater.", berichtigte ich sie und zuckte mit den Schultern. Im Augenwinkel sah ich wie Favio interessiert zu mir hoch sah. Ich schätzte wir würden noch eine ganze Menge übereinander erfahren. „Okay, dann wo ist dein Stiefvater?", fragte sie und verschränkte die Arme. Irgendwie war es lustig wie sie jetzt wieder auf unnahbar tat obwohl sie grade deutlich gezeigt hatte, dass Victors Tod ihr schon irgendwie den Boden unter den Füßen wegreißen würde. Er war der Grund warum so einiges in diesem Bunker funktionierte wie es funktionierte, nicht zu vergessen die Befreiungen. „Ich habe ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen.", erwiderte ich wahrheitsgemäß. „Ich werde ihn schon finden.", murrte sie und sah dann auf Favio. „Und du? Wann wirst du hier deinen Platz finden? Welche Aufgabe wirst du übernehmen?", fragte sie. Kurz sah Favio sie starr an und ich beobachtete wie seine Augen glasig wurden. „Aufgabe?", wiederholte er unsicher. „Ja, jeder hat hier seinen Teil zu leisten.", erwiderte sie und hob eine Augenbraue. Als ich seine Überforderung erkannte fragte ich: „Was hast du denn in deinem früheren Leben getan? Vielleicht hilft es uns." „Ich...", setzte er nervös an. „Ich habe in der Forschung gearbeitet bevor sie...", setzte er an doch Cirah unterbrach ihn. „Moment, dann stimmt es? Du gehörst zu ihnen?", fragte sie. „Cirah, er wurde da reingeboren.", versuchte ich zu erklären. „Soweit ich weiß werden die Jäger nicht von Genen dazu gezwungen zu sein wie sie sind. Wir jedoch schon. Also ist „reingeboren" kein Argument.", erwiderte Cirah knurrend. „Ich habe versucht mich zu lösen.", warf Favio dazwischen und drückte meine Hand ein wenig fester. Nervös schluckte er und fügte hinzu: „Ich habe versucht zu gehen und habe eine Ausbildung zum Rettungssanitäter gemacht bevor sie mich zurück in die Labore zwangen." Seine Hand fing anzuschwitzen und ängstlich trat er näher zu mir. „Dann melde dich bei Eric.", befahl Cirah und ging an uns vorbei. Sofort atmete Favio erleichtert aus und zog seine Hand aus meiner um sie an seiner Kleidung abzuwischen. „Beruhig dich. Es gibt unter Vampiren genauso unangenehme Charaktere wie unter Menschen auch.", sagte ich schmunzelnd und beobachtete wie er sich tiefdurchatmend durchs Haar fuhr. „Es lässt mich nur so unglaublich schutzlos fühlen. Ken, ich will so nicht denken. Aber meine Eltern...", versuchte er zu erklären. Allerdings unterbrachen ihn seine Tränen und seine Stimme brach. „Vio.", entkam es mir erschrocken und sofort zog ich ihn in meine Arme. „Nein, nein.", sagte er abwehrend und drückte sanft gegen meine Brust. „Es ist nur Angst.", hauchte er und strich sich die Tränen aus den Augen. „Nur Angst.", wiederholte er und atmete erneut tief durch. „Ich beneide dich so, dass du mit Jon groß geworden bist.", sagte er freudlos lachend und sah mich dann wieder an. „Aber du hast doch dennoch erkannt...", setzte ich an. „Ich habe es dennoch getan. Ich habe ihnen geholfen diese Test- und Forschungsergebnisse zu sammeln. Ich habe es ignoriert bis du mir Jon nähergebracht hast.", rief er und schüttelte fassungslos den Kopf.

Sanft nahm ich seinen Arm und zog ihn in einen Raum neben uns. Sicher war es eines der Krankenzimmer, welche zurzeit leer standen. „Aber du sagtest doch, dass du versucht hast dich von ihnen loszusagen.", sagte ich leise und setzte ihn auf den Tisch in der Ecke des Raumes. Favio nickte leichte und fing an in seinem Schoß mit seinen Fingern zu spielen. „Magst du mir mehr erzählen? Du machst dir eindeutig zu viele Vorwürfe, vielleicht kann ich dir helfen.", sagte ich einfühlsam und strich ihm eine hellbraune Strähne hinters Ohr. Nur damit sie wieder zurückfiel, da sie zu kurz war. Jedoch brachte es ihn zum Lachen. Dann hob er den Blick auf meine Brust und sagte: „Bis ich achtzehn war habe ich mich nicht wirklich dagegen gewehrt. Es gab nur ein paar Opfer und offensichtlich waren die schon so zugerichtet, dass jeder in ihnen etwas Böses gesehen hätte. Sie haben mir Angst gemacht und meine Eltern haben mir genug Schauergeschichten erzählt also vertraute ich ihre Meinung." „Du hattest falsche Informationen. Dafür musst dich nicht schlecht fühlen.", erklärte ich sanft und strich über seinen Oberschenkel. Favio nickte leicht und führte weiter: „Dann haben sie mit diesen Laboren angefangen und ich habe die ersten Opfer gesehen. Habe ihr Verhalten gesehen. Das konnte ich nicht mehr und habe versucht mir ein Leben außerhalb aufzubauen. Ich habe diese Ausbildung gemacht und mein... ein Freund hatte mit mir später ein Studio... Tattoos und Piercings. Jedoch bin ich nicht ausgezogen und das war mein Fehler." Er verstummte und ein trauriges Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Freund? War der...", fragte ich vorsichtig. Jedoch verschwand sein Lächeln sofort und er sagte: „Er ist unwichtig. Ohne ihn hätte ich es vielleicht sogar geschafft von diesen schrecklichen Menschen fort zu bleiben." Ich sah wie sehr ihn dieser Gedanke schmerzte und auch wenn es mich wirklich interessierte wer dieser Freund wirklich war, schwieg ich. Es würde mich nicht wundern, wenn Favio schon mehr Erfahrungen was Männer anging hatte. Seine Sicherheit in der letzten Nacht war kaum zu ignorieren gewesen. Er hatte genau gewusst wie er was tat und dabei so unglaublich unschuldig aussah. Wie er seinen Körper einsetzte.

Leicht schüttelte ich den Kopf um diese Gedanken los zu werden. Ich versuchte doch grade ihm zu helfen.

„Wegen dieses Studios haben sie mich eingesetzt für diese Zahlen und weil ich versucht habe mich zu distanzieren haben sie mich ständig überwacht. Es hat so lange gedauert sie davon zu überzeugen, dass ich nur versucht habe mir ein zweites Standbein aufzubauen, das es einfach meine Leidenschaft war. Sie hätten mich irgendwann getötet.", murmelte er und legte zitternd seine Hände an mein Becken. „Sie hätten mich getötet, wenn ich ihnen nicht versprochen hätte dich zu finden.", wimmerte er und sah mit geröteten Augen zu mir auf. „Kenneth, es tut mir leid. Ich war so unglaublich egoistisch.", schluchzte er und griff verzweifelt in mein Shirt. „Vio.", hauchte ich leise und zog ihn in meine Arme. Bebend und weinend krallte er sich an mich. „Du warst nicht egoistisch. Ich... du bist hier und das ist alles was zählt. Du lebst und du hilfst uns. Vielleicht schaffen wir es auch dich wie Victor...", versuchte ich ihn zu beruhigen. Allerdings schüttelte er panisch den Kopf. „Schick mich nicht zurück. Sie werden mich töten. Sie werden Wege finden alles aus mir rauszuholen. Dein Stiefvater kann das vielleicht aber mich kennen sie zu gut. Sie können mich so leicht zerstören.", wimmerte er und drückte sich noch etwas fester an mich. „Hey, das war kein Muss. Nur eine Möglichkeit.", erwiderte ich beruhigend und strich über seinen Kopf. Es war absurd wie sehr man sah, dass die Jäger sich aus Psyche wenig machten. Auch bei ihren eigenen Leuten. „Ich bin ihnen so egal.", hörte ich ihn leise sagen. „Wenn ich da je wieder ohne dich oder deine Leiche aufkreuze, werden sie mich erschießen.", schluchzte er und rang zitternd nach Luft. „Aber deine Eltern...", setzte ich an. „Sie würden mich auch nicht schützen.", erwiderte er weinend.

Bei dieser Aussage musste ich an die Zeit nach Jons Verlegung denken. Victor hatte alles getan damit sie keinen Grund hatten mich zu töten obwohl sie genügend Gründe gehabt hätten. Alleine weil ich Jon verteidigt hatte und Risa verschwunden war obwohl mir aufgetragen wurde sie zu töten. Victor hätte mich niemals sterben lassen.

Fest schloss ich den Älteren in meine Arme und legte meinen Kopf auf seinem ab. Er war mit dieser Todesangst groß geworden. Da war es ja klar, dass er so zerstört war. 

Vamp Zone 《4》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt