15. Wirf mich raus

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Nael

„Moe.", war das Erste, was ich aus meiner eigenen Kehle hörte. Dann nahm ich eine Hand in meiner wahr. Zuckend schloss ich meine Finger um diese und legte dann den Kopf auf die Seite. Doch mitten in der Bewegung wurde ich unterbrochen. Schlanke Finger legten sich an meine Schläfe und hielten meinen Kopf. „Nicht. Die Nähte werden reißen.", hörte ich meinen Halbbruder sagen. Nähte? Langsam öffnete ich die Augen und blinzelte gegen das helle Licht über mir. Sanji strich mir sanft über die Stirn und somit meine Haare zurück. „Alles gut. Du bist in Sicherheit.", hauchte er leise und schien sich auf einen Stuhl an meinem Kopfende zusetzen, denn er verschwand aus meinem direkten Blickfeld. „Moe?", wiederholte ich mit schwacher Stimme. Doch diesmal wurde meine Hand fester umfasst und ein zweites Gesicht schob sich in mein Blickfeld.

Shota.

„Mach dir keine Gedanken. Er wird dir nichts mehr tun können.", sagte er sanft und strich über meinen Handrücken. Tun? „Verschwinde.", krächzte ich leise. Fing er schon wieder an alles zerstören zu wollen? Er sollte bloß Moe in Ruhe lassen. „Nael, er hat dir geholfen. Ich konnte dich nicht alleine zusammenflicken.", sagte Sanji und erneut fühlte ich seine Hand in meinen Haaren.

Mir war egal, ob er mir geholfen hatte. Er versuchte sich schon wieder zwischen mich und Moe zustellen. Zwischen unsere ... Moment.

Schockiert fuhr ich hoch und griff mir an den Hals. Er hatte mich gebissen. Das waren nicht meine Gedanken. Das war nicht, was ich wollte. „Sanji.", wimmerte ich und sofort schob mein Halbbruder unseren Vater beiseite und trat an meine Seite. „Da ... es ... ich ... ich will nicht so denken.", stammelte ich verzweifelt und tastete nach seinen Händen ohne meinen Kopf zudrehen, denn langsam nahm ich den Schmerz in meinem Hals wahr. „Was denken?", fragte er und nahm meine Hände, als ich seine nicht fand. „Er ist in meinem Kopf.", hauchte ich und schloss fest meine Finger um seine. „Ich will nicht so über ihn denken.", winselte ich und fühlte wie mir Tränen in die Augen stiegen.

Im Augenwinkel sah ich wie Sanji sich bewegte und kurz darauf saß er vor mir auf dem Bett. Sanft zog er meine Beine links und rechts an seiner Hüfte vorbei und zog mich dann in seine Arme. „Es hat nicht funktioniert.", hörte ich ihn leise sagen, aber offensichtlich nicht an mich gerichtet. „Wenn es ihm besser geht, entfernen wir die Narbe. Es wird funktionieren. Es ist ihm bewusst.", hörte ich meinen Vater sagen. Aber es war mir egal. Mich beschäftigte nur, weshalb ich von Moe dachte, als wäre er mein Partner. Auf der anderen Seite mich jedoch dagegen wehren konnte. Schluchzend klammerte ich mich an meinen Halbbruder und versuchte Trost in seiner Berührung zu finden. „Ich hätte, das nicht zu lassen dürfen.", hauchte er leise und ich fühlte wie er seine Wange an meine Schläfe legte. „Es tut mir leid.", fügte er hinzu und strich mir liebevoll durchs Haar. Doch es war nicht seine Schuld. Es war meine, dass ich Moes Warnung nicht ernst genommen hatte und dass ich deswegen jetzt hier saß und mein Herz sich wünschte, dass es nicht Sanji war, welcher hier vor mir saß. „Er hat mich gewarnt.", presste ich also leise zwischen zwei Schluchzern hervor und griff noch fester in Sanjis Oberteil. „Jetzt rede ihn nicht wieder gut.", hörte ich meinen Vater schimpfen. „Dir muss doch langsam selber auffallen, dass Alpha für Omega nur Ärger bedeuten.", keifte er. „Entschuldige?", hörte ich Sanji sagen. „Ran war nicht immer ein Alpha.", hörte ich meinen Vater erwidern. War er jetzt plötzlich doch mit Ranga einverstanden?

„Ich ... kann ich ... auf mein Zimmer?", fragte ich leise. „Trink bitte erst.", erwiderte Sanji und reichte mir ein Glas vom Beistelltisch. Unsicher löste ich mich von ihm und nahm es entgegen, um es dann zu leeren.

Wie versprochen, ließ Sanji mich gehen. Zu meinem Glück sogar alleine. Mit fest zusammen gepressten Lippen stieg ich in den Aufzug. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich jetzt noch laufen könnte. Trotz des Blutes.

„Nael.", hörte ich meinen ältesten Bruder sagen und fuhr zusammen. „Du stehst ja schon wieder. Du brauchst keine Angst zu haben. Wir haben Moe in eine der Zellen gesperrt.", sagte er und legte eine Hand über meine Schultern. Ich nickte leicht und sah zu den Schalttasten. Atayos Finger legte sich auf die Zwei und sofort leuchtete sie auf. Für mich drückte er die Drei. „Alles okay?", fragte er und erst jetzt sah ich zu ihm und schaute auf den großen Sack über seiner Schulter. „Ja.", sagte ich mit rauer Stimme. Atayo lächelte schief und wuschelte einmal durch meine Haare, bevor er dann durch die sich wieder öffnende Tür verschwand.

Dann schlossen sie sich wieder und ich verblieb alleine. Zwischen uns war immer noch diese seltsame Distanz. Ich wusste von Sanji, dass er mich in jedem Gespräch schützte, aber selber wechselte ich nur wenige Worte mit ihm.

Schon wieder starrte ich auf die Schaltfläche. Im Augenwinkel sah ich, dass sich die Tür öffnete, doch ich blieb stehen. Dann hob sich wie ferngesteuert mein Arm und ich drückte auf die Vier. „Nein.", schrie es in meinem Kopf, aber etwas hinderte mich daran so handeln zu können wie ich es wollte.

Wie eine Marionette verließ ich auf der vierten Ebene den Fahrstuhl und lief den Gang entlang. An der Technik und den Beratungsräumen vorbei. Eine kleine Treppe hinunter, dann stand ich in dem langen Gang mit den identischen Zellen. Jede Tür stand einen Spalt offen. Bis auf eine.

Da ein Ausbruch ziemlich schnell auffallen würde, war es für jeden möglich, die Zellen von außen zu öffnen. Nur von innen nicht. So war es auch gesichert, dass jeder einzelne die Gefangenen befreien könnte, sollten wir doch gefunden werden. Ohne groß zu zögern, drehte ich den Knauf herum und zog die schwere Tür auf. In meinem Kopf wütete weiter diese Stimme. Ich solle umkehren.

„Nael?"

Sofort wurde es warm um mein Herz und mein Blick suchte die Quelle der Stimme. „Moe.", hauchte ich leise und beobachtete wie er von dem Stuhl aufstand, auf dem er gesessen hatte. Seine Brust hob und senkte sich hektisch. „Nael, geh. Bitte geh.", flehte er und presste sich an die Zellenwand. Ich jedoch zog meinen Schuh aus und klemmte ihn in das Schloss der Tür. Da die Sohle so dünn war, konnte ich sie zuziehen, das Schloss jedoch nicht einrasten. „Was hast du vor?", fragte Moe mit zittriger Stimme. Doch ich ging nur weiter auf ihn zu. „Nael, sie haben den Biss entfernt. Du bist bei mir nicht sicher. Nael, tu mir das nicht an.", winselte er und beobachtet mit ängstlichen Augen, wie ich weiter auf ihn zukomme. „Ich bin nirgends sicherer als bei dir.", hörte ich mich selber sagen. „Moe, ich habe dir unrecht getan. Die ganzen Jahre hast du nur versucht mich zu schützen. Doch was tue ich ...?", setzte ich hinzu und trat näher. Gefangen in meinem Körper musste ich zusehen, wie ich meine Hände auf seine Brust legte. „Nael.", kam es leise über seine Lippen. Ich sah diese Zuneigung in seinen Augen und dennoch drehte sich alles in meinem Magen. Ich wollte nicht so handeln. Aber er dachte, es wären meine Handlungen. Was ich ihm nicht mal verübeln konnte. „Ich hätte diese Narbe getragen.", sagte ich und spürte kurz darauf wie eine Träne über meine Wange rollte. Das einzige Zeichen, das meinen wahren Willen preisgab. Aber es war nicht deutlich genug. Sanft strich Moe die Träne von meiner Haut. „Was willst du damit sagen?", fragte er sanft. Warum fiel er nicht über mich her? War es, weil sein letzter Konsum noch nicht so lang her war? „Ich will dein sein.", wisperte ich leise und schmiegte mich an seine Brust. „Nimm mich.", fügte ich hinzu. Wirf mich raus. Bitte wirf mich raus. Wie damals. Tue es wieder. Ich werde dich dafür nicht hassen. Nur tu es wieder.

Vamp Zone 《4》Where stories live. Discover now