44. Ich wünschte sie hätten mich erschossen

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Cirah

„Herein.", murrte ich als es leise an meiner Tür klopfte. Wenn es wieder eine lächerliche Bitte war, dann würden heute noch Köpfe rollen. „Sicher, dass es grade passt? Ich kann auch später wiederkommen.", vernahm ich die leise Stimme von Erics Bruder. Die ganzen sieben Jahre hatte er kaum ein Wort mit mir gewechselt. Sicher, weil ich ihn weggesperrt hatte. „Nein, komm rein.", erwiderte ich und legte Yamas Technikliste weg. Was der alles für Forderungen hatte. Jon schluckte fest und schloss dann die Tür hinter sich. „Mein Bruder wird in naher Zukunft mich nicht mehr auf dem Dach vertreten können.", brachte er hervor und ich beobachtete belustigt wie er anfing an seinen Fingern zu ziehen. „Ich denke, es wäre von Vorteil kleinere Schichten mit mehr Personen zu vergeben. Es ist schwer für mich Ersatz zu finden, der mir ermöglicht zu schlafen oder Zeit mit meiner Familie...", führt er fort unterbrach sich jedoch selber. „Ich weiß, dass es hier um die Allgemeinheit geht.", erklärte er und strich sich nervös durchs Haar. „Ist okay. Ich weiß, dass du nicht unbedingt den besten Start in diese Allgemeinheit hattest.", erwiderte ich und zog ein leeres Blatt aus meinem Stapel. „Wir haben nur leider nicht sehr viele freie Leute. Also kann ich nichts versprechen.", erklärte ich und zog eins meiner Beine auf die Sitzfläche meines Stuhles. Das Leder knatschte leise und ich sah wie Jon unwohl einen halben Schritt zurückwich. „Ich denke, wir hatten einen schlechten Start.", stellte ich fest. Erics Familie wirkte immer so mächtig und selbstbestimmt. Da vergaß man leider, dass der jüngste nur ein Beta war. Zumal er das in Anwesenheit seiner Brüder nicht durchscheinen ließ. „Es tut mir leid.", sagte er leise und senkte den Blick. „Ich wollte nicht auf eine Entschuldigung hinaus. Ich wollte viel mehr, dass du verstehst warum ich es tun musste.", erwiderte ich und lehnte mich auf meinem Stuhl zurück. „Ich war nicht kontrolliert genug.", sagte er mit rauer Stimme und zwang sich aufzusehen. „Du hast nur die Gefahr gesehen. Das verstehe ich.", fügte er hinzu und ich beobachtete wie seine Augenfarbe anfing auszubleichen. „Aber deswegen bin ich nicht hier.", sagte er gedrückt und ballte die Hände zu Fäusten. Also senkte ich meinen Fuß wieder auf den Boden und lehnte mich auf meinen Tisch vor. „Jon, ich hoffe du weißt welche Macht ich hier innehabe.", sagte ich lächelnd und beobachtete belustigt wie sich seine Nasenflügel hoben und senkten. „Du bist auf mich angewiesen. Ohne mich oder Moe...", fauchte er und seine Fangzähne drückten wenig später auf seine Unterlippe. „Ich glaube ein wenig Zeit würde dir ganz guttun.", stellte ich fest und stützte meinen Kopf auf meine Hände. „Dazu hast du kein Recht. Ich habe gegen keines deiner lächerlichen Gesetze verstoßen.", rief er und alarmierte so selber die beiden Alpha aus Atayos Trupp, die vor der Tür standen. „Gebt ihm eine Auszeit.", sagte ich und ignorierte so gut ich konnte sein Gezeter.

Gleichzeitig betrat Annabelle den Raum. „Was war das?", fragte sie und schloss die Tür. „Das was allen passiert die meine Autorität untergraben.", murrte ich. Anna verschränkte die Arme und erwiderte: „Cirah, das muss aufhören. Ich kann mir das nicht mehr ansehen. Ich weiß, dass du nur versuchst alles am laufen zu halten. Aber das funktioniert so nicht. Das ist keine Demokratie. Du kannst nicht jeden Konflikt damit lösen die Person zu bestrafen."

Mit dunklen Augen stand ich von meinem Stuhl auf und ging auf sie zu. Jedoch wich sie nicht zurück, was dem Alpha in mir mehr als missfiel. Grob stieß ich sie zurück an die Wand und presste ihre Handgelenke mit beiden Händen an den Beton über ihr. „Willst du die nächste sein?", knurrte ich und fletschte die Zähne. „Cirah, das bist du nicht. Das ist nicht die Frau in die ich mich verliebt habe. Wenn dir das hier alles zu viel wir, dann sag es doch bitte einfach. Wir finden eine Lösung. Es ist doch keine Schwäche...", versuchte sie zu erklären. „Doch. Natürlich ist es eine Schwäche.", schrie ich sie an. „Wir haben das hier aufgebaut und ich bin für das Leben dieser Vampire verantwortlich. Alleine ich.", keifte ich. Doch Anna schüttelte leicht mit dem Kopf und erwiderte: „Du bist nicht alleine. Cirah, diese Bitten. Du denkst, sie seien nervig und unnötig. Sie sind es nicht. Sie spiegeln nur wider was unser Volk braucht. Sie können selber für sich sorgen, wenn du es zulässt. Gib doch etwas von deiner Verantwortung ab." Ein tiefes Knurren kam über meine Lippen und endlich konnte ich die Angst in ihren Augen sehen. „Wag es nie wieder.", sagte ich gefährlich leise und löste mich ruckartig von ihr.

„Cirah, ich habe dich ehrlich geliebt. Das weißt du. Aber jetzt... ich wünschte sie hätten mich auf dem Festival erschossen und du müsstest mit diesem Leid leben, das ich in deinen Augen sah als du mich nicht fandest.", hörte ich sie sagen. Kurz darauf fiel die Tür zu.

War es vorbei? Hatte sie endlich eingesehen, dass ich nicht gut für sie war? Dass sie bei mir keine Sicherheit fand.

Sofort zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Ich wollte sie, wollte ihr Mahl tragen. Mir nie wieder Sorgen darum machen wo sie war und ob sie lebte. Aber hier und jetzt würde ich ihr kein sicheres Leben geben können. Ich war im Schussfeld. Solange ich alleine die Verantwortung trug war ich im Schussfeld und niemand anders. Schon gar nicht sie. Schon gar nicht Anna. Sie sollte leben. Ich durfte nicht egoistisch sein. Sonst würde ich sie mit in den Tod reißen.

Moe

Sanft strich ich ihm die langen Haare aus dem Gesicht. Menschen schliefen echt lang und dazu kam auch noch, dass sein Körper so unglaublich erschöpft war. Die wenigen Stunden, die er mal wach war hatte er nicht viel gesagt. Er schien auch nicht wirklich klar zu sein. Aber er suchte Schutz bei mir. Schmiegte sich an meinen Körper und fing an zu wimmern, wenn ich ging.

Doch seine Worte kreisten in meinem Kopf. Kurz bevor Eric ihn operierte. Er würde nicht fühlen wozu ihn das Band zwang. Doch jetzt das? Und es war nichts was kurz anhielt. Er verhielt sich schon etwas mehr als eine Woche so.

Ein kleines Murren ließ mich wieder ins Hier und Jetzt kommen. „Moe.", sagte er heiser und richtete sich etwas auf. „Ich bin hier.", versicherte ich ihm und legte sanft meinen Arm um seinen Rücken. „Wie lange war ich weg?", hauchte er und sah mich aus benommenen Augen an. „Ungefähr eine Woche.", erwiderte ich und strich erneut eine Strähne hinter sein Ohr. „Du lebst.", kam es leise über seine Lippen. „Ich lebe.", erwiderte ich und beobachtete schmunzelnd wie er seinen Kopf wieder auf meine Brust bettete. „Es tut mir so leid. Was ich getan habe war nicht okay. Du hast versucht mich zu schützen. Vor all dem hier. Du wolltest mich nicht verletzen und ich habe so einen Aufstand gemacht ohne zu wissen was mir gedroht hätte. Ich bin lieber liebeskrank, als das hier noch einmal zu erleben. Zu wissen, dass ich an deinem leiden schuld bin.", winselte er und sofort flossen dicke Tränen über seine Wangen und durchtränkten mein Oberteil. Er hatte mich geliebt? Das klang vorher ganz anders. „Nael...", setzte ich leise an. Doch sein Kopf fuhr in die Höhe und er sah mich mit tränenden Augen an. „Ich weiß, ich war schrecklich zu dir. Aber bitte lass mich nie wieder links liegen. Schick mich nicht mehr weg.", schluchzte er. Okay, er war eindeutig nicht ganz klar. Dennoch berührten mich seine Worte und ich fühlte wie mein Herz schneller schlug. „Nael, ich werde immer hier sein und ich habe auch immer auf die geachtet. Es tut mir leid, dass ich diesen Abstand zu dir gehalten habe und dir das Gefühl gegeben habe, dass ich nicht bei dir sei.", sagte ich leise und strich sanft über seine Wange. Seine Tränen versiegten langsam nur noch einzeln tropften sie auf meine Brust bis ich nur noch in diese geröteten Augen sah.

„Du hast mir diese wundervollen Gefühle gezeigt.", sagte er leise und rutschte noch etwas höher. „Zeig sie mir nochmal. Lass uns von vorne beginnen.", hauchte er und bevor ich verstand worauf er hinaus wollte lagen seine Lippen erneut auf meinen.

Erschrocken riss ich die Augen auf und sah auf seine geschlossenen Lider. Seine dunklen Wimpern, nur einzelne helle. Shota würde mich töten, wenn er hier von wüsste. Aber dieser Gedanke wurde von einer Welle an Gefühlen überrollt. Das Kribbeln in meinen Lippen, das Wummern in meiner Brust. Keuchend griff ich sanft in seine Haut und drückte ihn fester an mich atmete tief durch und vermisste seine Pheromone. Allerdings war ich ebenfalls auch froh, dass sie nicht dort waren. 

Vamp Zone 《4》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt