26. Kinder

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Kenneth

„Kann ich dir helfen?", hörte ich seine leise Stimme. Die letzten zwei Tage hatte er sich in dem Zimmer verschanzt, in das ich ihn gebracht hatte. Doch jetzt sah ich im Augenwinkel, wie er nervös durch die Ausblutungsstation sah. „Ich glaube grade nicht. Sieht grade mau aus.", erwiderte ich und trat auf ihn zu. „Was tust du hier?", fragte er und sah weiter über die Tierleichen an der Decke. „Sie trinken Tierblut. Wir essen das Fleisch.", erwiderte ich trocken und schob ihn aus der nach Eisen riechenden Kammer in den Gemüselagerraum. „So viel?", fragte er fassungslos. Ich zuckte leicht mit den Schultern. „Ich mache es haltbar und im Winter können wir mit sowas nicht rechnen.", erwiderte ich und deutete auf die Früchte in den Körben. „Das machst du seit sieben Jahren?", fragte er leise und sah mich entgeistert an. Ich nickte leicht und lehnte mich an den Türrahmen in meinem Rücken. „Wie viele Menschen leben hier?", fragte er weiter und fing an durch die Regale zu gehen. „Bisher dreieinhalb.", erwiderte ich. „Wer?", kam es zurück. „Victor, ein Freund von dem Schwager von Jon und ich. Plus eben genannten Schwager, er ist nur ein halber Mensch.", formulierte ich und stellte dabei selber fest, wie absurd das klang. „Warum nur halb?", fragte Favio und kam zu mir zurück. „Weil er periodisch zu einem Menschen wird, obwohl er ein Vampir ist. Es liegt an dem Mittel, was wir auch damals verwendet haben.", erwiderte ich. Favios Augen weiteten sich leicht. Ihm war bestimmt klar, dass die Untersuchungen und Versuche Nachwirkungen hatten. Aber ich verstand auch, dass es was anderes war, wenn man es dann wirklich erfuhr.

„Das ist dann aber doch noch eine Menge.", wisperte er ehrfürchtig. Ich nickte leicht und sah zu Boden. Vegetarier durfte man hier nicht sein. Wir hatten nur die Reste, die die Vampire übrigließen und ich musste sagen, nicht jedes Fleisch schmeckte. Um so glücklich war ich damals gewesen, wenn Victor etwas aus der menschlichen Welt mitgebracht hatte. Jedoch wurde es immer seltener.

„Danke.", vernahm ich seine schwache Stimme. „Wofür?", fragte ich und sah wieder auf in seine zweifarbigen Augen. „Dass du mich da rausgezogen hast. Wenn du keine Lösung gefunden hättest ... Ich hätte nicht mit dem Wissen leben können, dich getötet zu haben.", sagte er und überbrückte den letzten Meter zwischen uns, um seine Arme in meinen Nacken zu legen. Ich konnte nur erneut nicken.

„Ken?"

Erschrocken zuckte Favio zurück und sah auf die zweite Tür in diesem Raum, welche auf den Flur führte. „Stör ich?", fragte der Rotblonde und ich konnte sehen, wie er unwohl eine Hand auf seinen Hüftknochen legte. „Nein, alles gut.", erwiderte ich. Jon räusperte sich und sagte dann: „Eric ist zurück. Seit ein paar Tagen. Er hat einen Menschen mitgebracht. Ich denke, es ist unnötig zu fragen, ob wir dafür genug Verpflegung haben."

Im Augenwinkel sah ich, wie Favio anfing, nervös von einem Fuß auf den anderen zu treten. Sicher ein weiterer Grund, weshalb er so lange auf seinem Zimmer geblieben ist. Die Freiheit der Vampire machte ihm Angst. Und grade bei Jon. Auch wenn es einfach nur sein Job gewesen war. Jon wusste, wer ihn tätowiert hatte und Favio machte sich Sorgen darum, dass er sich dafür rechen würde. Dafür war allerdings Jon viel zu traumatisiert. „Ich denke, das wird schon.", erwiderte ich und sah über die Regale. Die Ausbeute war dieses Jahr besser als letztes und an den Pflanzen oben wuchsen immer noch die Früchte.

„Kann ich dich noch was fragen?", fragte Jon und atmete tief durch. Ohne meine Antwort abzuwarten, sagte er: „Wenn du vor sechs Jahren eine Partnerin gehabt hättest ... könntest du jetzt schon neu anfangen, obwohl ihr euch nicht getrennt habt?" Ich sah, wie Favio mich ansah. Ob er auch wissen wollte, ob ich eine neue Partnerin gefunden hatte? Ich dachte, er sei der Meinung, dass wir das vergessen sollten.

„Schwierig zu beurteilen, wenn man nie eine Beziehung hatte.", erwiderte ich und lächelte schief. Jon nickte verstehend und seufzte dann leise. „Eric wird Lydia betrügen.", fügte er hinzu. „Nur weil er der festen Überzeugung ist, sie ist tot.", knurrte er jetzt schon fast.

Vamp Zone 《4》Where stories live. Discover now