59. Ich bin für dich da

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Vanessa

„Gehst du nach ihm sehen?", hörte ich Sorin sagen. „Ihm?", fragte ich verschlafen und richtete mich auf. Wobei ich merkte, dass mir speiübel wurde. Allerdings war nichts in meinem Magen was ich los werden konnte. „Valea. Ich kann heute nicht zu ihm und die Heilerin wird auch nicht den ganzen Tag bei ihm sein können.", erklärte er während er sein Hemd vor seiner muskulösen Brust zuknöpfte. Ich verdrehte leicht die Augen und lehnte mich an das Kopfende. Sorin hob seinen Blick und fügte hinzu: „Ich weiß, dass du nicht viel von ihm hälst. Aber er braucht grade Beistand und ich muss mich um die Sicherheit unseres Rudels kümmern." „Dein Rudel.", murrte ich und legte den Kopf in den Nacken. „Nessa. Fangen wir jetzt wieder damit an?", fragte er und setzte sich neben mir aufs Bett. „Ich bin kein Wolf, Sorin. Werde ich nie sein. Also zähl mich nicht dazu.", erwiderte ich und sah ihn aus halbgeschlossenen Augen an. „Wie du meinst.", murmelte er und erhob sich wieder. Sanft küsste er meine Stirn bevor er sich seine Jacke schnappte und zur Tür ging. Dann hörte ich ihn noch sagen: „Schau bitte wenigstens kurz nach ihm. Hilf ihm etwas zutrinken." Bevor ich antworten konnte schlug die Tür zu.

Ich hatte ihn wieder verletzt.

Mit einem beklommenen Gefühl legte ich mich wieder auf die Seite und starrte auf seine Seite des Bettes. Er gab sich so viel Mühe. Er war so liebevoll. Er schien keine Last tragen zu müssen. Er kümmerte sich um unsere Tochter ohne das sie sich anschrien. Er war so verdammt wundervoll. Und doch liebte er mich, wollte mich an seiner Seite. Egal wie eklig ich zu ihm war. Egal wie launisch.

Meine kalten Finger tasteten nach meinem Bauch. Ein weiteres Kind, das ihn mehr lieben würde. Für das ich meine Kraft gab. Für das ich Schmerzen aushielt. Nur um die schlechteste Mutter zu sein.

Als die erste Träne über meinen Nasenrücken tropfte richtete ich mich entschieden auf und zog mich an. Wenn er sich um fremde Kinder sorgen konnte sollte ich es vielleicht zumindest versuchen.

Die Sohlen meiner Lederschuhe machten leise, tappende Geräusche als ich über den Mittelweg Valeas Hütte ansteuerte. Der lange Rock schlug mir immer wieder um die Knöchel und ich fühlte die neugierigen Blicke auf mir. Eindeutig zeigte ich mich zu selten. Unwohl zog ich die dünne Jacke fester um meinen Oberkörper und bog auf den schmalen Pfad ab. Mit schnellen Schritten huschte ich die Veranda herauf und öffnete leise die Tür.

Sofort roch ich das Blut und blieb erschüttert stehen. Als Sorin sagte Valea wäre angegriffen worden hatte ich mir einen dummen Jungenkampf vorgestellt. Ein paar blaue Flecken und Prellungen aber die Masse an Blut die ich roch ließ auf Fleischwunden schließen.

Leise durchquerte ich das Wohnzimmer und öffnete die Schlafzimmertür. Valea lag auf die Seite gedreht. Seine matschroten, langen Haare lagen zerzaust auf dem Kopfkissen.

Mit langsamen Schritten trat ich näher und legte eine Hand auf seine Stirn. Glühend heiß. Heißer als für einen Wolf gut. Meine Hand wanderte an seinen Nacken und ertastete auch dort die Temperatur. Allerdings seufzte Valea in diesem Moment wohlig auf. Erschrocken zog ich die Hand zurück.

„Es ist eure kalte Haut.", sagte eine raue Stimme hinter mir. Die Heilerin. Doch ich drehte mich nicht zu ihr. Mein Blick galt Valeas Gesicht. Ich konnte seinen Schmerz sehen, sein Leiden. Das hatte er für meine Tochter getan. Hatte in kaufgenommen zu sterben. „Wie schlimm ist es?", fragte ich leise und beobachtete wie die Heilerin die Decke zurück schlug und den ersten Verband löste. Auf seinem Oberarm glühten Krallenspuren. „Sie haben sich entzündet. Aber er ist abgehärtet. Es wird dauern aber er schafft es.", sagte sie mit ihrer alten Stimme. Sie reinigte die Wunden und verband es erneut. Dann machte sie an seiner Taille weiter. Allerdings weckte sie ihn damit. Schmerzverzerrt keuchte er und griff mit der Hand seines unverletzten Armes ins Laken. Was war das für ein Gefühl? Sorge? Sorgte ich mich um ihn?

Langsam ließ ich mich neben ihn sinken und griff nach seiner Hand während die Heilerin weiter die Wunde von dem Verband trennte. Schwer atmend öffnete Valea die Augen und sah zu mir auf als sie kurz den Raum verließ, wahrscheinlich um frisches Wasser zu holen. „Ihr...", setzte er an. „Sei nicht so förmlich.", hörte ich mich sagen und beobachtete wie ich meine Hand an seine Wange hob. Sofort schlossen sich seine Augen wieder und er schmiegte seine glühende Wange in meine Hand. Er war ein kleiner Junge. Sein Aussehen hatte mich getäuscht. Er war grade erst erwachsen geworden, lebte sicher nicht nur die paar Jahre die er hier war ohne elterlichen Bezug.

Die Heilerin kam wieder und reinigte den tiefen Biss in seiner Seite um dann auf seinem Rücken weiter zu machen. Die ganze Behandlung über hielt ich seine Hand und beobachtete jede Regung seines Gesichts. Sein Atem war keuchend und brachte ab und an ein Winseln über seine Lippen. Seine ganze Erscheinung regten meinen Mutterinstinkt an und ließ mich wünschen ihm den Schmerz nehmen zu können. Das ich an seiner Stelle meine Tochter geschützt hätte.

„Er sollte sich ausruhen.", hörte ich die raue Stimme der Heilerin sagen. Abwesend nickte ich und bekam nicht wirklich mit wie sie die Hütte verließ.

„Valea.", kam es leise über meine Lippen und er schlug erneut die Augen auf. Helles braun, fast rötlich orange. „Ich hätte dich nie so abwertend behandeln dürfen.", sagte ich ruhig und hob meine freie Hand an seinen Kopf. Sanft strich ich über seine Schläfe und durch sein Haar. „Das hast du nicht verdient.", fügte ich betroffen hinzu und sah auf seine Lippen, die sich leicht nach oben zogen. „Ihr habt eure Gründe und das akzeptiere ich.", erwiderte er. „Nein, die habe ich nicht.", sagte ich und lächelte traurig. „Für Sorin bist du wie ein Sohn.", hauchte ich und ließ erneut meinen Blick über das junge Gesicht gleiten. Valea schnaubte und murmelte: „Da täuscht ihr euch. Niemand sah je in mir einen Sohn." Leicht legte ich den Kopf schief und sah sofort die Angst in seinen Augen. Er hatte mir widersprochen. Doch das war nicht der Grund. „Sorin sieht in dir einen Sohn und es war mein Fehler es ihm nicht gleich zutun. Ich weiß, dass du... dass deine Mutter früh starb und vielleicht brauchst du auch keine Mutter. Aber wenn doch... Ich werde mein bestes geben dieser Rolle gerecht zu werden.", sagte ich stockend und musterte das Gefühlsspiel auf seinem Gesicht. Kurz blieb es still. Kein Laut war zuhören außer das Ticken der Uhr und unser Atem.

„Du solltest dich ausruhen.", kam es leise über meine Lippen. Sanft zog ich die Decke über seinen Körper und mied es ihm ins Gesicht zu sehen. Ich sah, dass er an meinen Worten zweifelte und jetzt hatte ich Angst die selbe Ablehnung in seinen Augen zu sehen wie in Talvis.

Wie sehr müsste es schmerzen, wenn ich schon Talvis Ablehnung... „Danke.", unterbrach seine dünne Stimme meine Gedanken. „Das weiß ich zu schätzen. Ich kann verstehen, wieso ihr am Anfang Schwierigkeiten mit mir hattet und es bedeutet mir viel, dass ihr das grade gesagt habt.", fügte er hinzu. „Gerne. Nur Valea, tu mir einen Gefallen. Ich bin Vanessa. Niemand hohes. Nicht für dich.", erwiderte ich und lächelte ihn sanft an. „Vanessa.", wiederholte er und ich nickte dann leicht. „Schlaf jetzt.", sagte ich schmunzelnd und strich erneut fürsorglich über seine Schläfe.

Vamp Zone 《4》Where stories live. Discover now