83. Fa

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Belial

Immer wieder sah ich auf mein Handy, welches zum einen die Zeit zeigte und zum Anderen den Knopf, welchen ich berühren müsste um mich ein für alle mal von Favio zu trennen. Doch eigentlich konnte ich das nicht. Schon seit Jahren war er an meiner Seite gewesen und hatte mich gebraucht. Wie kalt musste man sein um einen jüngeren zu töten? Einen, der verloren in dieser Welt war. Jemanden den man vielleicht sogar liebte.

Mein Blick blieb bei der Uhr hängen. Sollte ich bis heute Abend warten? Es war der letzte Tag. Würde er kommen? Oder war ihm dieser Verräter so ans Herz gewachsen? Von den Überwachungskameras wusste ich, dass Favio sehr wohl von Kenneths Verrat wusste, ihn sogar in teilen unterstützt hatte. Und ich wusste ebenso, dass die beiden mehr für einander waren als nur Kollegen. Allerdings stand in Favios Verhörprotokoll, dass er das getan hätte um Kenneths Vertrauen zu erlangen. Wem wollte man also glauben?

Dazu kam, dass ich nicht mal einschätzen konnte ob er zurück kommen wollte. Er hatte sich gut getarnt. Bei der Straßensperre hätte ich ihn fast nicht erkannt. So viel schlanker, erwachsener. Ja, sogar größer. Nur sein Geruch und sein Angst. Sein bebender Körper unter meinen Fingern.

Sofort sah ich ihn wieder in meinen Lacken liegen. Die Wangen rot vor Scharm und die Gliedmaßen zitternd um den Körper geschlungen. Unsicher, was er tun sollte und durfte.

„Da kommt ein Wagen. Ein weißer Van", hörte ich jemand vom Gang rufen. Erschrocken zuckte ich zusammen und riss fast ein Reaganzglashalter vom Tisch. Hecktisch fing ich ihn ab und sprang dann von meinem Platz.

Wir wussten wem diese Vans gehörten. Sie wurden oft genug von unseren Kameras entdeckt. Doch außerhalb waren sie schwer zu finden. Da es so viele von ihnen gab. Auch Vans, welche nicht den Vampiren gehörten.

Auf dem Weg nach unten zog ich mein Handy erneut hervor. Doch auch, wenn man erste Gedanke war, dass er Schuld an einem Angriff auf uns sein könnte, konnte ich den Auslöser nicht drücken. Was wenn es nicht seine Schuld war? Also steckte ich das Gerät wieder weg.

Mit schnellen Schritten eilte ich die Treppe hinunter und dann auf den Hof. Einige weitere folgten mir.

Der weiße Van hielt mit quietschenden Reifen und die Tür schwang langsam auf. Schlanke Beine rutschten vom Fahrersitz. Sie schwankten bis Favio hinter der Tür zum Vorschein kam. „Verräter", hörte ich den Ersten sagen und in meinem Rücken wurde eine Waffe geladen. „Nein", knurrte ich und schlug dem Jenigen das Eisen aus der Hand. Dann eilte ich auf die schwankende Gestalt zu.

Als ich näher kam sah ich, dass sein Gesicht blutverschmiert war. Aus seiner Nase floss die rote Flüssigkeit und verteilte sich über sein Kinn und seine Brust. Was war passiert? Hatten sie ihn so zugerichtet? Hatte er ihn so zu gerichtet? Er hatte ihn doch nicht alleine überwältigt?

„Wo ist er?", fragte ich also und fing ihn ab als er auf mich zu wankte. „Hinten", hauchte er und klammerte sich an mich, legte wimmernd seinen Kopf an meine Schulter.

Ich gab den Leuten, die mir gefolgt waren ein Zeichen, dass sie den Van öffnen sollten. Dann zog ich Favio sanft fort. „Ihr müsst... ihr müsst...", stammelte er und sah mit seinen zweifarbigen Augen zu mir auf. „Wir haben alles unter Kontrolle", erwiderte ich leise und legte meine Arme um seinen bebenden Körper. „Flügel", hauchte Fa und klammerte sich noch fester an mich. „Ich weiß", erwiderte ich und beobachtete wie die Männer den Blonden aus dem Van zogen. Fa hatte ihm die Arme auf den Rücken gebunden was ihn jedoch nicht daran hinderte sobald er zu sich kam diese Monster von Flügel ans Tageslicht zubringen. Gleich vier der Männer brachte er so zu Boden. Da gegen war Favio angekommen?

„Vio!", schallte es über den Hof als er den schlanken Mann in meinen Armen entdeckte. Favio hob leicht den Kopf, klammerte sich jedoch dennoch ängstlich an mich. Was war das für ein Gefühl? Eine Zuflucht für ihn zu sein ließ mein Herz einen Schlag aussetzen nur um dann etwas schneller zu schlagen.

„Favio!", rief er erneut. Stellte jedoch die Gegenwert ein als Favio nicht reagierte. Vier weitere Männer brachten ihn zu Boden und pinnten seine Flügel auf den Asphalt. Wobei ein lautes Knacken ertönte, gefolgt von einem markerschütternden Schrei.

„Tut ihm nicht weh", winselte Favio und wiederholte es dann ein wenig lauter. Beruhigend strich ich über seinen Kopf und drehte sein Gesicht wieder zu meiner Brust als sie die Löcher in seine Flügel stanzten um sie anketten zu können. So sollten sie nicht wieder verschwinden. Seine Schreie verhalten im nahegelegenen Wald. „Vio!", schrie er ein letztes Mal bevor sie ihn ins Gebäude brachten.

Zurück blieben nur die Blutlachen.

„Er hat niemandem weh getan. Bel, er ist kein Vampir", wimmerte Fa leise und ich fühlte wie er immer schwerer wurde. Kurz darauf fing er an nach Luft zu ringen und zu husten. Mehr Blut floss über seine Unterlippe und auch wenn er versuchte es zu verstecken hatte ich es gesehen.

„Was hat er dir angetan?", fragte ich panisch und drückte ihn sanft von mir weg um seinen Körper auf Verletzungen zu untersuchen. „Nichts", hustete Fa, erbrach jedoch kurz darauf einen Schwall Blut auf den Asphalt. „Favio", hörte ich mich selber keuchen bevor ich ihn auf meine Arme hob und schleunigst ins Gebäude brachte.

Meine Schritte hallten laut auf den weißen Fliesen durch den sterilen Gang und warnten die Leute, die im Weg standen. Favios Finger gruben sich fest in meinen Nacken während sein Kopf auf meiner Schulter schwankte. Fest trat ich die Tür zu den Behandlungsräumen auf und legte ihn auf einen der Metalltische. „Belial", hörte ich meinen Ausbilder streng sagen. „Hilf ihm. Zeig mir wie", stammelte ich und beobachtete wie Favio erneut Blut hervorhustete.

Mein Ausbilder kam zu uns und strich Fa sanft die Haare aus der Stirn. „Das ist Favio Garcia", stellte er fest und trat einen Schritt zurück. „Ja, ist das ein Problem?", knurrte ich und hob bissig eine Augenbraue. Der Mann im Kittel sah zu mir auf und erwiderte: „Ich behandle keine Verräter." „Er ist kein Verräter", fauchte ich und fühlte wie mein linker Nasenflügel anfing zu zucken. „Er hat grade Kenneth Nikas hergebracht", fügte ich dunkel hinzu. „Ich werde dir dennoch nicht helfen", sagte der alte Mann und verließ den Raum.

„Bel", wimmerte Favio leise und tastete nach meiner Hand. „Es ist die Kapsel", sagte er hustend und rollte sich auf die Seite. „Sie strahlt", keuchte er mit letzter Kraft bevor er die Augen schloss und sich nur noch auf seinen rasselnden Atem zu konzentrieren schien.

Ich hatte ihm das angetan? Sie sollte ihm doch nur Angst machen. Ich wusste doch nicht mal ob ich sie hochjagen hätte können.

Mit weichen Knien huschte ich durch den Raum und suchte zusammen was ich brauchte um diesen Ding aus seinem Hals zu holen. Wenn es überhaupt noch etwas brachte.

Zitternd betäubte ich die Stelle und wartete ungeduldig darauf, dass es wirkte. Dann setzte ich das Skalpell an und schnitt durch die helle Haut, welche ich schon so oft geküsst hatte. Deren Geruch ich in und auswendig kannte. Sofort quoll das Blut aus der Wunde und ich hatte mühe unter der dicken, roten Flüssigkeit etwas zugreifen zubekommen. Doch dann fühlte ich einen harten Widerstand. Leise atmete ich durch als ich die Kapsel in meine Hand legte. So ein unglaublich unscheinbares Ding...

Angewidert warf ich sie in den Medizinmüll und spülte dann die Wunder mit Kochsalzlösung aus in der Hoffnung, dass es etwas an der Strahlenbelastung änderte und sich nicht weiter ausbreitete oder noch größere Schäden anrichtete.

Vamp Zone 《4》Where stories live. Discover now