62. Betrunken

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Sanji

Leise stand ich aus unserem Bett auf und deckte Nael sanft wieder zu als ich merkte, dass ich dabei die Decke zurück gezogen hatte. Warum auch immer seine Anwesenheit mir half. Seine Omega Einflüsse sollten auf mich keine Wirkung haben. Ich war menschlich. Allerdings wollte ich mir auch nicht eingestehen, dass es mir einfach gut tat weil er mein Bruder war. Jemand der mich verstand, wusste wie ich fühlte, wie Alpha waren. Jemand der das selbe Leid durchstand. Vielleicht nicht ganz das selbe, aber er hatte einen Eindruck gewinnen können.

Mein Blick glitt zurück zu ihm. Dieses junge Gesicht und ich hatte dennoch kein Bild vor Augen wie er als Kind war. So vertraut und dennoch...

Seufzend ging ich ins Bad und sah in den Spiegel. Ich hasste diese Phasen. Die dunklen Augenringe, die leichten Falten. Die ständige Übelkeit. So musste Risa sich in ihren Schwangerschaften fühlen. Ausgelaugt, fertig mit der Welt und einfach nur zerstört. Meine kalten Finger hielt ich unter den Wasserhahn und warf mir das nicht wirklich warme Wasser ins Gesicht. Meine Tränen hatten diese Umstände nicht besser gemacht. Also spülte ich die salzigen Spuren von meinen Wangen.

Wieder zuckte dieses Bild durch meinen Kopf. Er hatte ihn geküsst. Ohne zu zögern, ohne Reue. Er hatte sogar über sein überraschtes Gesicht gelacht. Ran hatte keinen einzigen Gedanken an mich verschwendet. Aber was hatte Lev, was ich nicht hatte? Blut, menschliches Blut. Hoffte er mit ihm zu überleben?

Das Knatschen der Tür riss mich aus den Gedanken. Sofort verließ ich das Bad wieder. „Ranga.", entkam es mir erschrocken und mein Blick ging zu Nael. Doch Ranga achtete gar nicht auf ihn. „Tschuldige, ich dachte du schläfst.", nuschelte er und ließ sich auf einen der Stühle sinken. Er war betrunken. Eine noch viel größere Gefahr. „Du musst gehen.", bestimmte ich. „Liebst du mich nicht mehr?", fragte er lallend und sah zu mir auf. „Du bist betrunken, Ranga.", erwiderte ich und ging auf ihn zu. „Du musst jetzt gehen.", sagte ich nachdrücklich und zog ihn auf die Füße. „Sanji, ich brauch dich.", hauchte er leise an meinem Ohr und sank dann an meinem Körper nach unten. Fest umschlang er meine Taille und legte seinen Kopf auf meinen Bauch. „Verlass mich nicht.", schluchzte er und ich fühlte seine Hände auf meinem unteren Rücken. Ob er wusste, dass ich ihn nicht verlassen konnte? Ich würde sterben wie meine Mutter. Würde ersticken, weil er wortwörtlich meine Luft zum Atmen war. Nur wenn ich wieder durchgängig menschlich bleiben würde... Doch das konnte ich nicht. Ich hasste die menschliche Seite in mir. „Ranga, bitte. Wir sprechen wann anders darüber. Aber bitte...", flehte ich und sah kurz zu Nael, der anfing sich unruhig im Schlaf zudrehen. Zur Sicherheit legte ich meine mit dem Ärmel bedeckte Hand an sein Gesicht, hoffte das mein Pheromone in meiner Kleidung reichte um von Naels abzulenken, reichten um ihn daran zu erinnern, dass er gebunden war auch wenn er es nicht fühlte, dass sein Körper bloß kein Interesse an meinem kleinen Bruder gewann. Doch Ranga richtete sich auf und sah auf mich hinab. „Schick mich nicht fort. Sanji, ich... Ji, bitte.", winselte er und griff fest in mein Oberteil. „Wenn du mich liebst, dann gehst du jetzt.", flehte ich doch es war zu spät. Sein Blick ging zu unserem Bett. „Bist du...", setzte er an. Doch anstatt zu Nael zu gehen sah er wieder mich an und drehte mich energisch um meine eigene Achse. „Verletzt?", fragte er und zog mein Oberteil hoch. „Ran!", rief ich empört. Waren Naels und meine Pheromone so ähnlich, dass selbst Ranga meine nicht von seinen unterscheiden konnte und bei der Menge direkt an Blut dachte? Obwohl ich menschlich war. Okay gut, er war betrunken. Aber dennoch.

Atayo

„Wolltest du dich nicht nochmal melden?", knurrte ich Kenneth an, als er mit Favio aus dem Wagen stieg. „Entschuldige, es ist offensichtlich nicht ganz so glatt gelaufen.", erwiderte er und sah zu seinem Freund. Dieser räusperte sich und murmelte: „Ein ehemaliger Freund war bei ihnen. Ich kann nicht sagen ob er mich erkannt hat und einfach nichts gesagt hat oder..." Er brach ab und sah zu Kenneth auf. „Auch egal, ihr seid hier. Bevor wir zurück fahren untersucht ihr den Wagen nach GPS Geräten. Falls dein Freund dich erkannt hat könnten sie so etwas befestigt haben.", erwiderte ich und drückte den beiden die ersten Säcke in die Hand und deutete meinem Truppe mit ihnen zu gehen.

Das Labor war klein und so auch die Ausbeute aber es war besser als nichts. Auch wenn das Risiko laut Eric und Cirah hier für zu hoch für unseren Gewinn war. Deswegen durfte ich nur Freiwillige mitnehmen und konnte niemanden verpflichten. Anders sah es bei großen Laboren aus bei denen ließ Cirah mit sich reden.

„Kennst du das Labor?", hörte ich Kenneth seinen Freund fragen. Sofort sah ich zu den Beiden und sah wie der junge Mann nickte. „Es sind nicht viele Wache. Es sind nur „Reste". Nur Vampire, die schwach aufgegriffen wurden oder zu zerstört von den Versuchen sind. Nur noch für die Sterbe- und Leichenforschung verwendet...", sagte er unterbrach sich jedoch als er mich näher kommen sah. „Wie viele Wachen?", fragte ich. Favio sah wieder nervös zu Kenneth und dann zurück zu mir. „Ich war noch nie hier. Ich kenne nur die Pläne. Dort standen so um die zwanzig. Es werden weniger sein. Die Arbeitsbereitschaft ist sehr niedrig. In dieses Labor will niemand. Keine Aufstiegsmöglichkeit.", schilderte er und vergrub die Hände in den Taschen. Dann schluckte er hörbar und ergänzte: „Es gibt keine Technik. Keine Überwachung. Ob die Vampire hier sterben oder draußen ist ihnen egal. Sie bekommen so oder so ihren Willen." Kenneth sah zu mir und schüttelte leicht den Kopf. „Du hast nichts vorbeireitet. Wir wissen nicht wen wir daraus holen. Ihr könnt sie nicht mitnehmen, wenn sie so schwach sind und im Van werden sie entdeckt werden.", rief er mir in Erinnerung. „Aber wenn wir schon hier sind.", murmelte ich und sah an der Fassade empor. Favio sah an Kenneth vorbei zu mir und sagte: „Ich denke ihr habt bessere Chancen, wenn ihr euch vorbereitet. Egal wie leicht es wäre hineinzugehen. Ich könnte euch sicher auch die Tür öffnen. Aber Kenneth hat recht. Sie sind schwach und sie werden euch aufhalten." „Wieso kannst du uns die Tür öffnen?", fragte Kenneth entsetzt. Favio lächelte leicht und erwiderte: „Wie gesagt, keine Technik. Sie arbeiten mit alten Karten und mein Nachname ist schon solange im System, dass selbst wenn ich nicht persönlich drin bin sicher Karten meiner Eltern existieren und auf denen ist ebenfalls eingetragen, dass sie einen Sohn haben.", erklärte er. Dann sah er kurz zu dem Gebäude bevor er hinzufügte: „Bei einem besser ausgestatteten Labor könnte ich es nicht. Sie haben meine Kartei sicher schon zur Fahndung gemeldet und jeder Versuch sich mit dem Fingerabdruck einzuloggen würde dazu führen, dass sie mich festnehmen und umbringen." „Du wirst uns nicht die Tür öffnen. Nicht heute und nicht irgendwann. Wer weiß, vielleicht klebt auch hier auf deiner Karte ein Post-it mit „Kill it" darauf geschrieben. Nein, das kann ich nicht zulassen.", schimpfte Kenneth. Doch Favio lächelte nur. „Kenneth, ich bin dreißig und mir dem Risiko bewusst. Kein Kind mehr, okay?", hörte ich ihn sagen, doch meine Gedanken waren ganz woanders.

Wenn die modernen Labore mit Fingerabdruck arbeiteten, dann überprüfte kein Mensch wer dort aus und einging. Vielleicht könnte Victor es schaffen eine geheime Kartei anzulegen, mit dem Fingerabdruck von jemandem. Sei es Favio oder sonst wer. Dann hätten wir jemanden der von innen heraus... „Atayo, wir müssen gehen.", zischte Kenneth und schob mich weiter in den Schutz der Bäume. „Haben sie uns gesehen?", flüsterte Favio und wir alle sahen aus dem Schatten heraus auf das Gelände auf dem mehrere Taschenlampen wie Lichtfinger durch die Dunkelheit tasteten. „Nein.", erwiderte Kenneth und drängte uns weiter zurück bis wir außer Hörweite waren und zusammen zum Van liefen.

„Hier.", sagte Kenneth bevor er mir drei Rücksäcke aus der Fahrerkabine reichte. „Ich habe alle davon mit meinem Blut aufgepeppt. Ich hoffe es hilft. Wir sehen uns dann morgen am Bunker. Ich melde mich, wenn wir da sind und empfangen können. Auf der Strecke kein Funkverkehr. Alles klar?", fragte er und lehnte sich gegen den Wagen. Ich mochte seine direkte Art. Kein großes drumherum Gerede, einfach das was er dachte und er wusste wie ernst die Lage war. „Gut. War sehr angenehm mit euch. Ich hoffe wir können das wiederholen.", sagte ich und reichte die Rücksäcke an meine Truppe weiter. „Ganz bestimmt.", erwiderte Kenneth und schwang sich auf den Fahrersitz. Favio saß schon auf der anderen Seite.

„Passt auf euch auf. Wenn sie merken, dass ihr Müll beraubt wurde, werden sie nach euch suchen. Rastet so wenig wie möglich.", ermahnte er mich und schloss dann die Tür. Gut vielleicht sollte er doch einen Gang tiefer schalten. Direkte Befehle würde ich mir nicht geben lassen. Auch wenn ich daran nicht gedacht hatte. Meine Konzentration ließ immer so schnell nach sobald ich hatte was ich wollte. 

Vamp Zone 《4》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt