70. Kapitel - Zwei gequälte Seelen

1.3K 93 7
                                    

Nach einer Weile löst sich Jane aus ihrer Trance und geht zögerlich auf Draco zu, um sich schweigend neben ihn zu setzen. Sie hat Angst, das er sie abweisen könnte. Hat Angst sie könnte etwas Falsches sagen, doch schnell bemerkt sie, das ihr jegliche Worte fehlen.

Was sollte sie auch sagen? Das sie ihn vermisst? Das er nicht allein ist auf diesem Himmelfahrtskommando? Das es ihr leid tut? So wirklich scheint ihr nichts der Gleichen, ein guter Anfang zu sein. Draco sieht sie nicht an, sondern starrt stur auf einen Punkt auf der gegenüberliegenden Seite, doch als Jane sich neben ihn setzt, kann man ihn leise die angehaltene Luft ausstoßen hören.

Jane's Hand zittert, als sie sie langsam hebt. "Ich hab dich gesucht", sagt sie leise mit brüchiger Stimme und will gerade ihre Hand vorsichtig auf sein angewinkeltes Knie platzieren, als Draco diese auch schon ergreift und fest drückt, als hätte er Angst sie würde sich in Luft auflösen. Da ist er. Der Halt den er die letzen Monate so vermisst und gesucht hat. Allein ihre Berührung gibt Draco das Gefühl von Sicherheit, auch wenn es nur eine trübe Illusion, eines verängstigten Kindes ist.

Kein Wort verlässt seine Lippen, nur ein leises unterdrücktes Schluchzen, doch für Jane sagt seine Geste mehr aus, als seine Worte es je könnten. "Es tut mir so leid was geschehen ist, Draco. Aber ich verspreche dir, dass ich das alles wieder in Ordnung bringen werde. Ich lass dich nicht allein", flüchster sie ihm liebevoll zu. Als Antwort bekommt sie ein lauteres Schluchzen. "Ich schaff das nicht.", mehr sagte er nicht, doch Jane konnte die Tränen an seiner Wange funkeln sehen. Sie kann sich nicht vorstellen unter welch einem Druck er die letzen Monate stand, wie sehr es ihn belastet. Er ist kein Mörder.

"Ich weiß. Ich werde dir helfen, vertrau mir. Du bist nicht mehr allein, ich geh nicht mehr weg", versichert sie ihn immer noch leise. Sie fürchtet sich, dass er sie gar nicht um sich haben will. Doch Draco blickt nun mit gequälter Miene direkt in ihre blassen Augen. "Ich habe dich beleidigt. Dir die Schuld an dem Versagen meines Vaters gegeben. Ich habe dir den Tod deines besten Freundes vorgeworfen. Ich habe dich allein gelassen, obwohl du eine Stütze gebraucht hättest, und du entschuldigt dich?", seine Worte triefen vor Selbstverachtung und Reue, während seine gerunzelte Stirn seine Verständnisslosigkeit wiederspiegelt. Er kann nicht glauben, dass sie nach all dem hier sitzt und ihn gerade weiß machen will, das sie ihm helfen würde. Das sie für ihn da sein würde und den Mord, an den größten Zauberer aller Zeiten, hinnehmen würde. Ihn sogar unterstützen würde. Sie muss von Sinnen sein.

Jane kann sein gesammtes Gefühlschaos von seinen funkelnden Augen ablesen. Sanft und immer noch zitternd legt sie ihre Hand auf seine Wange und schenkt ihn ein aufmunterndes Lächeln. "Das ist Vergangenheit und für mich nicht von Belang. Ich hätte für dich da sein müssen, aber jetzt bin ich es."
"Du kannst mir nicht helfen", wispert er mit geschlossenen Augen, während er sich etwas gegen ihre Hand schmiegt. "Ich kann und ich werde!", erwidert Jane fest, worauf er nur gequält die Augen öffnet. "Wie?"
"Lass das meine Sorge sein, vertrau mich einfach", ihre Augen strahlen so voll Zuversicht, dass es Draco schwer fällt je wieder etwas anderes zu glauben.
"Aber was wenn er von dir erfährt? Er wird dich töten! So wie er mich und meine Mutter töten wird, wenn ich versage". Jane's Augen beginnen bei seinen Worten der Verzweiflung schon verräterisch zu brennen. Trotz des stetigem Drucks, seiner Angst und den möglichen Tod, sorgt er sich um sie. Dabei würde sie ihm die Lösung auf dem Sielbertablett servieren.

"Mach dir keine Sorgen. Es wird unvermeidbar sein. Aber ich werde nicht zulassen, dass dir, deiner Mutter oder Lucius etwas passiert. Vertrau mir". Das waren anscheinend die Worte die Draco dringend nötig hatte, denn sofort verlässt sein Körper jegliche Anspannung und er lässt sich mit dem Kopf geradewegs gegen Jane's Schulter fallen. "Ich habe dich so vermisst", flüchstert er mit bebender Stimme, worauf Jane ihn beruhigend über den Rücken streicht. Entgegen ihrer Erwartung scheint das alles doch ganz gut zu laufen. Zumindest schreit Draco sie nicht an, kann endlich etwas Druck abbauen und scheint sich ohne sie ebenso verloren zu fühlen, wie sie ohne ihn. Es ist seltsam wie zwei Seelen sich einander anziehen können, wenn man bedenkt, dass sie mittlerweile länger getrennt als zusammen waren und die letzten Monate stumm nebeneinander her gelebt haben. "Ich dich auch, ich dich auch", flüstert sie zurück und drückt ihn einen Kuss auf den Scheitel, so wie es ihr Vater immer tut und ihr so ein Gefühl von Geborgenheit vermittelt. Sie weiß nicht, ob diese Geste in ihm das Selbe auslöst, aber sie hofft so wenigstens ihre immer noch vorhandenen Gefühle für ihn ausdrücken zu können.

"Ich habe fast jemand völlig unschuldigen umgebracht"
"Du meinst Katie Bell, das Mädchen was die verfluchte Kette angefasst hat, nicht?"
Stumm nickt Draco. Jane erwidert nichts. Sie würde ihm nicht sagen, dass es okay ist, denn das ist es nicht. Aber sie würde ihm trotzdem den nötigen Halt geben. Sie würde schließlich auch bald einen Mord begehen. Jeden Tag auf's neue könnte sie einfach zu Albus gehen und alles beenden. Draco endlich die Last nehmen. Doch nicht auszumalen wären die Folgen für sie und vor allem für ihren Vater. Sie müsse sich einen Plan überlegen, eine Strategie, und vor allem müsste sie dafür sorgen, dass die, die sie liebt, in Sicherheit sind.

Draco hingegen döst mittlerweile, an Jane's Schulter gelehnt, vor sich hin. Sie hat ihm eine so unglaubliche Last für einen kurzen Moment von der Seele genommen, welche ihn jeden Tag etwas mehr zu erdrücken droht. Trotz ihres dünnen Kleides und der, auf dem Turm herrschenden Kälte, ist ihr Körper angenehm warm. Er kann die leichten Schwingungen ihrer Magie an seiner Haut kribbeln spüren und ihre sanften Berührungen am Rücken bereiten ihm einen wohligen Schauer. Ja verdammt er liebt dieses Mädchen und er würde sie für nichts auf der Welt wieder hergeben.

Zögernd hebt er den Kopf und blickt ihr direkt in die grün funkelnden Augen. Seine Stimme ist kratzig und unschlüssig, ob es das Richtige ist, das Folgende jetzt anzusprechen. "Im Krankenflügel, sagtest du, du wüsstest, dass das mit uns nicht funktionieren könnte", flehend sucht er nach einer Antwort auf seine unausgesprochene Frage. Jane's Blick wird traurig und ihre Augen blass und hell. "Draco ist dir jemals in den Sinn gekommen, dass ich nicht reinblütig bin? Selbst wenn Narzissa unsere Beziehung akzeptiert, dein Vater könnte es nie. Wir können nie heirraten, nie Kinder bekommen. Mal davon abgesehen, dass ich eine tickende Zeitbombe bin."
Sanft umfässt nun Draco Jane's Gesicht. Diese ganzen Informationen schwirren plötzlich in seinem Kopf umher und könnten nicht belangloser für ihn sein. Er will sie nicht mehr missen, selbst wenn er dafür wohl sein ganzes Leben aufgeben müsste. Jeder seiner Ideale und seine vornehme Erziehung, jeden Vorzug, denn das viele Geld seiner Familie hat und seine Familie selbst. Doch für sie würde er es tun! Solange sie bei ihm bleibt, ihn durch diese Zeit hilft.

Vorsichtig, so als würde sie unter ihm zerbrechen, beugt er sich nach vorn und verschließt seine Lippen mit ihren. Sofort erwidert Jane den Kuss und kann sich ein sehnsüchtiges Seufzen nicht unterdrücken. Wie lange hatte sie diese Nähe vermisst. Hatte sie ihn vermisst. Und egal wie vorsichtig und keusch dieser Kuss auch gerade ist, legen beide doch all ihre Emotionen in ihn. Er ist wie eine Geschichte die man erzählt oder ein trauriges Liebeslied, welches man in Dauerschleife hört.

Kaum lösen sie sich von einander lehnen sie sich an der Stirn aneinander und atmet zittirg. "Es gibt niemanden auf der Welt, der reineres Blut für mich haben könnte", wispert Draco gegen ihre Lippen und zieht sie erneut in einen Kuss.

Todesengel Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt