56. Kapitel ≫Hin und her tanzen≪

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Egal, wie sehr du planst und alles im Griff hast, das Leben kann Wendungen nehmen mit denen du niemals gerechnet hättest. Man kann nie alles perfekt planen und nach dem Plan handeln. Es kommt immer etwas dazwischen. Und noch was, egal wie sehr du eine Person hasst, vergiss niemals das jedes Wiedersehen auch das letzte sein kann. Man sollte jeden Tag so leben, als wäre es sein letzter. Und daraus habe ich gelernt und ich hoffe ihr auch. Es gibt Höhen, damit es auch mal Tiefe gibt. Und es gibt schlechte Zeiten, damit es gute gibt.

Nach einer Woche wurde Serkan aus dem Krankenhaus entlassen. Mit einem Rollstuhl. Wir sind zu meinen Schwiegereltern gefahren und sind jetzt seit drei Tage hier. Sevgi Anne und ich haben das Gästezimmer für Serkan und für mich vorbereitet, da er die Treppen nicht hochsteigen kann. Er liegt mal im Bett, mal auf der Couch oder fährt mit dem Rollstuhl im Garten herum. Jede Nacht bete ich um ihn und weine mich in den Schlaf. Es zerbricht mich ihn so unglücklich zu sehen.

Er ist wie auch gestern mit seinem Vater zum Physiotherapeuten gefahren. Bald müssten sie auch wieder zurück sein. Ich sitze im Garten und trinke mein Mineralwasser mit Zitrone. „Biz geldik!" ruft Erdal Baba und ich springe auf. Mit schnellen Schritten gehe ich ins Wohnzimmer. „Hoş geldiniz." (Begrüßung auf Türkisch wie Willkommen.) Erdal Baba fährt ihn in den Garten und stellt sein Rollstuhl neben der Bank ab. Er verabschiedet sich, weil er zur Arbeit fährt. Es ist gerade 12 Uhr.

Serkan sieht heute sehr glücklich aus. Er grinst vor sich hin. Ich schaue ihn schief an. „Was ist so lustig?" frage ich. Er scannt mein Outfit ab. „Wie ich sehe hast du meine Sachen zu deinem Eigentum gemacht." sagt er grinsend. Jaa, ich habe in der früh geduscht und seine kurze Short mit T-Shirt angezogen, obwohl ich dieses Mal genug Sachen hätte. Ich war mit Sevgi Anne gestern kurz in unserer Wohnung um einige Sachen einzupacken. „Wie sagt man so schön. Was dir gehört, gehört auch mir und was mir gehört, gehört mir." versuche ich ernst zu sagen aber muss ständig lachen. Plötzlich schlingt er sein Arm um mich und zieht mich mit einer Kraft auf seinen Schoß. Meinen Gipsarm halte ich hoch und schaue ihn verdutzt an.

„Was machst du?" sage ich und realisiere erst jetzt wie nah er mir ist. Er kommt mir näher und fängt an meine Wangen zu küssen. Er wandert immer weiter hinter zu meinem Ohr und streift mit seinen Lippen an meiner Haut. „Serkan!" flüstere ich und lehne mich zurück, um Abstand zu machen. „Ich habe dich vermisst Asli. Deine Nähe, deinen Duft, deine Haut, verdammt deine Lippen." flucht er und presst seine Lippen auf meine. Sofort erwidere ich den Kuss. Meine Augen brennen. Ich schluchze in den Kuss und Serkan entfernt sich, als er es bemerkt. Er legt seine beiden Hände auf meine Wangen. Meine Augen sind immer noch geschlossen. „Ne oldu?" (Was ist los?) fragt er und wischt mit dem Daumen meine Tränen weg.

Ich öffne meine Augen und blicke direkt in seine. „Ich habe dich auch sehr vermisst." gebe ich zu. „Weißt du was das erste sein wird, was ich machen werde, wenn ich wieder Laufen kann?" Ich schüttle meinen Kopf und wische mir die letzten Tränen weg. „Dafür sorgen, dass du Schwanger wirst, damit ich unsere Kindern hinterher renne kann." flüstert er und die Röte schießt in mein Kopf. Schwanger? Kindern? Mit „Kindern" meint er nicht nur eins, sonder mehrere. Mit großen Augen sehe ich ihn an. Er fängt an zu lachen und ich boxe ihm mit der freien Hand auf die Brust. „Fang erst einmal an zu Laufen." sage ich und stehe von seinem Schoß auf. „Wohin gehst du?" ruft er mir hinterher.

Ich gehe schnell in die Küche und hole zwei Becher raus. Vom Gefrierfach nehme ich die Eisbox raus und gebe jedem Becher jeweils eine Kugel Erdbeereis, Zitroneneis und für Serkan tu ich noch extra eine Kugel Schokoladeneis dazu. Ich mag kein Schokoladeneis. Mit den zwei Bechern gehe ich zurück in den Garten und setze mich wieder auf sein Schoß. „Bitte schön." sage ich und reiche ihm sein Becher. Er bedankt sich und wir essen unser Eis. Ab und zu gibt er mir ein Löffel von seinem Eis und ich ihm.

•••

2 Monate sind es jetzt her seit dem Unfall. Serkan ist jeden Tag mit seinem Vater zum Physiotherapeuten gegangen. Manchmal waren sie auch länger dort. Vor einem Monat hatte ich den Gips abbekommen gehabt und vor einer Woche durfte die Schiene ab, die ich danach tragen musste. Jetzt ist da nur ein Verband dran aber den kann ich selber nach eins bis zwei Wochen abmachen. Ich in in der Küche und bereite Sulu Börek vor. (Türkisches Gericht) „Biz geldik." (Wir sind zurück.) ruft Erdal Baba, wie jedes mal, wenn sie zurück sind. „Hoş geldiniz." Rufe ich jedes Mal zurück. „Sevgi! Asli! Size bir süprizimiz var." (Wir haben eine Überraschung für euch.) ruft Erdal Baba. Schnell wasche ich meine Hände und laufe ind Wohnzimmer. Sevgi Anne kommt auch dazu und wir schauen zu Erdal Baba. Ich platze vor Neugier. Mein Schwiegervater stellt sich vor Serkan hin, legt die Arme unter seinen Armen und hebt ihn hoch. „Erdal naniyorsun?" (Was machst du?) ruft Sevgi Anne aufgebracht. Sie geht ein Schritt vor bleibt aber gleich wieder stehen.

Ich schaue zu Serkan und mein Herz bleibt stehen. Erdal Baba geht zur Seite und Serkan steht alleine auf den Beinen. Grinsend hebt er einen Fuß nach dem andern und kommt in unsere Richtung. Ganz Langsam und vorsichtig aber er geht. Die Tränen steigen in meine Augen. „Serkan?" frage ich flüsternd. „Ja, Ja! Ich gehe Asli. Askim (Schatz) ich gehe!" ruft er und hebt die Hände. Sofort Laufe ich auf ihn zu und umarme ihn. Ich umarme ihn so fest, dass wir beide zwei Schritte zurück stolpern und fasst umgefallen wären. Aber Serkan hat uns noch rechtzeitig aufgehalten. Ich merke wie meine Schulter etwas Nass wird. Ich ziehe mein Kopf zurück und Blicke in sein Gesicht. „Serkan." flüstere ich. Ich wische seine Tränen weg und drücke ihn wieder fest.

•••

2 weitere Monate sind vergangenen. Serkan ist seinen Rollstuhl losgeworden und geht jetzt mit Krücken herum. Wir sind alle zusammen im Garten und trinken Schwarzen Tee. Meine Schwiegereltern sitzen am Tisch, Serkan steht vor mir und übt fleißig das Gehen. Ich stehe vor ihm, um ihm Hilfestellungen zu geben. Aber die braucht er nicht wirklich. Er geht schon fast wie ein Profi, wenn es sowas gibt. Er hält mir seine Hände hin, damit ich ihn halten soll, was ich auch mache. Plötzlich zieht er mich zu sich und schlingt seine Arme um mich. Mir entweicht ein leiser Schrei. Ich sehe ihn geschockt an. Er bückt sich etwas runter. „Weißt du noch, was ich gesagt hatte? Das erste, was ich machen werde, wenn ich wieder Laufen kann." flüstert er. Entsetzt sehe ich ihn an. „Hör auf. Deine Eltern sind genau hinter dir." flüstere ich ernst.

Er fängt an zu lachen und bewegt sich hin und her. Wir bewegen uns hin und her. „Seit wann kannst du den Tanzen?" frage ich ihn belustigt. Er zieht mich enger zu sich. „Seit dem du mir gehörst." antwortet er und in seiner Stimme ist etwas verlangendes zu hören. Ich erröte und schaue auf die Seite.

Nach langem hin und her tanzen, setzen wir uns auf die Bank zu seinen Eltern dazu. Wir trinken Tee und unterhalten uns über dies und das. Ich gebe Serkan sein drittes Glas Tee und setze mich wieder neben ihm hin. Er nimmt es zu Hand und hebt das Glas hoch, um er zu seinen Lippen zu führen. Plötzlich zuckt seine Hand und gleich darauf wieder, sodass das kochende Wasser im Glas auf mir landet. Ich schreie vor Schock und schmerz auf. Ich stehe auf und ziehe mir das T-Shirt vom Körper weg. „Asli, es tut mir leid. Ich wollte es nicht." sagt er Unschuldig. Ich stelle mich neben ihm hin. „Alles gut. Mir geht es gut." Lüge ich und atme hörbar durch. „Geht es dir gut?" frage ich und nehme seine Hand in meine. „Wieso zittern deine Hände?" frage ich und Sevgi Anne stellt sich neben mich. „Kızım sen çık üstünü değiştir." (Mein Mädchen geh du hoch und ziehe dich um.) bittet mich meine Schwiegermutter.

Mit einem letzten Blick zu Serkan, drehe ich mich um und gehe zurück in das Haus. Im Bad ziehe ich mir das T-Shirt aus und nehme mir ein Handtuch zur Hand. Ich halte die eine Ecke unter kaltes Wasser und lege es auf mein Bauch. Die Kälte tut gut. Als sich die Schmerzen etwas beruhigt haben ziehe ich mir ein neues T-Shirt an und gehe den Weg zurück in den Garten. Im Wohnzimmer jedoch bleibe ich stehen, als ich Erdal Baba am Telefon und Sevgi Anne vor der Couch stehen sehe. Ich gehe auf sie zu und Serkan liegt auf der Couch und atmet schwer ein und aus. „Was ist passiert?" frage ich und knie mich zu Serkan. Sevgi Anne sieht mich an. „Er ist kurz vor einem Anfall." flüstert sie mir zu. Ich schaue zu Serkan der mit geschlossenen Augen versucht tief Luft zu holen.

Was passiert hier? Ich lege meine Hand auf sein Herz und erzittere beider Berührung. Sein Herz klopft unnormal schnell. Ich versuche ruhig zu bleiben, doch kann es nicht. Kurz darauf öffnet Erdal Baba die Tür und zwei Sanitäter kommen rein. Sie schieben Sevgi Anne und mich zur Seite und fangen an Serkan zu behandeln.

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