45. Kapitel ≫Druck und Schmerz≪

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Asli

Ich steige die Treppen im Apartment hoch. Vor der Wohnungstür bleibe ich stehen und schließe sie auf. Ich bin wieder zurück. Zurück am Ort, dass diesen Druck in mir nur verstärkt und es unerträglich werden lässt. Ich ziehe meine Schuhe und meine Jacke aus und lasse mein Rucksack neben dem Jacken- und Schuhregal liegen. Mit langsamen Schritten gehe ich ins Wohnzimmer. Seine Spielkonsole auf dem kleinen runden Tisch und die unordentliche Couch verratet mir, dass er hier zuletzt gelegen und gespielt hat. Bin ich ihm wirklich so egal? Mit brennenden Augen gehe ich ins Schlafzimmer. Schnell ziehe ich mir meine Pyjama an und lege mich ins Bett. Mit jedem Atemzug wird dieser Druck immer stärker. Ich konnte bei meiner Schwester mich nicht wirklich ausweinen, weil ich sie damit nicht noch mehr verletzen wollte.

Und jetzt kommt alles wie auf einem Schlag raus. Die ersten Tränen rollen an meiner Wange herunter. Schluchzend weine ich in das Kissen. Bilder von der Nacht, als ich Fieber hatte, schießen mir in den Kopf. Als ich vom Auto ausgestiegen bin und mir schwarz vor Augen wurde. Er hatte mich aufgefangen und zu sich gedrückt. Seine Hand auf meinem Rücken, als wir die Treppen im Apartment hochgegangen sind. Oder als er mich im Brautstil getragen und mich ins Krankenhaus gefahren hatte. Mein Gesicht ist, durch den Tränen, klitschnass. Es soll aufhören. Diese Gedanken sollen Aufhören. Ich drehe mich auf die andere Seite um, in der Hoffnung ein Teil dieser Gedanken loszuwerden.

Sein Kissen liegt vor mir. Unbewusst greife ich danach und rieche kurz daran. Sein Geruch benebelt mich. Meine Tränen strömen, wie ein Wasserfall. Ich ziehe sein Kissen senkrecht an mich und umarme es fest. Sein Geruch umhüllt mich und dieser Schmerz zerreißt mich von innen. Ich weine bis sich meine Augen schließen und ich in ein traumlosen Schlaf falle.

Am nächsten Morgen wache ich mit schlimmen Augen- und Kopfschmerzen auf. Ich stehe lustlos auf und schlendere ins Bad. Mit kaltem Wasser wasche ich mein Gesicht. In der Küche schalte ich den Wasserkocher an und setze mich auf den Stuhl. Draußen scheint die Sonne. Es sieht fröhlich und bunt aus, während ich traurig und kalt bin. Geht es nur mir so? Durch das Piepen des Wasserkochers werde ich ins Hier und Jetzt geholt. Ich stehe auf, hole mir eine Tasse raus und bereite mir mein Tee vor. Mit der Tasse gehe ich in die Terrasse und setze mich auf einen Stuhl. Ich muss mein Kopf frei bekommen. Mein Handy vibriert. Ich hole es von meiner Jogginghose raus. Eine Nachricht von meiner Schwiegermutter.

Sevgi Anne (Mama): 10:15
Aslicim Cuma günü hebberaber Ailece yemege gidecegiz. Serkanala beraber gelirsiniz.
(Liebe Asli, am Freitag gehen wir als Familie alle zusammen Essen. Serkan und du werdet auch kommen.)

Am Freitag? Am Freitag kriege ich mein Zeugnis. Heute ist schon Mittwoch. Ich müsste was elegantes anziehen, wenn wir zum Essen gehen. Ich muss mit Serkan dahin gehen. Der Gedanke an ihn schmerzt nur. Wie soll ich es aushalten? Wie soll ich ihn wieder ansehen, wenn mir der Gedanke an ihn schmerzt? Ich brauche dringend frische Luft. Die Terrasse reicht nicht. Ich trinke mein Tee aus und stehe auf. Ich steige kurz unter die lauwarme Dusche. Danach ziehe ich mir eine blaue Jeans und einen pastellfarbenen gelben Pulli an. Eine kleine Umhängetasche mit Geldbeutel, Schlüssel und Handy gehe ich in den Flur. Ich ziehe mir meine weißen Chucks an und verlasse die Wohnung.

Als der Bus kommt steige ich ein und fahre in die Stadt. Ich wollte nicht zu Fuß laufen, da ich in der Stadt genug laufen werde. Angekommen steige ich aus und laufe weiter vor zu den ganzen Läden. Zuerst betrete ich ein Laden mit normalen eleganten Kleidungsstücken. Ich mache ein Tour durch den Laden und schaue mir das eine und das andere Oberteil an. Nichts gefunden verlasse ich wieder den Laden und gehe weiter vor zum nächsten Laden. Ich bräuchte etwas elegantes, dass ich zum Essen anziehen kann. Für die Zeugnisausgabe ist es nicht so wichtig, da habe ich was zu Hause aber für das Essen brauche ich unbedingt etwas elegantes.

Ich suche etwas langes, schwarzes am Besten, es soll nicht viel Haut zeigen aber es soll auch nicht zu sehr verdeckt sein. Es soll hinreißend, anziehend und elegant sein. Ich glaube mit dieser Einstellung werde ich schwer etwas finden. Ich gehe in ein Laden rein, indem es nur solche besondere Kleider verkauft wird. Ich suche von einem Regal zum anderen die Kleider durch aber ich finde nichts passendes. „Entschuldigung, kann ich dir behilflich sein?" Ich drehe mich um und eine Junge Arbeiterin sieht mich fragend an. „Äh. Ja, eigentlich schon." lächle ich sie an. „Ich suche ein schwarzes, langes, elegantes Abendkleid." Sie sieht mich kurz nachdenklich an und mustert mein Körper. Dann lächelt sie mich an. „Ich hätte da was. Komm mit." fordert sie mich mit einer Handbewegung auf. Sie geht vor und ich folge ihr.

Vor dem Ankleidezimmer bleibe ich stehen und warte auf sie. Nach nicht mal zwei Minuten kommt sie wieder mit einem schwarzen Kleid. „Das ist mein Lieblingskleid hier im Laden und ich kann es nur weiter empfehlen." Sie hält es hoch. „Nicht zu offen aber auch nicht zu verdeckt. Es ist hinreißend und lässt jeden zweiten Schwach werden." Sie zwinkert mir zu und hält mir das Kleid hin. Ich betrete die Kabine und schlüpfe in das Kleid. Als ich die Kabine verlasse und in den Spiegel blicke, bleibt mir die Luft weg. Ein schwarzes langes Kleid mit einem Schlitz, wodurch mein Bein beim Gehen zum Vorschein kommt. Es hat einen silbernen glänzenden Band um den Bauch und im V-Schnitt ein Dekolleté und die Ärmel sind kurz, wie ein T-Shirt. Ich dreh mich nach links und nach rechts. „Es sieht atemberaubend aus." sagt die Mitarbeiterin neben mir. Ich beobachte mich weiterhin im Spiegel. Mir fehlen die Worte. Das Kleid sieht wunderschön aus und es steht mir wirklich gut, dass muss ich sagen.

„Das nehme ich." flüstere ich und lächle sie an. Ich verschwinde wieder in der Kabine und ziehe mich um. An der Kasse bezahle ich das Kleid und bedanke mich nochmals bei der Arbeiterin. Ich bin Glücklich, dass ich so schnell ein Kleid gefunden habe. Als nächsten sind Schuhe an der Reihe. Dafür muss ich weiter vor laufen, denn da gibt es ein Laden, wo man hohe Schuhe bekommt. Ich gehe in den Laden und steige die Treppen hoch zur ersten Etage. Bei den Regalen mit Stöckelschuhen schaue ich mir jedes zweite an aber finde kein passendes. Ich gehe weiter hinter zu den Regalen und mein Blick bleibt bei einem bestimmten Schuhpaar stehen. Schnell gehe ich auf sie zu. Schwarze, glänzende, spitze High Heel's mit einem schwarzen dünnen Verschluss um den Knöchel. Ich suche meine Größe raus und probiere sie an. Etwas ungewohnt aber ansonsten ganz gut. Die nehme ich.

In einer Tüte das Kleid in der anderen die Schuhe verlasse ich auch diesen Laden und steuere auf das kleine Café zu. Dort gehe ich zur ersten Etage und setze mich an die Frische Luft am Rand hin. Ein Kellner kommt und ich bestelle mir eine kalte Limonade. Ich blicke auf die Uhr und es ist erst 14:05 Uhr. Der Kellner stellt meine Limonade ab und ich trinke einen großen Schluck draus. Nebenbei genieße ich die frische Luft. Als ich fertig getrunken und bezahlt habe, stehe ich auf und mache mich auf den Weg zurück zur Wohnung. Ich fahre wieder mit dem Bus zurück. Vor dem Apartment bleibe ich stehen und schaue in den Briefkasten. Leer. Ich steige die Treppen hoch und schließe die Wohnungstür auf. Ich betrete die Wohnung und stelle die Tüten erstmal ab. Danach ziehe ich meine Schuhe aus und nehme die Tüten mit ins Wohnzimmer.

Geschockt lasse ich die Tüten fallen. Er steht vor mir. Warum ist er wieder zurück? War er nicht auf einer Auslandsreise? Meine Augen fangen wieder an zu brennen und dieser Druck kehrt zurück. „Was machst du hier?" flüstere ich.

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A Promise About UsWhere stories live. Discover now