42. Kapitel ≫Wagon: 216|Platz: 37≪

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Plötzlich schlingt er seine Arme um mich und umarmt mich fest. Ich schluchze lauter. „Canını mı yaktım?" (Habe ich dir wehgetan?) flüstert er dicht an meinem Ohr. Ich drücke ihn mit meiner ganzen Kraft weg von mir und verlasse das Badezimmer. Es ist mir im Moment sowas von egal, ob die Wohnung nass wird. Ich will einfach weg von ihm. „Asli." ruft er mir nach. Im Wohnzimmer bleibe ich stehn und drehe mich um. „Asli was-" Ich unterbreche ihn. „WAS? Serkan. Wir beide wissen ganz genau, dass" ich zeige zwischen uns hin und her. „das falsch ist. Das durfte niemals passieren, hörst du!" schreie ich ihn an.

Er kommt auf mich zu, doch ich weiche zurück und hebe die Hand. „Wieso denkst du das?" fragt er ernst und besorgt. Seine Augen mustern mein Gesicht. „Weil-„ ich halte inne. „Weil... weil du mich nicht liebst. Und ich-" Tränen strömen, wie ein Wasserfall. „Ich liebe dich auch nicht. Ich kann dich nicht lieben, weil du mir nie Liebe gezeigt hast. Ich habe immer deine Kalte Seite zu spüren bekommen. Du hast mich angeschrien, geschlagen und sogar erwürgt. Und jetzt... jetzt kommst du und küsst mich einfach. Was fällt dir eigentlich ein?" schreie ich weiter. Seine Miene ändert sich und seine Augen verdunkeln sich. Er spannt seine Kiefer an und ballt die Hände zu fäusten. „Du hast recht." sagt er. Verwirrt wische ich meine Tränen weg und sehe ihn an. „Was?" frage ich. „Du hast recht. Ich liebe dich nicht. Ich kann dich nicht lieben. Ich habe mit dir gespielt, nur, um mit dir rumzumachen. Bisschen Spaß. Du bist schließlich meine Frau. Ich will ja nicht, das mein Ruf zerstört wird. Alle wissen, dass ich verheiratet bin und wenn sie mich sehen, wie ich mit einer anderen rummache, wäre das nur schlecht für die Firma. So etwas kann ich mir nicht leisten. Ich habe dich ausgenutzt und das mit der Farbe, als Ausrede benutzt." schreit er mich an.

Geschockt sehe ich ihn an. Meine Tränen fließen runter. Ich brauche eine kurze Zeit bis ich realisiere, was er da eben gesagt hat. Er hat mich ausgenutzt. Nur rumgemacht aus Spaß, damit sein Ruf nicht zerstört wird. Und weil ich seine Frau bin. Ohne etwas zu sagen renne ich ins Schlafzimmer und knalle die Tür zu. Ich ziehe mich schnell aus und ziehe mir neue Unterwäsche und eine Jeans mir einen großen Pullover an. Aus dem Schrank hole ich meinen Rucksack und stopfe mir Unterwäsche zwei Hosen und zwei Oberteile rein. Ich nehme meine Tasche und hole mein Geldbeutel und Handy raus und stopfe sie ebenfalls in den Rucksack.

Ich wische meine Tränen weg und schließe die Tür wieder auf. Ich gehe zur Wohnungstür und nehme meine Jacke aus dem Schrank. Die Badezimmertür geht auf und Serkan kommt mit einem Handtuch um die Hüfte gebunden raus. Als er mich sieht, packt er mich am Arm und zieht mich zu sich. „Wohin gehst du?" fragt er mich kalt. „Weit weg von dir." fauche ich ihn an und reiße mein Arm los. Ich dreh mich um und ziehe mir meine Schuhe an. Ich nehme mein Rucksack und öffne die Tür. Im Flur dreh ich mich das letzte mal zu ihm um. Er sieht mich wütend und Kalt an, dann knallt er die Tür vor meiner Nase zu.

Ein schluchzen verlässt meine Kehle und ich halte mir den Mund zu. Wie konnte er nur sowas machen? Wie konnte er sowas sagen? Ich drehe mich von der Tür weg. Als ich gehen wollte, höre ich, wie etwas in der Wohnung kracht und sachen Kaputt gehen. Soll er halt machen. Ich komme nicht mehr so leicht hier her. Ich verlasse das Apartment und gehe zu Fuß in die Stadt. Es ist gerade mal 19 Uhr. Die Sonne geht langsam runter aber es ist noch hell genug. Meine Haare sind noch nass. Ich flechte sie schnell beim Gehen. In der Stadt gehe ich zum Hauptbahnhof, wo die Züge sind.

„Hallo. Ich hätte gerne ein Ticket für den nächsten Zug nach München." sage ich der Frau hinter der Rezeption. Sie mustert mich erst bevor sie am Computer tippt. Sie sieht mich wieder an. „Der nächste Zug nach München kommt erst um 20:15 Uhr und das wird etwas teurer, als der normale Preis." Oh man. Erst in einer Stunde? Egal Hauptsache ich komme hier so schnell es geht weg. „Ist in Ordnung. Den nehme ich, wenn es kein früheren Zug gibt." sage ich der Frau. Sie tippt wieder am Computer. „156,98€ macht es dann." sagt sie. So viel? Ich hasse dich Serkan! Ich bezahle das Ticket und gehe zu dem Café, dass ich am Eingang gesehen habe. Dort kaufe ich mir eine flasche Wasser und etwas zum Naschen.

Ich schaue auf mein Ticket. Gleis 15. Ich gehe zum Gleis 15 und dort die Strecke weiter in die Mitte. Ich setze mich auf eine leere Bank und hole mein Handy raus. Ich tippe auf meine Kontakte und rufe an. Wieder tränen meine Augen. Und als ich ihre Stimme höre, schluchze ich auf. „Asli? Iyi misin? Ne oldu?" (Asli? Geht es dir gut? Was ist passiert?) ihre Stimme ist besorgt. Ich schluchze wieder. „Abla." (Schwester.) „Asli, ağlama canım kardeşim." (Asli, weine nicht meine liebe Schwester.) Sagt sie noch besorgter. „Abla, ben... ben yanına gelebilirmiyim?" (Kann ich zu dir kommen?)
Flüstere ich.

„Wo bist du gerade? Brauchst du Geld? Soll ich dir ein Ticket kaufen?" Sie ist meine Schwester, was soll ich sagen? Sie ist fürsorglich und die Beste. „Ich bin im Hauptbahnhof und habe schon ein Ticket gekauft. Mein Zug kommt erst um 20:15 Uhr. Ich bin  wahrscheinlich erst in 5 Stunden in München." beantworte ich ihre Frage. Sie seufzt. „Okay. Schreib mir kurz bevor du in München bist. Ich hole dich, dann ab." Ich nicke, obwohl sie mich nicht sehen kann. „Okay." flüstere ich und mir kommen immer mehr Tränen. „Asli, was hat er gemacht?" fragt sie vorsichtig und ich schluchze erneut. Ich weine und bin unfähig zu reden. Mein Herz schmerzt. Es zerbricht Stück für Stück und bohrt sich in mein Fleisch.

„Abla." (Schwester.) wimmere ich. Meine Kiefer zittert und meine Tränen brennen auf meiner Wange. „Abla, ich will" ich schluchze und versuche so deutlich es geht zu sprechen. „Ich w-will die Sch-Schei-dung." Wimmere und schluchze ich in das Telefon. „Asli, alles wird gut." verspricht sie mir. „Alper wird sich freuen." sagt sie und ich kann ihr Lächeln deutlich vor mir sehen und spüren. Ich lache schluchzend auf. „Du bist die Beste." flüstere ich. Meine Schwester weiß genau, wann sie das Thema ändern sollte und wie sie es machen soll. „Erzähle mir, was ihr so macht. Wie es Alper geht." sage ich und hole mir ein Taschentuch raus. Ich putze kurz meine Nase und halte das Telefon wieder ans Ohr.

Meine Schwester erzählt mir alles. Was sie in den letzten Tagen gemacht haben und was Alper im Kindergarten gebastelt und gemalt hat. Auch wenn wir heute morgen schon telefoniert haben und ich das meiste schon weiß, erzählt sie es nochmal und ich höre ihr gespannt zu. Ich lächle, obwohl ich weiß, dass sie es nicht sehen kann. Aber ich weiß auch, dass sie es spüren kann.

„Abla mein Zug ist da. Ich schreibe dir dann bevor ich ankomme." unterbreche ich sie und wir verabschieden uns. Ich lege auf und als der Zug hält,  steigen viele Reisende aus. Ich gehe dabei weiter vor zu meinem Wagon und steige in den Zug.

Ich hätte ein Einzelplatz erwartet aber hier sind Kabinen im Wagon. Ich schaue zur Sicherheit nochmal auf mein Ticket. ^Wagon: 216; Platz: 37^ Ich schaue auf die Wagonnummer am Eingang. ^216^ Ich bin richtig. Ich suche die Kabine mit der Platznummer 37. Drei Kabinen weiter vorne finde ich die Zahlen ^34-37^ Ich schiebe die Tür auf und schaue rein. Keiner drin. Perfekt. Wenigstens etwas Gutes im Leben. Ich gehe rein und Schiebe die Tür wieder zu. Hat sich doch gelohnt soviel Geld für das Ticket auszugeben. Meine Rucksack lege ich auf den Sitz daneben und ziehe meine Jacke aus, die ich neben der Tür aufhänge. Ich setze mich ans Fenster und schaue raus.

Die Sonne ist weg und es ist dunkel draußen. Meine Haar sind nicht mehr nass aber feucht. Ich schaue mich in der Kabine um. Es ist klein aber die Sitze sind bequem. Ober der Tür kann man die Klimaanlage oder die Heizung anmachen. Ich stehe auf und drehe die Heizung auf. Es ist etwas kühl aber gleich wird es wärmer hier drin. Dann setzte ich mich wieder hin und ziehe meine Schuhe aus, um meine Beine an mein Körper zu ziehen. Ich mache es mir gemütlich, als es an der Tür klopft. Ein Ticketkontrolleur scheibt die Tür auf. „Guten Abend." sagt er. Ich hole von meiner Jackentasche mein Ticket raus und zeige es ihm. Er scannt es mit einem Gerät ein, bedankt sich und geht wieder raus.

Nach weiteren 10 Minuten der Stille startet der Zug und wir fahren los. Ich schaue raus in die Dunkelheit. In der Kabine brennt nur ein kleines gelbes Licht, der den Raum erhellt. Draußen ist es stockdunkel. Ich schaue mein Spiegelbild am Fenster an und erstarre, als ich zwei große dunkle Flecken auf jeder Seite von meinem Hals sehe. Knutschflecke. Ich ekel mich vor mir selbst. Ich fühle mich beschmutzt und ausgenutzt. Meine Haut ist mir so Fremd.

Bin ich das wirklich? Bin ich dieses Mädchen am Fenster? Habe ich das wirklich zugelassen?

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A Promise About UsWhere stories live. Discover now