49. Kapitel ≫Im Krankenhaus≪

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Ich kämpfe gegen das grelle Licht und versuche meine Augen zu öffnen. Beim dritten Versuch klappt es und ich öffne meine Augen. Wo bin ich hier? Es ist ein weißer Raum. Links sind Fenster, wodurch die Sonne reinstahlt. Ich setze mich auf und mein Arm schmerzt auf einmal. Mein Blick fällt sofort auf den Verband um mein Arm und die Nadel in meiner Hand. Ich folge dem dünnen Schlauch entlang nach oben und da hängt ein Tropf. Ich liege im Krankenhaus. Wie auf ein Schlag kommt alles hoch.
Serkan, der zitternd auf dem Boden liegt. Wie ich seinen Namen schreie. Als er aufsteht und mich zu Boden schubst. Um meinem Arm ist deswegen ein Verband. Wegen dem Sturz. Wegen Serkan. Dann sind die Sanitäter gekommen und wir sind in ein Krankenwagen gestiegen und im Krankenhaus am Eingang wurde er weggebracht. Dann wurde alles Schwarz. Das ist das letzte an was ich mich erinnern kann.

Nein. Das letzte an was ich mich erinnern kann ist dieser dunkle Ort. Mein Opa. Eine Gänsehaut schießt durch meinen Körper. Mein Opa war da.
Wie erstarrt schaue ich auf die Wand und lasse alles immer wieder in meinem Kopf durchspielen.

Durch ein Klopfen zucke ich zusammen. Eine Krankenschwester betritt den Raum und kommt lächelnd auf mich zu. „Guten Morgen Frau Candemir. Wie geht es ihnen?" fragt sie, doch ich starre weiterhin die Wand an. „Frau Candemir?" höre ich sie neben mir fragen. Sie verschwindet aus dem Zimmer und gleich darauf sind mehrere Schritte zu hören. Eine kleine Taschenlampe wird mir in die Augen gehalten. Eine Ärztin untersucht mich. Wie eine Statue sitze ich da und starre die leere Wand an. Ich kann mich weder bewegen, noch etwas sagen. Ich fühle mich, wie das 12 Jährige Mädchen, dass in ihrem Zimmer saß als sie von dem Tod ihres Opas erfahren hat. Ich will aufstehen alles kaputt machen und wegrennen aber meine Beine und meine Füße sind gelähmt. Ich will schreien doch mein Mund ist zugeklebt.

Die Ärztin bespricht etwas mit der Krankenschwester und versucht mit mir zu reden. Aber ich höre sie nicht mehr. Die Geräusche haben aufgehört. Die einzige Stimme die ich noch höre ist die Stimme in meinem Kopf.
Serkan! Opa? Serkan! Opa? Serkan! Opa?
Kleid. Das blaue lange Kleid mit roten Rosen.
Bir prenses hayatı yaşamaz hayatı yaşatır. (Eine Prinzessin lebt nicht das Leben, sondern bringt das Leben zum Leben.) Das Leben zum Leben bringen.
Serkan, gitme. (Geh nicht) schreit die Stimme.
Spürst du, wie mein Herz klopft, wenn meine Lippen deine berühren. Die Sehnsucht nach seinen Lippen, seinem Herzschlag.

Die Szene in der Bar, als er mich an sich gedrückt hat. Seine Marsbraunen Augen, die meine durchbohrt haben. Als wir zu Hause waren, wie er mich geküsst hat. Plötzlich kommt mir das Bild vor die Augen, wie er zitternd auf dem Boden liegt. Das fließende Blut aus seinem Mund. Sein Wutanfall. Diese Pech schwarzen Augen. Wie er mich gepackt und zu Boden geschmissen hat. Der Sturz. Alles dreht sich in meinem Kopf. Alle Gedanken vermischen sich.

Ganz leicht und benebelt höre ich die verweinte Stimme meiner Schwiegermutter. Ist ihm etwas passiert? Sie legt ihre Hand auf meine Schulter. Ich erinnere mich an den Tag, als ich meine Bewerbung geschrieben habe und er strahlend nach Hause gekommen ist und mir erzählt hat, dass er die Werbe Branche übernehmen darf. Er war so glücklich bis er erfuhr, dass ich eine Bewerbung schreibe. Dann hatte der Streit wieder angefangen.

Wieso streiten wir uns so oft? Ich möchte nicht streiten. „Asli, kizim kendine gel. Serkan iyi çok şükür bi şeyi yok." (Asli, Meine Tochter komm zu dir. Serkan geht es zum Glück gut er hat nichts.) höre ich meine versorgte Schwiegermutter. Wo ist meine Mutter? Ich will zu meiner Mutter und wieder in ihren Armen liegen. Tränen kullern meine Wange herunter. Ich halte die ganzen Stimmen in meinem Kopf nicht mehr aus. Ich bin innerlich am durchdrehen, während ich äußerlich stumm dasitze.
Nach nicht einmal Fünf Minuten verlässt Sevgi Anne weinend das Zimmer und lässt mich alleine.

Serkans Sicht.

Erschöpft öffne ich die Augen und sehe meine Mutter weinend vor mir sitzen. Als sie merkt, dass ich wach bin versucht sie ihre Tränen zu verstecken. Ohne Erfolg. „Anne." krächze ich. Ich setze mich auf und schaue mich un. Ich befinde mich im Krankenhaus. „Warum sind wir hier?" frage ich und schon kommt der Arzt gefolgt von meinem Vater ins Zimmer. „Guten Morgen Herr Candemir. Wie fühlen sie sich? Irgendwelche Beschwerden?" fragt die Ärztin und untersucht mich indem sie eine kleine Taschenlampe in meine Augen hält. „Was ist passiert?" frage ich ohne auf ihre Frage einzugehen. Die Ärztin steckt die Lampe weg. „Sie hatten gestern Nacht einen Epilepsie Anfall. Keinen normalen, wie sonst auch, sondern diesesmal einen schlimmeren. Sie haben während dem Anfall noch ein Wutanfall gehabt, dass die Situation-" ich unterbreche sie. „Wo ist meine Frau?" Asli. Wo ist sie?

Ich richte mich auf und will aufstehen, als mich die Ärztin zurück hält. „Tut mir leid, sie können noch nicht aufstehen. Ihre Frau ist in einem anderen Zimmer." sagt sie und versucht mich aufzuhalten. „Was heißt in einem anderen Zimmer? Was ist passiert? Wie geht es ihr? Ich will auf der Stelle zu ihr." sage ich kalt und aufgebracht. Meine Mutter fängt an zu Schluchzen und geht zu meinem Vater, der sie in die Arme nimmt. Was ist mit Asli passiert? Ich reiße die Nadel vom Tropf aus meiner Hand uns stehe auf. „Herr Candemir ihre Frau ist in einem Schock Zustand." sagt die Ärztin und bittet mich, mich wieder hinzulegen. Schock Zustand? „Bringen Sie mich zu ihr." Befehle ich kalt. Die Ärztin geht vor und ich folge ihr. Ein Paar Zimmertüren weiter bleibt sie stehen und öffnet langsam die Tür. Ich betrete das Zimmer und da sitzt sie.

Sie starrt die weiße Wand vor ihr an. Mein Blick verfinstert sich als ich ihren Arm sehe. Ich drehe mich zur Ärztin. „Sie haben nichts über ihren Arm gesagt." fauche ich sie an. „Sie ist gestürzt und hat sich ihren Arm geprellt." antwortet sie. Ich dreh mich wieder zu Asli und gehe auf sie zu. Ihre Augen tränen. Ich setze mich neben ihr auf das Bett und lege meine Hand auf ihre Wange, um ihre Tränen wegzuwischen. „Asli." flüstere ich und sie zuckt zusammen. Mit ihrer rechten Hand krallt sie sich fester ins Bettlaken. „Ben burdayım. Yanındayım." (Ich bin hier neben dir.) flüstere ich. Sie zuckt bei jedem Wortschatz nur noch mehr zusammen.

In ihren Augen ist die Leere, die Einsamkeit und die Angst zu erkennen, die sie fühlt. Und das nur wegen mir. Sie fängt an zu wimmern und ihre Kiefer zittert. Ich drehe mich zur Ärztin, die auf mich zukommt. „Sie sollten Lieber gehen." sagt sie und bittet mich zu gehen. Zwei Krankenschwestern kommen ins Zimmer und die eine geht zu Asli. Sie untersucht sie. Die andere bittet mich mit ihr zu kommen. Wir gehen wieder zurück in mein Zimmer und die Helferin macht mir einen neuen Tropf dran. Als sie geht lehne ich mich zurück. Ich kriege das Bild von Asli nicht aus meinem Kopf. „Oğlum." (Mein Sohn.) Ich drehe mich zu meinem Vater. „Wir haben ihre Eltern angerufen. Sie sind auf dem Weg." sagt er und als Antwort nicke ich und schaue auf die Decke mit den Gedanken bei ihr.

Aslis Sicht.

Er war hier. Serkan war hier im Zimmer. Ich spüre seine Hand auf meiner Wange. Wieso tut er mir das an? „Kizim." (Mein Mädchen.) ertönt die verweinte Stimme meine Mutter. Meine Mutter? Ist sie hier? Bilde ich mir das nur ein oder ist sie hier neben mir? „Asli, ich bin hier neben dir." sagt sie schluchzend und legt ihre Hände auf mein Kopf und streicht meine Haare hinter. „Yapma böyle Asli, hersey geçecek ." (Mach nicht so Asli alles wird wieder gut.) flüstert sie. Sie nimmt meine Hand in ihre und drückt fest zu. Sie ist wirklich hier. Sie ist bei mir. Ich schluchze und meine Augen füllen sich immer mehr. Eine weitere Person betritt das Zimmer. „Schau, was dein Vater gebracht hat." sagt sie und entfernt sich etwas von mir. „Kizim iyi misin? Bak sana ne getirdim?" (Mein Mädchen geht es dir gut? Schau, was ich dir mitgebracht habe.) er setzt sich auf die andere Seite neben mich und legt eine flache Kiste auf meine Beine. Meine Mutter hebt den Deckel der Kiste hoch und legt es auf die Seite. Mein Kopf senkt sich und ich schluchze als ich sehe, was in der Kiste ist. „Dede." (Opa) hauche ich wimmernd und nehme das blaue Rosenkleid in meine Hände. Ich halte es fest und starre drauf. Auch, wenn es unmöglich ist, steigt der vertraute Geruch von meine Opa in meine Nase. Wimmernd weine ich immer mehr.

Die Tür wird aufgemacht und eine Person kommt ins Zimmer. Meine Eltern blicken zur Person und stehen langsam auf. „Serkan, Oglum iyi miyin?" (Serkan mein Sohn geht es dir gut?) fragt meine Mutter. Ein Schauer jagt durch meinen ganzen Körper. „Asli iyi mi?" (Geht es Asli gut?) fragt er. Sein stechender Blick brennt sich in meine Haut. Meine Mutter setzt sich wieder neben mich und legt ihre Hände auf meine. Ich will ihn nicht hier haben. Wenn er in meiner Nähe ist tauchen die ganzen Erinnerungen von letzter Nacht auf. „G-Git." flüstere ich. Es ist kurz Still, dann hört man die Schritte, wie er geht.

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