50. Kapitel ≫Epilepsie≪

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Seit einer Woche liegen wir im Krankenhaus. Er in seinem und ich in meinem Zimmer. Am dritten Tag bin ich erst wieder zu mir gekommen. Meine Eltern besuchen mich täglich und meine Schwiegermutter kommt ab und an in mein Zimmer. Seitdem ich Serkan weggeschickt hatte, habe ich ihn auch nicht mehr gesehen. Ist auch besser so. Ich kann ihn nich sehen. Nicht, wenn ich nicht weiß, was zu Hölle mit ihm los ist. Die Bilder wollen einfach nicht aus meinem Kopf. Ein Klopfen an der Tür lässt mich zusammen zucken. Meine Mutter betritt das Zimmer. „Günaydın Kizim." (Guten Morgen mein Mädchen.) lächelt sie mich an. Ich tu es ihr gleich und begrüße sie auch mit einem Lächeln. „Günaydin Anne." (Guten Morgen Mama.)

Sie setzt sich neben mich ans Bett und nimmt meine Hand in ihre. „Geht es dir besser?" fragt sie. Sie lässt es sich vielleicht nicht anmerken aber ich sehe, wie das alles sie mitnimmt. Das war selbst ihr zu viel. Mit einem lächeln drücke ich ihre Hand mit fester Überzeugung. „Mir geht es wieder gut Anne. Wirklich." Sie nickt und steht wieder auf. „Du darfst heute wieder raus. Ich pack schnell deine Sachen ein." Ich darf heute schon raus. Das geht nicht. Ich kann noch nicht raus. Mein Herz fängt an schneller zu schlagen.

Es klopft wieder an der Tür und die Ärztin, deren Namen ich immer noch nicht weiß, kommt ins Zimmer. „Guten Morgen Frau Candemir. Ich sehe es geht Ihnen besser." begrüßt sie mich. Ich nicke lächelnd. „Sie dürfen uns heute verlassen. Ich wünsche Ihnen gute Besserung." Ich bedanke mich und die Ärztin verlässt den Raum. Ich schaue zu meiner Mutter, die mit einer kleinen Tasche auf mich wartet. Wir gehen aus dem Zimmer in den Flur. Ich bleibe stehen und mein Herz füngt wieder an schneller zu schlagen. Vor uns steht die Candemir Familie.

Mutter, Vater und Sohn. Mein Herz schlägt schnerzend schnell. Er steht mit dem Blick in meine Richtung aber sieht mich nicht an. Ich kann das nicht. Ich ertrage diesen Schmerz nicht. „Serkan" keuche ich und renne auf ihn zu. Ich renne mit schweren Schritten und umarme ihn so fest, wie noch nie. Mein Gesicht drücke ich fest auf seine Brust und kralle meine Hände in sein T-Shirt am Rücken. Angespannt steht er für paar Sekunden da, dann legt er seine Arme um mich und drückt mich fester an sich. So fest, dass mir die Luft weg bleibt. „Serkan." fauche ich. Er entfernt sich ein kleines bisschen von mir und legt seine Hände rechts und links an meine Wange. Seine Marsbraunen Augen schauen tief in meine. Trauer, Sorge aber auch Erleichterung sind in ihnen zu erkennen. Dann nähert er sich und legt seine Lippen auf meine Stirn.

Ich schließe meine Augen und versuche jede kleine Berührung in mich aufzunehmen. Ich habe ihn verjagt aber auch vermisst. Eine weile ruhen seine Lippen auf meiner Stirn. Langsam entfernt er sich und schon spüre ich die kälte auf der Stelle, wo noch vor zwei Sekunden seine Lippen lagen. Ich lasse meine Augen geschlossen und versuche ruhig zu atmen. Er lebt. Er ist am leben. Sein Herz klopf gegen mein Ohr. Ihm geht es gut. Stelle ich fest. Erst jetzt in diesem Moment kann ich alles was passiert ist und diese ganze Situation realisieren und verarbeiten. Nur durch diese feste Umarmung. „Lass uns gehen." flüstert er mir zu.

Er legt sein Arm um meine Taille und führt mich raus. Unsere Familie geht voraus. Ohne zu zögern führt mich Serkan zum Auto meines Vaters und hält mir die Tür auf. Leicht enttäuscht schaue ich ihn an und steige zögernd ein. Wird er mit seinen Eltern fahren? Aus dem kleinen Fenster blicke ich zu ihm. Er lächelt und geht um das Auto. Von der anderen Seite steigt er ein. Ich lächle ihn breit an, als er sich neben mich setzt. Sofort rutsche ich zu ihm und umarme ihn von der Seite. Er legt sein Arm um mich und ich lege mein Kopf auf seine Schulter. Ist das nur ein Traum oder fängt das Eis an zu schmelzen? Vielleicht ist es aber auch nur die Ruhe vor dem Sturm. Was auch immer es ist, ich werde jede kleine Sekunde davon genießen. Er ist am Leben und das ist das, was zählt.

Das Auto hält und wir steigen aus. Wir sind aber nicht vor dem Apartment, sondern vor einem zwei stockigem Familienhaus. Verwirrt schaue ich meine Mutter an. Sie lächelt mich warmherzig an. „Wir werden zwei bis drei Tage hier übernachten." beantwortet sie meine stumm gestellte Frage. Ich nicke und wir betreten das Haus. Ich bin das erste mal hier. Mit meinen Eltern und gefolgt von Serkan gehen wir ins Wohnzimmer und setzen uns alle hin. Erleichtert und erschöpft atmen alle aus. Serkan ist die bei den Treppen verschwunden. Während er weg ist, will ich diese eine Frage beantwortet bekommen. Mit einem räuspern, lenke ich alle Aufmerksamkeit auf mich. „Serkanin neyi var." (Was hat Serkan?) Meine Stimme ist brüchig. Ich Knete meine Hände vor Nervosität. Alle sehen mich bemitleidend und schuldig an. Sie wissen alle, was er hat. Aber wieso sagen sie nichts.

A Promise About UsWhere stories live. Discover now